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Liebe heißt, dass du niemals sagen musst, dass es dir leid tut.

-Erich Segal-

Der Wind peitschte ihr hart und eisig um die Ohren. Es war kalt, mehr als kalt. Bibbernd versuchte sie sich selbst zu wärmen, indem sie ihre Arme um sich selbst schlang, doch die eisige Kälte war längst in jedem Millimeter ihres Körpers gelangt. Es war vergebene Müh, ihre Hände, ihre Nase und ihre Ohren pochten vor Schmerz. Lange würde sie es nicht mehr aushalten. Aber sie musste. Ein bisschen musste sie noch aushalten.

Sophia war lange nicht mehr hier gewesen.
Immer am selben Datum, zur selben Zeit fand sie sich an diesem Ort wieder. Einmal im Jahr schürte sie das Feuer der Hoffnung und ließ die traurigen Erinnerung auf sich niederprasseln.

Sophia verdrängte das Gefühl der Verbitterung, dass in ihr hochsteigen wollte. Immer wieder versuchte dieses Gefühl die Oberhand zu gewinnen, doch sie ließ es nicht zu. Verbitterung führte zu nichts!

Sie hatte eine Entscheidung getroffen. Sie hatte es so gewollt und Sophia wusste, wenn sie nicht hierher gekommen wäre, hätte sie es ein Leben lang bereut. Immer wieder hätte sie sich gefragt, ob er genau an diesem Tag, wo sie die Hoffnung aufgegeben hatte, gekommen war.

Richard,...

Der Gedanke an ihn ließ sie unwillkürlich lächeln. Selbst nach fast sieben Jahren schlug ihr Herz schneller, wenn sie an ihn dachte. Richard, ihr Gegenstück. Richard, der sich gegen sie entschied.

Der Krieg, das Abenteuer, das Leben im fernen Osten war aufregender für ihn gewesen, als bei ihr zu bleiben. Sie hatte ihn verstanden, wie sie es immer getan hatte. Zumindest hatte sie es versucht, soweit es ging.

Richard war halt Richard, mit all seinen Facetten. Sie liebte ihn und das hieß für sie, dass es kein Zurück mehr gab. Die Vernunft hatte ihr oft genug gesagt, dass das, was sie tat, vielleicht ein Fehler war. Aber ihr Herz schlug einzig und allein für diesen Mann.

Gedankenverloren sah sie in den grauen Himmel. Das Wetter schien jedes Jahr ihre Stimmung widerzuspiegeln, als wüsste die Natur was heute für ein Tag war. Als erinnerte sie sich ebenfalls an den Tag vor sieben Jahren.

Jedes Jahr war das Wetter kalt, nass, unruhig, stürmisch und irgendwie traurig. Die Bäume waren kahl und wirkten leblos im Wind. Sie beugten sich der Gewalt des Windes widerstandslos. Alles wirkte farblos und grau, so wie die Erinnerung an den Tag vor sieben Jahren.

„Ich liebe dich, Richard! Ich liebe dich mehr als alles andere. Ich werde warten. Ich werde auf dich warten und dir die Zeit geben, die du brauchst. Geh in den Krieg, suche deine Abenteuer, suche das, was auch immer du suchst. Ich werde dir nicht im Wege stehen, denn ich weiß, das wäre nicht der richtige Weg. Aber wenn du eines Tages doch genug hast von all dem, was dir so wichtig erscheint, wenn du das Kämpfen satt hast, das Jagen nach dem was auch immer es ist,...
dann erinnere dich an mich und komm zurück. Ich werde hier sein. Jedes Jahr um diese Zeit werde ich hier sein und auf dich warten."

Er hatte gelacht und den Kopf geschüttelt. Das letzte Gespräch zwischen ihnen, begleitete sie stetig. Immer wieder hörte sie sich selbst und seine tiefe, raue Stimme.

„Süße, kleine Sophia. Das kann ich nicht von dir verlangen. Ich bin egoistisch, weil ich dich hier zurück lasse. Ich liebe dich, meine kleine, süße, wundervolle Sophia, aber ich kann nicht anders. Ich bin zu etwas höherem bestimmt, ich spüre das. Ich kann nicht hier bleiben, ich würde dich nur unglücklich machen, wenn ich bliebe. Versprich mir, werde glücklich. Versprich mir, dass du lebst, dass du deine Träume verwirklichst, so wie ich es tue."

Immer noch spürte sie seine Hände, die sich währenddessen liebevoll auf ihren Wangen gelegt hatten. Sein Daumen hatte unaufhörlich Kreise auf ihrer Haut gezogen und die Tränen weggewischt, die ihr übers Gesicht liefen.

Alles in ihr hatte danach geschrien ihn festzuhalten, ihn zu schütteln, ihm zu sagen, dass er in die falsche Richtung ging. Aber sie konnte nicht. Er musste seine eigenen Entscheidungen treffen. Er musste diesen Weg gehen und sie konnte nur zurück bleiben und hoffen. Hoffen, dass er es überlebte und dass er den Weg zu ihr zurück finden würde.

„Geh, Richard! Dein Zug fährt bald! Ich werde hier warten."

Sanft hatte er seine Lippen auf ihre gelegt. Der Kuss, der letzte Kuss,...

Alleine die Erinnerung daran ließ ihren Körper kribbeln und wärmte sie von innen. Er war so süß und bitter zugleich gewesen.

Sie hatte ihm geglaubt, dass er sie wirklich liebte. Aber er hatte neben ihr noch eine andere Liebe. Die Liebe zu der Gefahr.

Wie oft hatte er sich auf waghalsige Aktionen eingelassen, war auf Berge gestiegen, aus Flugzeugen gesprungen, ohne Sicherungen auf den Brüstungen der Hochhäuser spaziert. Er hatte den Adrenalinkick gesucht. Es war als wäre er süchtig danach gewesen.

Sophia hatte jedes Mal eine unglaubliche Angst ausgestanden. Immer hatte sie ihn vor ihrem innere Auge sterben sehen. Doch selbst die Liebe zu ihr hatten diesen Drang, diese Unruhe die er verspürte, nicht verdrängen können. Also musste Sophia sich gedulden.

Irgendwann einmal würde er erkennen, dass dies alles nicht wichtig war. Das all das, was ihn antrieb nicht das war, was im Leben zählte. Sie war ihm nicht böse. Sie verstand ihn nicht, aber sie war ihm nicht böse. Für sie gehörte Akzeptanz dazu wenn man jemanden liebte.

Das Leben und Liebe ging seltsame Wege und sie hatte gelernt, dass man nicht alles verstehen musste. Sie musste vertrauen. Sie musste darauf vertrauen, dass das zusammen fand, was zusammen gehörte. Richard war ihr Gegenstück und er würde zu ihr zurück finden, wenn es an der Zeit war.

Richard,...

Unruhig ließ sie ihren Blick über den See wandern. Dieser war zu Hälfte eingefroren, hier und da sah man aber das Wasser über die gefrorenen Stellen schwappen. Sophia fühlte sich beobachtet. Immer wenn sie hier war, fühlte sie sich so. Doch außer ein paar Spaziergängern, die sich hierher verirrten, war niemand zu sehen.

Traurig setzte sie sich auf die Bank und klapperte mit den Zähnen. Zehn Minuten würde sie noch warten.

Es braucht keine Worte Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt