Leise schlich Eli die Treppe hinauf. Er bemühte sich, nicht einen Muchs zu machen, ging sogar geduckt, was im Schutz der Dunkelheit eigentlich gar nicht nötig war.
Die Uhr hatte gerade erst drei Uhr geschlagen, eine gute Uhrzeit also, um heimlich durch die Gegend zu schleichen.
Es war stockfinster, eine Herbstnacht, wie sie im Buche stand, lau und spröde, aber gleichzeitig gefüllt mit abklingender Sommerwärme. Ab und zu pfiffen einem frische Brisen um die Ohren, doch der Wind war das letzte, was Eli gerade interessierte. Stumm setzte er einen Fuß vor den anderen, seinen Rucksack fest an sich gepresst und dicht an die Wand geschmiegt, als wäre der restliche Boden zu heiß, um darauf zu laufen.
„Noch ein paar Stufen", flüsterte Eli in sich hinein. Nur noch ein Katzensprung und er war endlich am Ziel, sicher für die restliche Nacht.
Plötzlich blitzte es ihm ganzen Haus. Helles Licht durchflutete die Räume, erhellte die letzten dunklen Winkel des Flures. Eli schlug sich voller Überraschung die Hand vor die Augen und geriet ins Wanken. Sein Fuß glitt ab und er rutschte ein paar Treppenstufen hinunter.
„Mist!", fluchte er etwas zu laut, als er sich wieder aufrappelte. Doch, als er hochsah, wurde ihm klar, dass seine Sorge, jemanden aufwecken zu können, völlig unbegründet war. Jeder, den er um seinen Schlaf hätte bringen können, war bereits wach.
Vor ihm standen seine Mutter Monika und sein Stiefvater Alexander, beide wirkten wenig erfreut, ihn so spät anzutreffen.
„Wo warst du?", fragte Monika und stemmte verärgert die Fäuste in die Hüften. Der rosa Bademantel, den sie über ihrem Pyjama trug, verlieh ihr nicht gerade ein bedrohliches Aussehen, doch ihr Gesichtsausdruck sprach eine andere Sprache.
„Weg", knurrte Eli knapp und rieb sich dabei immer noch die Augen. So unauffällig wie möglich versuchte er seinen Rucksack zu krallen, den er fallengelassen hatte und sich an Alex und seiner Mutter vorbeizudrängeln.
„Nicht so schnell, junger Mann!", donnerte seine Mutter und versperrte ihm den Weg. Eli seufzte.
„Was?", fragte er aufmüpfig.
„Wo warst du?", fragte sie und betonte jede einzelne Silbe. Dabei durchbohrte sie Eli regelrecht mit ihrem stählernen Blick.
„Im Club. Hab ich doch gesagt", verteidigte er sich und entgegnete seiner Mutter mit demselben Ausdruck. Natürlich war er nicht im Club gewesen. Das war gelogen. Eli hatte gehofft, seine Ausrede nicht vorbringen zu müssen, doch seine Mutter anzuflunkern, war ihm lieber, als ihr die Wahrheit zu sagen.
„Lüg mich nicht an!", drohte Monika und streckte ihm den Zeigefinger vors Gesicht. „Ich habe alle angerufen. Felix, Luis, Mika, wirklich alle! Keiner wusste, wo du steckst!"
Monika machte eine kurze Pause und musterte Eli von oben bis unten. Auf einmal holte sie aus. Eine flache Hand klatschte mitten auf seiner Wange auf.
„Weißt du eigentlich, wie spät es ist? Es ist drei Uhr! Wann solltest du zuhause sein?", fragte sie, während ihre Augen nur so vor Zorn funkelten. Hätten Blicke töten können, wäre Eli spätestens jetzt unter die Erde gewandert.
„Um zwölf", gab Eli knapp zurück und rieb sich fassungslos die Wange, auf der sich ein roter Abdruck zeigte. Noch nie, nie in seinem gesamten Leben war seine Mutter handgreiflich geworden. Dieses Mal merkte sogar er, dass er es zu weit getrieben hatte. Doch Monika kannte nur die Spitze des Eisberges.
„Elian Peters, bist du von allen guten Geistern verlassen?"
Eli antwortete nicht, sondern rieb sich immer noch stumm die pochende Backe.
„Antworte!", rief Alex und packte ihn rabiat an der Schulter. Aus Reflex und ohne großartig darüber nachzudenken, drückte Eli den Rucksack enger an sich. Für einige Sekunden herrschte Totenstille im Flur. Der Blick seines Stiefvaters wanderte immer wieder von Elis Gesicht auf seine Tasche. Er hatte sich verraten. Das war sein Ende.
„Gib mir den Rucksack!", forderte Alex und streckte die Hand aus.
„Nein!", sagte Eli fest entschlossen und wandte ihm die kalte Schulter zu.
„Gib mir den Rucksack", wiederholte er und betonte dabei jedes einzelne Wort. Aufbrausend griff er nach der Tasche und wollte sie an sich reißen, doch Eli entzog sich seinem Griff. Wie der Blitz sprang er die Treppe hinunter und versuchte seinem Stiefvater zu entkommen.
„Bleib stehen", hallte es vom ersten Stock hinab.
Eli war sich für einen kurzen Augenblick sicher, einen guten Vorsprung zu haben, doch die Hintertür, durch die er hätte fliehen können, war fest verschlossen. Wie ein Verrückter rüttelte und zerrte er am Türgriff, aber es gab kein Entkommen. Keine Sekunde später packten zwei kräftige Hände ihn an den Schultern und wirbelten ihn herum. Ehe Eli sich versah, wurde ihm der Rucksack entrissen. Augenblicklich stockte ihm der Atem. Sein Mund war wie ausgetrocknet, Panik schnürte ihm die Kehle zu und er überlegte, ob es gerechtfertigt war, die Scheibe einzuschlagen und das Fenster hinauszuspringen, doch er kam nicht dazu diesen Gedanken zu Ende zu fassen.
Alex bedachte ihn noch mit einem angewiderten Blick, bevor er die Tasche öffnete und durchsuchte.
Es kam Eli wie eine Ewigkeit vor, bis er den kleinen, roten Behälter mit den Pillen hervorzog, den er eigentlich um jeden Preis hatte verstecken wollen.
„So so", stellte Alexander in bedrohlich ruhigem Tonfall fest. Auch Monika war derweil die Stufen hinuntergeeilt und hatte sich zu ihnen gestellt. Fassungslos schlug sie sich die Hände vor den Mund.
„Eli", hauchte sie voller Entsetzen.
Hilflos blickte er zwischen den Pillen, seinem Stiefvater und seiner Mutter hin und her.
„Mama... ich..."
„Wie kommst du auf solche Ideen?", hauchte sie. Die Sprachlosigkeit stand ihr ins Gesicht geschrieben. Tränen der Verzweiflung füllten ihre Augen, als sie sich von ihm abwendete.
„Drogen?", fragte sie über ihre Schulter hinweg. Wortlos blickte Eli die kleine Dose an. Es tat ihm leid, das sah man ihm an, doch was sollte er sagen? Entschuldigungen waren etwas, das man sagte, wenn man eine Vase zerbrochen hatte, nicht, wenn man Drogen ins eigene Haus schmuggelte.
„Wie soll das mit dir weitergehen?", wollte Monika mehr von sich selbst wissen und schüttelte den Kopf. Zittrig bewegte sie sich langsamen Schrittes auf einen Stuhl zu und ließ sich kraftlos fallen. Still legte sie eine Hand über ihre Augen. Ihre Schultern begannen leicht zu beben.
„Ich hab's versucht, ich hab's wirklich versucht... Ich weiß, dass das alles nicht leicht war, aber...", sie brach ab und legte sich die andere Hand vor den Mund.
Elis Blick wurde weich. Seine Mutter dort mit hineinziehen, sie sogar zu kränken, das hatte er nicht gewollt.
„Mama, es tut mir leid, ich..."
Gerade wollte er einen Schritt auf seine Mutter zu machen, als ihn plötzlich eine geballte Faust mitten im Gesicht traf.Hey ho :)
Erste Story auf Wattpad 🤗🎉 (zumindest, wenn man die 5 geposteten und gelöschten Geschichten auf meinem anderen Account nicht mitzählt 😅)
Aber dieses Mal bin ich zuversichtlich, dass Millenium es weiter schaffen wird, als die anderen Geschichten 🙃
Hoffe sehr, der erste Teil der Einleitung hat euch gefallen und der Nächste folgt in Kürze 🤗
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Millenium
Teen FictionAls Liv erfährt, dass ihr kleiner Bruder Eli von Zuhause abgehauen ist, ist für sie eines klar: Sie muss ihn finden. Allein mit einem klapprigen Wohnmobil und einem Haufen Wolldecken bewaffnet fährt sie von Zuhause weg, in eine fremde Stadt, um nac...