Es war ein Sonntag, wie jeder andere auch. In Texas herrschten schon zur frühen Stunde hochsommerliche Temperaturen, dennoch quälte sich ein Großteil der Einwohner zur Kirche. Eben wie jeden Sonntag. Und wie jeden Sonntag saß Familie McMiller in der ersten Reihe, das Familienoberhaupt, begleitet von seiner Frau und einem 6 - jährigen Mädchen mit zwei geflochtenen Zöpfen. Und wie immer begann der Priester mit seiner Predigt. "Liebe Gemeinde, heute wollen wir-"
Doch weiter kam er nicht, denn plötzlich ertönte ein Knall, dann noch einer. Und noch einer. Die ganze Gemeinde zuckte zusammen, Mütter beschützten ihre Kinder, Babys weinten und das Mädchen mit den Zöpfen schrie auf. Der Knall hatte die ganze Kirche erschüttert.
Dann fiel der Priester um und blieb liegen. Frauen schrien auf, als sie die drei blutenden Wunden auf dem Rücken des Toten sahen, andere bekreuzigten sich. Doch als sie die Person sahen, die hinter ihm gestanden hatte, da hielt die ganze Gemeinde den Atem an. Es wurde mit einem Mal so ruhig, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Denn die linke Gesichtshälfte der Frau hing in Fetzen und offenbarte das Fleisch, was unter der Haut lag. Die Wunde musste schon sehr alt sein, denn sie blutete nicht mehr. Obwohl sich eine Narbe durch ihr Gesicht zog, schimmerten ihre Augen wie Dolche. Für einen Moment ließ sie ihren Blick durch die Menge schweifen, bis sie auf einem Gesicht hängen blieb. Dann sprach sie und man hatte das Gefühl, ihre Stimme würde in die letzte Ecke der Kirche vordringen.
"Ich weiß, was Sie jetzt denken. Sie fragen sich, warum ich diese arme Seele getötet habe. Sie halten mich für einen Mörder, ein herzloses Wesen, ein Monster. Und wissen Sie was? Sie haben Recht."
Gebannt verfolgte die Gemeinde ihre Rede und niemand wagte sich, auch nur zu atmen. Sie alle konnten den Blick nicht von der Fratze der Fremden abwenden. Obwohl es höllisch warm war, zitterten die Menschen in der ersten Reihe vor Kälte, die sie versprühte.
"Aber ich war nicht immer ein Monster. Einst war ich sogar jemandes Muse. Das waren andere Zeiten. Aber die Innovationen, die Technik haben mich stärker gemacht, mich konserviert und haltbar gemacht. Sie machten aus dieser fleischlichen Hülle eine Waffe für die Ewigkeit. Sie können sich wohl vorstellen, wie lang und schmerzhaft das war."
Während sie sprach, trat sie die Stufen herunter, langsam wie ein Raubtier, kurz bevor es seine Beute zerfetzte. Die Waffe in ihrer Hand war die Drohung, die jedem das Blut in den Adern gefrieren lies. "Es hat mich zerstört, mich innerlich aufgefressen, mich gebrochen. Ich musste mir Kraft nehmen, wo auch immer ich war. Mord war nur eins der vielen Mittel. Doch die wahre Power", zischte sie, "kam von dir."
Dem Mädchen blieb das Herz stehen. Die Frau war vor ihrem Vater stehen geblieben und hielt ihm die Pistole an die Kehle. "Steh auf", knurrte sie. Seine Frau schnappte hörbar nach Luft, als er sich mit zitternden Beinen erhob. Etwas im Gesicht der Frau veränderte sich, als würden sich ihre Züge neu verschieben. Der Hass, mit dem sie ihn nun musterte, lies dem Mädchen das Blut in den Adern gefrieren. Dann flüsterte sie, so leise, dass es nur er und das Kind hörten: "Herzlichen Glückwunsch, Xephir, die Maschinen funktionieren. Blut wird durch Venen aus Metall gepumpt, sie fressen Strom und ihre Eisenherzen sind gefüllt mit Hass." Und dann schrie sie, dass die ganze Menge zusammen zuckte: "Versteckt eure Kinder, verabschiedet euch von euren Frauen und rennt! Wir kommen! Und wir werden uns rächen!"
Dann zerfiel sie zu Asche und hinterließ eine vor Angst erstarrte Gemeinde zurück.Dann kamen sie und sie nahmen sich alles, was sie in ihre Finger kamen. Sie mordeten, zerstörten und hinterließen nichts als Asche. Wer überleben wollte, versteckte sich im Untergrund. Das ist jetzt 12 Jahre her. Ich bin eine der wenigen, die überlebte. Ich war dabei, als die Geschichte begann und bin vermutlich die einzige, die sie beenden kann. Mein Vater hat etwas getan, wofür wir alle büßen müssen. Ich war das kleine Mädchen mit den Zöpfen.
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Pieces || Oneshots
PoetryIch hoffe, dass ich mit diesem Projekt meine Liebe zum geschriebenem Wort wiederfinde. Einfach nur ein paar Kurzgeschichten, die nichts miteinander zu tun haben. Ich hoffe, die gefallen euch. Lol