Die Qualen des Eises

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Diese verdammte Erde, diese verdammte Strafe. Was sollen eisige Höllenqualen, wenn ich die Königin der Folter bin. Diese Regeln, dieser Fluch ist mir so egal wie ein wertloses Menschenleben. Ich werde unbesorgt weiterleben, werde es mir gut gehen lassen und diese Menschen achten wie Exkremente, was ist mir denn ein Unsterblicher schon wert. Und dieses Eis, das mich umschließen soll, das wird schmelzen, so bin ich mir sicher, es friert doch nicht die Hölle zu.

Bequem schwinge ich meine Beine auf eine Mauer, sodass mein ganzer Körper auf dem schmalen Stein liegend balanciert, unbewusst streife ich die Mauer mit meinen Fingerspitzen und merke wie mein Untergrund auf einmal angenehm kalt wird. Es ist schon ein lustiges Gefühl. Kälte. Bis jetzt erlebte ich es kein einziges Mal - wenn jemand fröstelte konnte ich ihn nur auslachen. Nun, ich muss bestätigen, dass Kälte tatsächlich nicht der angenehmste Umstand ist. Die Kälte hört nicht auf zu wachsen und verwandelt sich schließlich in beißenden Schmerz, jede Sekunde sticht ein neues Messer in mein Rückgrat und die Kälte wird unerträglich. Genervt stehe ich auf, und bemerke, dass die gesamte Mauer mit einer Dezimeter dicken Eisschicht überzogen ist. So ein gewaltiger scheiß. Ich kann wirklich nichts berühren, ohne dass es zu Eis wird. Auch mit dem Fuß? Ne, sonst wäre der Boden spiegelglatt. Nur mit der nackten Hand, wie ich nach längerer Experimentierphase feststelle. Ich blicke um mich und bemerke, dass ich eine ganze eisige, eingefrorene Landschaft hinterlasse, im Umkreis von 20 Metern herrschen Temperaturen wie sie im Herzen der Hrimthursen nicht walten. Ich nehme mir Zeit um zu beobachten, wie sich dieses Spektakel langsam in Luft auflöst, schleppend langsam. Es vergehen Stunden, während ich neben der Mauer und der Eislandschaft stehend beobachten kann, dass das Eis taut. Rein aus wissenschaftlichen Gründen natürlich, interessiert es mich, wie lange es braucht um komplett aufzutauen, ich gebe aber nach der halben Nacht auf und beschließe mir vor Mitternacht einen geschützteren Aufenthaltsort zu suchen, falls Zeus' Strafe wirklich heftig ausfallen könnte. Es mag zwar sehr unwahrscheinlich sein, dass Eis mir, der Tochter des Feuers, Schaden zuzufügen vermag, aber seit dem ersten Kontakt mit der tödlichen Kälte auf der Mauer ist mir geringfügig anders.

Ungeduldig liege ich auf dem Strohbett, auf dem ich mich ungefragt eingenistet habe. Alle Tiere dieses primitiven, autarkischen Stalles haben dankenswerter Weise bei meinem Anblick das Loch, welches ich im Zaun hinterlassen habe, genutzt und sind tollwütig geflüchtet. Normalerweise wären diese getrockneten Halme längst verkohlt, aber mein lieber, guter, VERFLUCHTER Onkel Zeus sorgt dafür, dass ich es schön kühl habe. Meine Laune sinkt mit jedem Grad meiner Körpertemperatur, es ist unmöglich nichts zu berühren, ich kann meine Hände nicht stundenlang in die Luft strecken. Da kommt mir die Vermutung, dass wahrscheinlich, würde es regnen, meine Hände sogar die kleinen Tröpfchen in Schneeflocken oder, noch schlimmer, riesige Hagelkörner verwandeln würden. Ach, was tangiert mich dieses Problem, solang der Himmel frei von Wolken ist und Selene mir unverschämt ins Gesicht scheint. Mein Problem wird bald sein, dass mein Körper sich in einen großen Eisklotz verwandeln wird und gefrorene Zapfen mich durchbohren werden.
Aber, habe ich heute denn wirklich niemanden glücklich gemacht? Ich mit meiner vollkommenen Erscheinung, muss doch wenigstens einem schmal-geistigen Erdbewohner zur erstaunten Ejakulation geholfen haben, das zählt doch. Oder das Mädchen das wegen mir d- nagut, danach hat sie geweint, vielleicht auch nicht allzu glücklich. Bei Uranos, was verschwende ich meine Gedanken daran, das wird schon nicht so schlimm sein, falls es mich wahrhaftig treffen sollte. Nervös spiele ich an einem Strohhalm herum, der sofort zu einem filigranen, gefrorenen Röhrchen wird und in meinen Händen zerbricht. Verflucht, die Zeit will nicht herum gehen, vor allem wenn den zu erwartenden Moment Ungewissheit begleitet, und der Zeitpunkt nicht messbar ist. 

Ich bin gerade dabei die Himmelskörper zu zählen, die unter dem halboffenen Dach des Stalles durchlugen - 429 momentan - da bahnt sich in mir ein Gefühl an, dass es so weit ist. Als erstes spüre ich eine Taubheit in meinen Beinen, dann in meinen Armen, und es ist als würden sich unsichtbare Schlingen um meine Gliedmaßen ranken und in mein Fleisch schneiden, um mich dort zu fesseln wo ich bin, mein Körper vermag sich nicht mehr zu regen. Hinuntersehen kann ich nicht, um zu überprüfen ob es Einbildung ist, mein Kopf ist steif zur Seite gedreht, ich bin gezwungen weiter in die spärlich beleuchtete Nacht zu starren. Da überkommt es mich auf einmal, ich spüre einen Stich in meiner Brust. Einen Hieb als würde er mit Damokles Schwert getan, als hätte man die Klinge zuerst in Säure getaucht und dann in eiskalten Tundren zum gefrieren gelagert. Dieser Schmerz bleibt in meiner Brust stecken, direkt dort wo ich glaube mein Herz zu fühlen. Ich möchte schreien, muss schreien, um diesen Schmerz irgendwie zu kompensieren und mich von diesen höllischen Qualen abzulenken, doch es ist nicht möglich, mein Gesicht regt sich nicht. Schon spüre ich den nächsten Hieb, diesmal in meinem Oberschenkel, und bei Zeus, ich könnte schwören mein Bein wurde mir gerade abgetrennt, es brennt. Wie eine Flamme wandert der Schmerz durch mich hindurch, er breitet sich rasant aus und ich kann an nichts anderes mehr denken. Alles, alles schmerzt unglaublich sehr, mein Körper fühlt sich wund an und meine Haut brennt, als wäre ich gehäutet worden. Weitere Waffen durchbohren meinen Korpus, sie hinterlassen eisige, klaffende Wunden. Mein Körper will zittern, will sich selbst warm halten, will Feuer versprühen, aber all meine Feurigkeit, meine unantastbare Hitze - sie sind verpufft. Im Moment bin ich nichts als gepeinigt von weiteren Pfeilen in meinem Hals, meiner Hand, ja sogar ein Pfeil trifft mitten in mein linkes Auge. Mein Blick verschwimmt, aber sehen kann ich weder einen Pfeil noch Eis. Ich fühle wie eine nasse Träne meine Wange hinunter kullert und halte mich gedanklich daran fest, versuche mich nur darauf zu konzentrieren, merke aber wie sich alles in mir vor Schmerz zusammenzieht. "ICH WILL STERBEN" schreit eine kehlige, geschundene Stimme in mir "LASS MICH STERBEN", so muss es sich doch anfühlen zu sterben, nur ohne wirklich das Bewusstsein zu verlieren.
Unzählige Schwerthiebe und Schmerzenstränen später findet meine Seele meinen Körper wieder, Helios lässt sich schön langsam wieder am Horizont erkennen. Die Schmerzen sind verebbt, aber nun zittert meine Seelenhülle, immer noch überwältigt und verstört von diesen immensen Qualen die ich verspürte. Nie wieder, nie nie wieder will ich das fühlen müssen, ich kann das nicht. Ich richte mich langsam auf, um zu begutachten, wie viel davon wirklich passiert ist. Und als ich da so an mir hinunter sehe entdecke ich einige klaffende Wunden, sie bluten nicht, sind aber hässlich verkrustet und schmerzen bis auf die Knochen. Die roten Öffnungen sind so lang und breit wie die Hälfte meiner Handfläche und überall auf meinem Körper verteilt, zwar nicht überall wo ich gestern Schmerzen spürte, aber dennoch sind es zahlreiche.
Geschwächt hieve ich meinen geschundenen Körper aus dem Bett von Stroh und torkle meinen Weg Richtung Norden. Ich flüstere erbost zu mir selbst: "Noch einmal werde ich das nicht erleben, diese verdammten Qualen. Heute mache ich jemanden glücklich!"

Godesses (girlxgirl) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt