Kapitel 2

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Am nächsten Tag in der Schule war das Drama groß, anscheinend hatten fast alle Jungen schon eine Begleitung für den Abschlussball. Es war Thema Nummer eins.

Ich setzte mich auf meinem Platz im Klassenzimmer und schaltete gerade meine Kopfhörer aus, als Lucy sich ebenfalls setzte. „Guten Morgen Olivia", sagte sie und umarmte mich kurz, ehe sie ihre Schulmaterialien auf den Tisch legte. Wir hatten jetzt einen Block Mathe und danach im Tutorenkurs würde es die Zeugnisse geben. „Ich habe John gestern noch gefragt und er hat ja gesagt", fing auch sie mit dem Thema an. „Und du? Hat dich schon jemand gefragt?", fragte sie mich. Ich schüttelte nur den Kopf. „Wer sollte mich schon fragen", antwortete ich.

Ich wusste, dass mich niemand fragen würde. Ich war zu unscheinbar und niemand nahm mich wirklich ernst. Außerdem wollte ich mit jemand ganz bestimmten auf den Ball gehen und dieser Jemand kam gerade in den Raum. Sebastian Crawford, war groß, hatte braune Augen und braune Haare. Er trug wie immer schwarze Jeans, Chucks und ein Band-Shirt. Er begrüßte uns und setzte sich auf seinen Platz genau vor mir. „Hey Sebastian", sagte Lucy, „Hast du schon eine Begleitung für den Ball? Ich hab ja gehört Millie wollte dich fragen." Der Braunhaarige hatte gerade seinen Hefter aus dem Rucksack geholt. Er drehte sich zu uns um. „Nee hab noch keine Begleitung. Hmmm. Millie hat mich noch nicht gefragt. Aber ich denke auch nicht, dass ich mit ihr hingehen möchte", sagte er und zuckte mit den Schultern. Erleichtert entspannte ich mich wieder, Lucy hatte mir gerade ganz schön angst gemacht mit ihrer Aussage. Ich war froh, dass er noch keine Begleitung hatte, aber wenn er Millie absagen würde, hätte ich erst recht keine Chance bei ihm. Millie war groß, blond und hatte echt schöne blaue Augen, wie sollte ich da mithalten. Ich war nicht annähernd so hübsch wie sie. Lucy nickte nur und so war das Gespräch auch schon wieder beendet. Sebastian hatte sich wieder umgedreht und schaute nun auf sein Telefon.

Der Klassenraum füllte sich langsam und schließlich ertönte die Schulglocke.

Der erste Block und auch die Zeugnissausgabe vergingen wie im Flug. Ich war gerade dabei meinen Rucksack zu packen und meine Kopfhörer einzuschalten, als mir jemand auf die Schulter tippte. Ich fuhr leicht zusammen vor schreck und hinter mir fing die Person an zu lachen. „Ich wollt dich nicht erschrecken", entschuldigte sich Sebastian bei mir. „Alles gut", sagte ich. „Ähm, was gibts denn?", fragte ich ihn. Er schien etwas verlegen und kratzte sich am Hinterkopf. „Alsoo, ich wollt dich fragen, ob du schon jemanden als Begleitung für den Abschlussball hast?", fragte er. Ich merkte, wie mein ganzer Körper anfing, vor Freude, zu kribbeln. „Ich. Äh. Nein, wieso?", stotterte ich. „Na ich dachte wir beide könnten hingehen", sagte er und grinste mich leicht schief an. Ich nickte. „Klar gerne", versuchte ich schließlich so cool wie möglich zu antworten. „Super, dann ist das ja geklärt. Ok, ich wünsche dir schöne Ferien Olivia", sagte er noch und verschwand mit seinem Rucksack aus der Tür.

Etwas verwirrt über diese Aktion aber dennoch gut gelaunt setzte ich nun meine Kopfhörer auf und machte mich ebenfalls auf den Weg nachhause.

Ich wollte kam gerade an der Haustür an, da konnte ich schon meine Eltern streiten hören. Ich wusste nicht worum es genau ging, aber ich konnte es mir schon denken. Irgendwer hatte irgendwas mal wieder nicht so getan, wie es mein Vater verlangt hatte. Ohne, dass sie es merkten rannte ich die Treppe hoch. Ich wollte nicht, dass sie mich auch noch in ihren Streit mit reinziehen.

Ich hörte wie Isabelle in ihrem Zimmer sprach. Ich klopfte an und betrat schließlich das Zimmer. „Hey Isa, hey Ben", sagte ich und setzte mich zu den Beiden auf den Boden. Immer wenn sich unsere Eltern stritten und einer von uns zuhause war, nahmen wir Ben mit nach oben. Wir wollten nicht, dass er die Streitereien so sehr mitbekommt. „Du solltest ganz schnell in dein Zimmer gehen", sagte Isa und sah mich mitleidig an. „O-Okey", meinte ich nur und stand wieder auf.

Vor meiner Zimmertür blieb ich stehen. Ich atmete kurz ein und öffnete schließlich die Tür.

Alles war verwüstet. Meine Schränke waren komplett leer. Auf meinem Schreibtisch lag auch nichts mehr. Selbst meine Matratze war nicht mehr auf meinem Bett. Ich versuchte mich zusammenzureißen. Ich versuchte stark zu bleiben und nicht zu heulen.

Nach zwei Stunden war alles wieder an seinem Platz. Mein Vater war mehrmals in mein Zimmer gekommen und hatte mir irgendwelche Schimpfwörter an den Kopf geknallt. Jetzt saß ich an meinem Schreibtisch und heulte. Es war einfach zu viel. Ich wollte nicht mehr.

Na los. Tu es.

Die Stimme in meinem Kopf wurde lauter. Jedes Mal versuchte ich ihr zu widerstehen, doch bisher hatte ich es nicht geschafft.

Ich kramte in der untersten Schublade von meinem Schreibtisch. Da war sie, die kleine Schachtel mit dem Ersatzklingen für das Cuttermesser meiner Mutter.

Ich nahm eine Klinge heraus und zog meinen Ärmel nach oben. Die Schnitte vom letzten Mal waren immer noch leicht zu sehen, doch die Armbänder versteckten sie im Alltag.

Ich setzte an und sofort schoss der erlösende Schmerz durch meinen Arm. Es ist schwer für Außenstehende zu verstehen. Doch es ist erlösend. Der psychische Schmerz wird durch physischen ersetzet und ich kann mich wenn auch nur für kurz von den Gedanken erholen.

Fünf. Fünf neue Schnitte kamen heute hinzu.

„Warum machst du das?", fragte eine Stimme hinter mir. Ich fuhr herum. Auf einmal saß Jemand auf meinem Bett. Ich riss die Augen auf.

„Was zur Hölle?", hauchte ich.

Du bist Ich und Ich bin DuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt