Glücklich

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Glücklich. Glück. Was macht mich glücklich, wann bin ich glücklich? Naja Rache und Vergeltung, das bereitet mir Spaß, jemanden quälen und ihm Schmerzen zufügen mag auch ganz amüsant sein, aber ob das wirklich Glück bedeutet, kann ich nicht sagen. Bin ich wirklich glücklich? Ich bin die Ausgeburt der Unterwelt, die Tochter der Hölle - meine Aufgabe ist es Menschen zu brechen, sie in Qualen niederzustrecken und ihr Nachleben so unerträglich wie möglich zu machen, darin bin ich gut. Und das macht mich auch glücklich, ja - also wenn ich nicht gerade auf dieser verdammten Menschenwelt gefangen wäre. Nun, macht Menschen das auch glücklich? Nicht wenn sie qualen erleiden, aber wenn sie selbst zu Kondukteuren genuiner Qual werden würden? Wir finden's heraus!

Desorientiert durch die desolate Wildnis wandernd, stoße ich nach einiger Zeit auf ein dünn besiedeltes Dorf, perfekt für mein Vorhaben. Welche Menschen ich dafür auswähle wird der Zufall entscheiden, so richtig Gedanken habe ich mir noch nicht gemacht, aber das wird schon klappen, ich werde einfach jemanden bitten jemand anderen qualvoll umzubringen, das wird schon keine große Sache sein.  

Ich warte auf den Schutz der Nacht, bevor ich das Dorf betrete, denn mein wunderschönes Ansehen erweckt immer, egal wo ich bin, aufsehen. Langsam schleiche ich mich an einen nichtsahnenden Bewohner an, der sich gerade seinen Weg durch ein paar schmale, dunkle Gassen bahnt.
Die Frau sieht von hinten recht ansehnlich aus, ihr Körper wirft einen fruchtbaren Schatten, ein Pferdeschwanz der hoch oben und streng auf ihrem Kopf prangt unterstreicht ihre adrette Aura und bestätigt mir, dass sie wohl gut für mein Vorhaben zu gebrauchen ist.
Irgendwann bemerkt sie dann auch endlich, dass ihr jemand auf leisen Pfoten durch das Nachtleben und immer dunkler werdende Straßen folgt. Sie dreht sich um - und in diesem Moment fliegt der Holzprügel in meiner Hand gegen ihren Hinterkopf. Ich achtete darauf nur so fest zuzuschlagen, dass sie nur benommen und nicht gleich tot ist. Mit vollem Bewusstsein, dass ich sie nicht berühren darf, weil sie sonst in nen Eisklotz verwandelt werden würde, nicht mehr zu gebrauchen wäre und ich 3 Tage nicht aus diesem Kaff raus könnte, wickel ich die gute in einen Mantel, den ich vor ein paar Tagen nem Händler unbemerkt abgeluchst habe. Diesem Kerl hab ich übrigens auch mein neustes Accessoire zu verdanken, schwarze Lederhandschuhe, die die ganze Sache mit dem Eis und dem nix berühren können ohne dass es kalt, steif und porös wird, zwar nicht völlig ungeschehen machen, aber wenigstens etwas mildern. 
Ich hieve die Frau hoch und schultere sie, ein letztes Mal blicke ich mich um, um sicher zu gehen, dass wir keine Beobachter haben, dann laufe ich los in die dunkle Nacht. 

Die Frau ist schwerer als gedacht und ich bin gezwungen einen Stopp zu machen, wir sind jedoch noch nicht weit genug von der Stadt entfernt, sodass ich mir eine Pause ohne schlechtem Gewissen leisten könnte. Aber ich spüre schön langsam, wie sich die mitternächtliche Qual anbahnt, und wenn es erst einmal anfängt bin ich völlig wehrlos. Kurzerhand werfe ich die Unbekannte von meiner Schulter auf den Feldboden und binde den Mantel, in dem sie steckt, an einen Baum neben dem Feld. Noch ist sie bewusstlos, aber sollte sie zu sich kommen, kann sie wenigstens nicht entkommen. Sie hat nur leichte Blessuren, aber ich bezweifle, dass sich die Fremde aus diesen "Fesseln" lösen kann, auch ihrer Schmächtigkeit wegen. Ich selbst lege mich ein paar Meter neben sie, ins bereits mittel-hohe Graß, schließe meine Augen und konzentriere mich auf die Geräusche neben mir, bis ich warte, dass mich der lähmende Schmerz überkommt, und mit dem Aufschrei einer ledigen Nachtigall spüre ich den ersten Eisblitz, mitten durch mein Herz.

Irgendwann durfte ich dann wieder kurz in Ohnmacht gefallen sein, vor lauter Schmerzen. Schon komisch, zuerst bin ich es, die jemanden bewusstlos schlägt, also die Jägerin und dann werde ich zur Gejagten und entkomme nur knapp den Pforten des Orkus, weil der Göttervater Zeus mich Nacht für Nacht den Nahtod durchleben lässt.  Als ich meine Augen aufschlage und mich nach meiner Geisel umsehe, erkenne ich nur ihre Umrisse, aber ich kann erahnen, dass sie mich wohl schon bemerkt haben muss, denn ihr Mund scheint offen zu stehen. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich wieder fähig bin mich zu bewegen, und unter Schmerzen richte ich mich auf und komme ihr näher. Mit jedem Meter, den ich mich ihr nähere, wird ihr Wimmern lauter, und als ich mich ihr gegenüber schließlich niederlasse schreit sie ohrenbetäubend laut, und ich kann ihre von Todesangst gequälten Gesichtszüge deutlich erkennen. Den Mund zuhalten kann ich ihr nicht, also erhebe ich mit Nachdruck meine Stimme, um zu vermeiden von irgendwelchen Nachtpatroullien gehört zu werden: "Sei beruhigt. Keine Angst, alles ist gut". Sage ich zu einer Frau, die an einen Baum gefesselt einer furchterregenden Göttin mit Hörnern, gewaltiger als Widder sie tragen, vis-a-vis sitzt. Sie holt kurz Luft, sieht mich mich kalten Augen an, und ich denke kurz, dass ich ihr Vertrauen gewonnen habe. Jedoch schreit sie kurz darauf wieder los, diesmal lauter als zuvor. "Wenn du nicht sofort stiller als der Wind bist, ramme ich dir meine Faust in deine Magengrube und meine Hörner in deine Brust, sodass der einzige Laut nurmehr das Tropfen deines Blutes und das Knacken deiner Knochen sein wird". Stille. Das hat sie wohl überzeugt, sie zittert am ganzen Körper und wimmert nur noch, dass ich sie verschonen solle. Der Boden unter uns scheint auch schön langsam zuzufrieren, ich nehme meine Hände von dem Feldboden und lege sie auf meine Knie. "Also, hör zu, wenn du schon einmal bei dir bist, können wir ja reden. Ich brauche dich, also um einen Fluch zu brechen." Die Fremde wirkt verwirrt: "Ich soll Euch helfen können?" "Hab ich dir erlaubt zu sprechen?" funkle ich sie mit eindringlichem Blick an, und fahre fort "Du wirst jemanden umbringen. Die Frage nach dem wie ist dir überlassen, du solltest aber möglichst viel Spaß dabei haben, ein bisschen Folter wäre auch nicht ungelegen. Ich stehe dir zur Seite und besorge was du dafür brauchst. Wen kannst du dir auch aussuchen." Die Frau kauert wie ein Häufchen Elend vor mir, blickt mich ungläubig an und übergibt sich lauthals ins Gras neben ihr. Was soll daran jetzt so schlimm sein? "Was ist los?" frage ich sie abwertend, diese schwachen Menschensgestalten. Immer noch Reste ausspuckend richtet sie langsam den Kopf zu mir und antwortet zögernd: "W-Warum? Ich kann doch niemanden umbringen! Niemals, das..das kann ich einfach nicht" Sie beginnt zu weinen "Nein, bitte, ich will das nicht, das werde ich nicht machen, nein." Ihr Eigenwille erzürnt mich: "Du wirst das machen, das ist keine Bitte! Davon hängt mein Dasein ab. Ich will ja nur einen von euch glücklich machen, und Folter regt ja wohl bekanntlich die Glückshormone an, wie nichts zweites." Die Gefangene versteht schnell, und versucht mich mit ihren Worten zu beeinflussen, nicht ganz erfolglos. "Also, wenn du jemanden glücklich machst wird also dein Bann gebrochen?" Ich nicke und lasse sie fortfahren, immer noch mit weinerlicher, aber etwas selbstbewussterer Stimme, vermutlich hat sie ihr Leben bereits aufgegeben und versucht jetzt noch etwas herauszuholen, ohne Angst mehr vor dem was kommt. Diese Menschen sind doch so schwach. "Nun wenn ich jemand anders töte wird mich das gewiss nicht mit Glück erfüllen, und da geht es dem Großteil der Menschheit wohl wie mir. Wenn ich morden würde, hätte ich ein schlechtes Gewissen, ich könnte mein Leben nicht mehr ertragen und wäre vermutlich die nächste, die sterben würde, aus eigener Hand. Vor lauter Unglücklichkeit." Ich stehe auf, lasse mir ihre Worte durch den Sinn gehen. Kann es für Menschen wirklich so anders sein, dieses Gefühl das ich empfinde, wenn ich jemanden kaltblütig erwürge, oder das Messer im Rumpf nochmal herumdrehe? Sie mag vielleicht lügen, aber ich lasse mich auf ihre Spielchen ein: "Soso, unglücklich. Naja, was macht dich denn dann glücklich?" Sie sieht vom Boden auf und wischt sich eine Wange an ihrer Schulter trocken, blickt mich dann an, irgendetwas in ihren Augen hat sich verändert, sie antwortet mir: "Meine Kinder. Die sind mein ganzes Glück, mein ganzer Stolz. Dass ich ein Leben in die Welt gesetzt habe, ihm mein Können, mein Wissen mitgegeben habe, und es mir Liebe schenkt. Und der Vater meiner Kinder, mein Mann, der mir jeden Tag erklärt, was für ein toller Mensch ich bin" Nun gut, an das hatte ich nicht gedacht, ist aber wohl naheliegend, dass für dieses niedere Volk so etwas wie Beziehungen zur Vollendung des Lebensglücks reichen. Aber schwängern kann ich schlecht jemanden, und selbst so einen Balg auszutragen käme niemals in Frage, wie verwundbar mich das machen würde - außerdem wäre dabei niemand glücklich. Vielleicht kann ich aber jemandem anderen bei dieser Sache helfen, einer Familie dieses anscheinend größte Glück bescheren. Dies ist doch einen Versuch wert, ja vielleicht würde das funktionieren. 

Die Frau vor mir merkt, dass ich in Gedanken versunken war und holt mich aus dem Gedankenstrudel und den Überlegungen, wie ich das am besten anstellen könnte, indem sie laut schnieft und einmal hustet. Ich sehe sie an, sie hat wohl keinen Wert mehr für mich, mein Glück werde ich in der nächsten Stadt versuchen, hier muss ich nach dieser Aktion schon bekannt sein. Wortlos stehe ich auf, binde die Frau los und entledige sie wieder des Mantels, den ich gedenke noch länger zu behalten. Bei der ersten Gelegenheit reißt sich die Frau los und läuft schneller als ich je einen Menschen gesehen habe davon, Richtung Dorf. 
Sehnsüchtig blicke ich ihr nach, bis sich ihre Shilouette mit der Dunkelheit vermischt und sie unerkennbar ist. Wie gern hätte ich auch so ein einfaches Leben. Ich drehe mich um und setze meine müden Beine in Bewegung, auf der Suche nach der nächsten Stadt und neuem Glück.  

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 16, 2019 ⏰

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Godesses (girlxgirl) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt