1. Schwarzes Gold

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Ich drehe mir nachdenklich meine nassen Haare um den Finger. Seit dem die Sonne am höchsten steht, sitze ich in meinem Versteck hoch oben in den Bäumen und lauer. Den ganzen Nachmittag hat es nun schon geregnet und meine Kleidung ist komplett durchnässt. Ich höre die einzelnen Tropfen, welche auf die großen Blätter der Bäume prallen, die Vögel welche aufgeregt zwitschern, ein Eichhörnchen welches versucht eine Nuss zu knacken und die Stimmen der Menschen welche laut diskutieren. Und das nun schon eine verdammt lange Zeit. Unter mir sind die bunt bemalten Häuser der großen Kaufmannsstadt Lazit. Und in dem Haus direkt unter mir, ist mein Ziel.
Der fette Kaufmann und heimlicher Sklavenhändler Plit. Man hat mich beauftragt ihn aus den Weg zu räumen und wie ich das anstelle, sei mir selbst überlassen. Er ist der verdammte Grund warum ich mir auf den Ästen der alten Eiche den Arsch wundssitze.
Viele würden nach solch einer langen Zeit der Warterei ungeduldig werden. Doch nicht ich, denn ich bin in solchen Sachen geübt. Dass gehört schließlich mit zu meinem Leben als Assassine. Verdammt über was reden die da so lange?
Doch dann, als hätten sie meine Gedanken gehört, schlägt mit einem lauten Knall die Tür auf und die Männer treten endlich aus dem Haus.
Ich spüre wie sich all meine Muskeln anspannen und meine Augen konzentriert nach meinem Opfer in der bunten Menschenmasse Ausschau halten. Ich muss nicht lange suchen bis ich den wohlgenährten Händler unter ihnen ausmache. Nun gibt es nur noch mich und mein Ziel. Langsam und mit einer geübten Leichtigkeit schleiche ich auf den Ästen über die Menschen hinweg. Meine Augen sind nur auf Plit gerichtet. Er unterhält sich aufgeregt mit einem hageren Mann, welcher es schwer hat mit dem dicken Kaufmann Schritt zu halten. Plit ist für seine Masse wahrlich beachtlich schnell. Ich kann, ärgerlicher Weise, kein einziges Wort auffassen worüber sie sprechen, da die Menschen unter mir mit ihren lauthalsen Privatgesprächen und Händlerrufen diese übertönen. Ich setze also einen Fuß nach dem anderen, während meine Augen an Plit kleben. Noch immer tropft mir der Regen ins Gesicht und ich muss oft deswegen blinzeln. Nach einer Weile der Verfolgung scheinen sich beide zu verabschieden und gehen getrennte Wege. Plit geht gezielt durch die Ansammlung von handelnden Menschen und steuert geradewegs auf eine Taverne zu.
Doch die Äste der Bäume enden bevor ich ihn für meinen tödlichen Sprung erreichen kann.
Ich blicke eilig hin und her, denn ich muss mir sicher sein, dass mich niemand sieht. Dann springe ich leise von dem Baum und lande sanft neben einem Stand, welcher mit bunten Tüchern behangen ist.
Ich verstehe nicht, wie trotz des Regens so viele Menschen sich hier sammeln und heiser nach den Angeboten schreien, um das beste Stück zu ergattern.
Doch ohne mich weiter ablenken zu lassen, gehe ich zur Taverne hinüber, atme tief durch, zieh meinen Mantel enger und öffne die hölzerne Tür. Sofort kommt mir der Geruch von Bier und gebratenem Schwein entgegen. Es wird eine fröhliche Melodie gespielt und die Menschen sitzen an den überfüllten Tischen, essen, trinken und unterhalten sich über die unterschiedlichsten Themen. Plit kann ich jedoch noch nicht ausmachen. Angespannt laufe ich zur Theke und bestelle mir ein Wasser ohne den Wirt auch nur anzusehen. Noch immer kann ich den Kaufmann unter der Masse nicht ausfindig machen. Doch langsam wird es Zeit, dass ich meinen Auftrag beende, denn es ist nun schon früher Abend. Ich trinke ein paar Schlucke des Wassers, welches ich bestellt habe und drehe meine goldene Münze in den Fingern. Ich habe sie immer dabei, denn sie ist für mich so eine Art Glücksbringer. Wo ist Plit nur. Ein Mann von solchen Ausmaßen kann nicht einfach in eine Taverne gehen und verschwinden. Doch dann, als zwei Männer sich aus der Masse erheben und sich dabei lauthals anschreien, kommt endlich der Moment auf den ich gewartet habe. Denn einer der beiden Männer war der Kaufmann und während sie sich streiten, werde ich meine Chance ergreifen und ihn töten. Mein Herz macht eine Sprung und ich richte meine Aufmerksamkeit nur auf meine Münze, welche langsam ihren goldenen Schimmer verliert und schwarz wie die Nacht wird. Meine Augen verlieren sich in ihr und ich spüre wie der Schatten in dem Raum anfängt sich zu bewegen. Langsam beginnt er sich unter meiner Vorstellung einer bedrohlichen Form anzunehmen. Meine Nackenhaare stellen sich auf und das Blut rauscht in meinen Ohren. Die Menschen in der Taverne achten faszinierend auf den Streit der beiden Männer und niemand sieht den Schatten in der Ecke, welcher nun seine vollkommene Form erlangt hat und sich langsam erhebt. Seine gelben Augen stechen aus dem dunklen Schwarz hervor und erfassen das Ziel. Mit einer gekonnten Leichtigkeit schleicht er im Schatten der Menschen und Gegenständen an den Beinen der sitzenden Gäste vorbei. Sein katzenartiger Leib ist kaum erkennbar als er sich seinem Opfer, durch den Schatten der Stühle und Tische, langsam nähert. Als er Plit errreicht, verschmilzt er mit dem Schatten des dicken Kaufmannes und lauert in ihm auf seinen Befehl. Ich starre angestrengt auf meine Münze und bin bereit für meinen allerletzten Schritt. Der Schweiß tropft von meiner Stirn als ich noch konzentrierter auf meine Münze blicke und meine Augen wieder durch die der Schattengestalt sehen können. Der katzenartige Leib erhebt sich wieder aus dem Schatten von dem sich streitenden Plit und bleckt seine schwarzen Zähne. Jetzt habe ich dich endlich. Doch meine Münze verliert plötzlich ihre Schwärze und hat wieder ihren golden Glanz. Der katzenartige Schatten verschwindet in dem von Plit und scheint nie existiert zu haben. Ich spüre eine kalte Hand auf meiner Schulter.
Entschuldigung?"
Mit einer geschickten Bewegung verstecke ich meine Münze in meinem Ärmel und drehe mich lächelnd zu der Stimme um. Ja bitte? ", antworte ich mit einer beabsichtigten Schärfe. Vor mir steht ein gut gebauter Mann, welcher eine silberne Rüstung mit weißer Verzierung und einem goldenen Abzeichen, welches darauf weist dass er von der Garde ist, trägt. Binnen Sekunden habe ich ihn von oben bis unten analysiert und sein unter dem Umhang verstecktes Schwert, die kleine Armbrust und die kleinen Dolche im Stiefel entdeckt.
Ist mit Ihnen alles in Ordnung? Ich habe sie beobachtet und gesehen dass sie sehr stark schwitzen. Sie sind doch nicht krank?" Er weiß Bescheid und ahnt was für eine Person hier vor ihm sitzt. Die langsame und kaum zu beachtende Bewegung zu seinem Schwert bestätigt meinen Verdacht. Und als wäre dies noch nicht genug, beenden die beiden Männer im hinteren Teil der Taverne ihren Streit und Plit stampft wütend durch die Tür nach draußen und somit aus meine Reichweite.
Es ist alles in Ordnung." , antworte ich knapp und noch bevor der Soldat vor mir antworten kann, springe ich von meinem Hocker und haste dem Kaufmann hinterher.
Wahrscheinlich weiß Plit auch Bescheid dass jemand hinter ihm her ist. Denn dass der Soldat genau jetzt aufkreuzt ist kein Zufall. Mit einem kräftigen Hieb stoße ich die hölzerne Tür auf und stehe wieder im Regen. Ich hole meine Münze aus der Tasche und drehe sie hastig zwischen meinen Fingern hin und her. Abermals verliert sie ihren Schimmer und wird wieder schwarz. Ich starre geradeaus und fixiere einen Punkt. Innerhalb weniger Sekunden fand ich mich in einem Schatten eines Baumes, welcher in der Nähe des nun rennenden Plits war. Mein Blick verfolgt ihn während sich erneut der Körper eine großen Katze aus dem Schatten erhebt. Mit großen aber leisen Schritten verfolgt sie den Kaufmann und kommt ihm schnell näher. Doch kurz bevor sie ihn erreicht, verliere ich abermals die Kontrolle und befinde mich wieder vor der Taverne. Meine Augen lösen sich von der Starre. Der Schmerz bei meiner linken Rippe deutet darauf hin, dass dies der Grund ist warum ich die Kontrolle verloren habe.
Ich war noch nicht mit dir fertig Attentäterin!" Natürlich ist es der Soldat, der mich nun zum zweiten Mal aufgehalten hat. Ich streiche mir wütend meine schwarze, nasse Strähne aus dem Gesicht, atme tief durch und drehe mich zu der Richtung aus der seine Stimme kommt. Er steht, mit dem Schwert in der rechten und der Armbrust in der linken Hand, nur noch wenige Schritte von mir entfernt. Ich habe keine Zeit für diese Spiele, denn Plit hat nun schon einen beachtlichen Vorsprung und wenn er die Kirche erreicht, ist es aus. Ich stecke meine Münze wieder weg und ziehe meine zwei Dolche aus ihren Halterungen. Dann muss es eben so gemacht werden.
Der Regen hat unsere beiden Sachen erneut komplett durchnässt sodass sie an unserer Haut klebt. Die Öllaternen geben ein nur schwaches Licht. Verdammt, es ist nun schon beinahe der Tag um und der Kaufmann ist immer noch am Leben. Was für ein beschissener Tag. Ich muss das jetzt zu Ende bringen und die Zeit aufholen. Sonst gibt es keine weitere Chance. Und mit einem großen Satz springe ich auf den Soldaten zu, täusche einen Hieb auf seinen linken Arm an, stach dann aber auf seine rechte Seite ein. Doch genau dann, als mein Dolch seine Rippen treffen sollten, blockt er meinen Angriff ab und schlägt mir direkt in die ungeschützte Bauchkuhle. Ich spüre wie mir kurz schwarz vor Augen wird und der Atem wegbleibt. Meine Füße scheinen keinen Halt zu finden und so taumle ich einige Schritte rückwärts bis ich endlich zum stehen komme. Er ist, für meinen Nachteil und erstaunlicher Weise, ein guter Kämpfer. Jetzt habe ich also nicht nur die Zeit, sondern auch den gut ausgebildeten Soldaten als Problem. Doch mit nur einem Windhauch soll sich alles ändern. Der Mond, welcher halb am Himmel stand wird von wenigen, dicken Wolken bedeckt und sein Licht ist erloschen. Jetzt gibt es nur noch den blassen Schimmer der Laternen ansonsten ist es beinahe Finsternis. Der Soldat ist von der schnell kommenden Dunkelheit abgelenkt. Wenn etwas noch besser ist als ein Schatten, dann ist es die Finsternis der Nacht. Alles muss nun schnell gehen. Ich greife abermals meine Münze und halte sie mit beiden Händen fest. Ich schließe hastig meine Augen. "Reya."
Und mit diesen Worten wandelt sich, mit einer unglaublichen Geschwindigkeit, mein menschlicher Körper in den eines großen Panthers. Es ist lange her, dass ich diesen Körper angenommen habe, doch es fühlt sich verdammt gut an die Kraft der Schatten zu spüren. Langsam erhebe ich mich aus der Dunkelheit und spüre wie jeder einzelner Muskel sich anspannt. Ich grabe meine Krallen in die nasse Erde und erfasse den nun verwirrten Soldat und mache ihn somit bewegungsunfähig. Auch wenn er mich verdammt lange abgehalten hat, ist dies nicht der Tag an dem er seinen Tod finden wird. Ich knurre ihn nur an, beende damit unseren Kampf und wende mich von ihm ab. Auch wenn der Kaufmann schon weit entfernt ist, kann ich dennoch sein aufdringliches Parfum, welches mit seinem Angstschweiß vermischt ist, riechen. Mit riesigen Schritten folge ich der Spur. Mein Flanken beben bei jedem Atemzug. Ich spüre wie die gewaltige Kraft des Schattenpanthers mich durchströmt. Zu lange habe ich ihn schon nicht mehr hervorgerufen und beinahe seine übernatürliche Kraft vergessen. Ich schlängle mich geschmeidig an den wenigen Menschen vorbei, welche bei dem beweglichen Schatten aufschreien. Menschen, sie sind immer so furchtbar ängstlich. Ich muss innerlich grinsen. Mit einem großen Satz springe ich auf das Dach einer kleinen Hütte und klettere eilig höher bis ich auf den großen, geschmückten Dächern der Stadt Lazit bin. Ein kühler Windzug streift mein schattigen Körper und bringt den Geruch des Kaufmannes mit sich. Er ist ganz nah.
Ohne lange zu warten hetze ich der Fährte nach und springe schnell über die Dächer. Ich liebe diese Momente der Jagd, denn sie sind wie kleine Kunstwerke, welcher der Jäger und das Opfer selbst gestalten. Meine Tatzen finden trotz der nassen Ziegel guten Halt und somit kann ich Plit gut nachjagen. Und dann ist er da endlich. Hastig blickt er um sich und schubst die anderen Anwohner beiseite. Der Schweiß tropft von seiner Stirn und seine nassen Sachen kleben an seinem Körper. Man sieht ihm an, dass er keine Kraft mehr zum Rennen hat. Er ist am Ende und das weiß er ganz genau. Ich blecke mir bei dem Gedanken hungrig meine Zähne. Es ist seit langem mal wieder eine Jagd gewesen. Sonst konnte ich meine Ziele immer schnell ausschalten. Plit bleibt kurz stehen, verschnauft, blickt wieder hastig um sich und stolpert dann weiter. Er rennt um sein erbärmliches Leben. Wie viele Leben sind wegen ihm schon hoffnungslos verendet. Und nun endet seines in dieser wundervollen Nacht. Ich schleiche ihm über die Dächer hinweg hinterher und lasse ihn keinen Augenblick aus den Augen. Mein Schattenkörper bewegt sich, elegant und bedrohlich, wie von selbst während ich ihm eine Weile nachsetze. Bis der dicke Kaufmann in seiner Angst nicht auf den Weg achtet, welchen er einschlägt und direkt in eine Sackgasse rennt.
Ich sehe ihm vom Dach aus zu wie er entsetzt vor der kahlen Mauer stehen bleibt und sich hastig wieder umdreht um wieder zurückzulaufen. Doch dieses Mal entkommst du mir nicht Plit und mit einem eleganten Satz lande ich direkt vor ihm und versperre den Weg zu seinem Leben. Es ist dieser wunderbare letzte Moment wenn der Jäger und der Gejagte sich gegenüber stehen und sich anblicken. Dieser Moment indem man in die Seele seines Opfers blickt und die Angst darin aufsaugt. Langsam mache ich einen Schritt auf ihn zu und im gleichen Moment macht er einen zurück, als wäre es ein Tanz des Lebens und des Todes. Ich wechsle meine Richtung und umkreise ihn, mit dem Blick auf seine Augen gerichtet. Wir beiden wissen wie es endet und doch hängt er noch so an seinem erbärmlichen Leben. Es ist die perfekte Kulisse für solch ein Ende. Die nackte, dunkle Gasse, der Regen, welcher in Strömen vom Himmel fällt, der Mond, welcher sein silbernes Licht auf uns wirft und nicht zu vergessen die Schatten, welche sich hungrig zum Kaufmann bewegen und versuchen den seinen zu greifen. All dies ist das Kunstwerk zwischen uns zweien, von uns erschaffen. Doch so sehr ich diese Momente auch liebe, muss ich ihn nun beenden. So ging ich langsam auf ihn zu und meine Schattengestalt verblasst bei jedem Schritt, welchen ich tue. Bis ich letztendlich als Mensch vor ihm stehe und mit meinen menschlichen Augen in die seine blicke. Er steht ganz starr vor mir und wagt es nicht sich zu bewegen. Sein Atem stockt kurz als ich ihm mein Dolch langsam in den Bauch schiebe. Er greift nach meiner Schulter und hält sich an ihr fest, während er langsam zu Boden ging. Das warme Blut fließt aus seinem Mund und vermischt sich mit den Tropfen des Regens. Noch immer sind unsere Blicke vereint und ich kann sehen wie seine Seele seinen Körper, welcher immer schwächer wird, verlässt.
Das war dieser unbeschreibliche Moment und somit haben wir unser Kunstwerk endlich beendet. Ich beobachte wie die Seele nun endgültig seinen Körper verlassen hat und gen Himmel steigt. Sie wirkt so rein und ruhig. Und während sie hinaufsteigt, zerfällt sie in viele flimmernde Stücke und diese dann zu feinem Staub, welcher immer weiter gen Himmel schwebt. Das Sterben einer Seele ist das wohl vollkommenste und schönste was es auf dieser Welt gibt. Ich löse meinen Blick von ihr und stoße den toten Leib des Kaufmannes angewidert von mir weg. Jemand wird ihn finden und schon bald wird man überall Kunde über seinen Mord hören. Ich stecke meinen Dolch weg, ziehe meinen Mantel wieder enger, gehe aus der Gasse und mische mich unter die nichtsahnenden Menschen. Ich spüre zwischen meinen Fingern meine kalte Münze und drehe sie ruhig hin und her. Ein Grinsen huscht über mein nasses Gesicht. Welch wundervolle Nacht es doch heute ist.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 08, 2020 ⏰

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Schattenkunst ~ Augen des PanthersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt