Ein neuer Weg

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Vorsichtig schritt Judy voran. Die feinen Sandkörner kitzelten sie unter ihren Füßen. Sie sah lachend hinab auf Shane's Füße. Er hatte sie in Leinen eingepackt. Judy brauchte unbedingt auch solche Tücher. Es kribbelte so stark, das sie sich nur sehr schwer beherrschen konnte. Je lauter sie lachen würde, umso mehr Ahriman würden auf sie aufmerksam werden. Sie wollte sich langsam setzten, was ihr aber leider nicht gelang. Judy hatte ihre neu errungenen Beine noch nicht wirklich unter Kontrolle. Sie plumpste zu Boden und landete etwas unsanft auf ihrem Hintern. Ein leichter Schmerz durchzog ihren Po, aber es war nicht wirklich schlimm. Sally war direkt vor ihrer Nase und schaute sie besorgt an.

„Hast du dich verletzt? Du musst vorsichtiger sein, das müssen wir noch üben."

„Nein alles in Ordnung. Es zieht nur etwas. Besitzen wir noch solche Tücher, wie Shane sie trägt? Meine Füße sind anscheinend sehr empfindlich, es kitzelt schrecklich. Ich möchte nicht, das wegen mir die Ahriman auf uns aufmerksam werden."

Sally betrachtete lächelnd ihre Füße. Natürlich, ihre Füße waren heute Nacht zum ersten Mal im Gebrauch. Sie besitzen die schützende Hornhaut Schicht noch nicht. Daran hatten sie nicht gedacht. Leinentücher hatten sie keine mehr, dafür aber genügend Decken. Die flog zu Robby und zog ihn am Ohr zu einer der Decken.

„Robby, reiße bitte zwei gleich große Stücke davon ab. Wir müssen Judy Schuhe basteln, denn ihre Füße sind noch ungeschützt."

Robby nickte eifrig und machte sich ans Werk. Sally hatte eine Idee. Sie flog zu den wenigen Bäumen die in ihrer unmittelbaren Nähe standen und suchte nach Lianen, die sie auch fand. Sie waren dünn genug um als Kordel zu dienen und reißfest waren sie allemal. Sally musste ordentlich Kraft aufwenden um sie aus den Bäumen zu befreien. Die Liane war ganz schön schwer, sie zog Sally nach unten. Aber sie schaffte es trotzdem damit zu den anderen zu gelangen. Shane war wieder einmal von dem Einfallsreichtum dieser kleinen Fee beeindruckt. Er wusste sofort was sie vor hatte und nahm ihr die schwere Liane ab. Er schnitt sie in mehrere gleich große Stücke und reichte sie Sally wieder. Bölly hatte derweil die zwei Stücke der Decke vor Judy abgelegt. Flink befestigte Sally die neuen Schuhe an Judy's Füßen. Die zwei größeren Stücke der Liane band sie Judy um ihren Leib, damit sie die Decke nicht ständig festhalten musste. Das sollte genügen bis sie was brauchbares zu anziehen für sie finden werden. Dankbar sah Judy ihren Freunden entgegen.

„Danke, ohne euch weiß ich nicht, ob ich überhaupt einen Fuß aus dem Wasser gesetzt hätte. Wir sollten uns auf den Weg machen, schließlich haben wir ein Orakel zu finden."

Shane half ihr wieder auf ihre wackligen Beine und sie kletterten zwischen den riesigen Felsen zurück auf den Weg, den sie am Tage zuvor genommen hatten. Niemand wusste ob dies der richtige war, doch sie alle waren voller Hoffnung. Sally flog wachsam ein Stück voran und suchte die unmittelbare Umgebung nach ihren Feinden ab. Doch in dieser Ecke Délian's schien alles ruhig zu sein. Als der Morgen anbrach, standen sie am Ende des Weges, der sich an dieser Stelle Gabelte. Bölly sah nach links, dieser Weg sah alles außer einladend aus.  Er führte durch einen gestorbenen dunklen Wald, der nebelig vor ihnen lag. Dann sah er nach rechts und er hoffte das sie diesen nehmen würden. Der Weg lag eher frei und es gab hin und wieder ein paar Bäume, die noch ihr grünes Blätterdach trugen. Von Nebel war auf dieser Seite nichts zu sehen.
Shane schien nachdenklich, er kratzte sich an seinem Bart.

„Was meinst du Sally? Den einfachen oder den linken Weg?"

Sally wollte genauso wenig wie die anderen den linken Weg beschreiten. Doch dieser Weg wird der richtige sein. Ihre Gedanken ratterten und sie versuchte die richtigen Worte zu finden.

„Ich weiß euch gefällt die Vorstellung nicht und glaubt mir, ich würde auch lieber den anderen nehmen. Aber überlegt mal, würde dies nicht jeder tun? Den schönen nehmen? Vielleicht ist genau dieser Weg, der Weg der uns zu den Orakel führt. Weil eben dieser, der Weg ist den sonst jeder meiden würde. Ich denke das die Orakel dies genauso gesehen haben und in diese Richtung gegangen sind. Dort werden sie in Sicherheit sein. Denn niemand würde sich freiwillig dorthin verirren. Versteht ihr was ich meine?"
Judy und Shane nickten ihr zu, Bölly zitterte und Robby wurde ein paar mal unsichtbar. Shane schritt ein paar Fuß lang Richtung des Weges.

„Also gut, ihr habt Sally gehört und ich sehe das genauso. Wir sollten aufmerksam und vorsichtig sein. Wir wissen nicht was dort auf uns wartet, aber gemeinsam werden wir auch diesen Weg meistern."

Shane schritt Judy stützend voran und Sally flog ein wenig vor, doch durch den dichten Nebel konnte sie nicht wirklich weit sehen. Was das ganze noch erschwerte. Sie hoffte das ihre Entscheidung die richtige war. Hin und wieder knackte es neben ihnen im toten Wald und seltsame Geräusche drangen zu ihnen durch. Geräusche die keiner von ihnen kannte. Was gab es in diesem Teil Délian's für Geschöpfe? War dies der Ort von dem Sally geträumt hatte? Konnte dies möglich sein? Diese triste neblige Umgebung machte jedem Gemüt zu schaffen. Shane war wieder der alte Muffel und zog die Arme Judy hinter sich her. Sally hatte ganz vergessen, dass Judy noch keine solche Ausdauer besitzt wie sie alle. Doch hier pausieren, schien auch ihr keine gute Idee. Sie sahen die Hand vor Augen nicht und es gab keinerlei Schutz außer den dichten Nebel, der ihr allmählich in die Glieder kroch. Sally fror und sie wusste das es den anderen genauso erging. Erneut vernahm sie ein Geräusch, was sie aufhorchen ließ. Ihr Herz schlug schneller, angestrengt drehte sie sich in der Luft um die Richtung aus zu machen. Doch es war verschwunden. Sie flog auf Shane's Schultern und flüsterte ihm zu.

Shane ich habe etwas gehört. Es war ein flüstern, ganz sanft und leise. Aber ich kann die Richtung einfach nicht ausfindig machen und jetzt ist es verschwunden. Es wird bald hell und wir sind alle erledigt. Judy hat noch keine Ausdauer, wir sollten wirklich eine kleine Pause machen. Zumindest so lange bis es dämmert. Findest du nicht?"

Shane grummelte vor sich hin, blieb aber doch stehen. Er ging ein Stück in den Wald und kam wieder zurück.

„Dort liegt ein toter Baum, er muss sehr alt sein, denn er ist riesig. Dort werden wir pausieren. So sind wir nicht gänzlich schutzlos.
Sobald es Dämmert, setzten wir unseren Weg fort! Ich möchte hier nicht länger verweilen als nötig ist."

Völlig erledigt glitten Judy, Bölly und Robby zu Boden. Es dauerte auch nicht lange bis sie tief und fest schliefen. Auch Shane nickte zwei, dreimal ein. Nur Sally blieb wach und horchte in die Dunkelheit der Nacht hinein. Was war das für ein flüstern? Waren das die Orakel? Sie suchte in ihren Gedanken nach diesem Ort und fand ihn auch. Doch dies ließ einen faden Beigeschmack auf ihrer Zunge. Ihr Herz klopfte wild. Hatte Sally mit ihrer Entscheidung, sie alle dem Tode geweiht?
Wenn ihre Vermutung stimmte, dann würde es schwerer werden wie alles zuvor.
Angst erfüllte ihr kleines Herz, sie mussten so schnell wie möglich von hier fort.

Nessaja - Hoffnung für DelianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt