6.Kapitel

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Es war alles normal.
Zumindest bildete ich mir das ein, während ich hinter meinem roten Vorhang vorbei spähte und auf die Straße lugte. Ich umklammerte den Stoff, als könnte ich ihn notfalls in letzter Sekunde vorziehen und mich somit verbergen.
Da war eine alte Dame mit einem Hund, welcher vor einem Mädchen stehen blieb und sie anknurrte. Seine Haltung ließ mich annehmen, dass er spielen wollte. Eigentlich wusste ich nichts über Haustiere, oder generell Tiere, aber sein Schwanz wackelte und das war gewöhnlich ein Zeichen dafür, dass er glücklich war.
Ich fühlte mich mit einem Mal wie eine Stalkerin. Immer öfter erwischte ich mich dabei wie ich einfach am Fenster stand und die Leute bei ihren Tätigkeiten beobachtete. Wenn ich an die Stelle sah, an der ich überfallen worden war, dann wurde mir übel. Ich sah mir unsere Gegend genauer an. Dafür das sie so unbelebt war, befand sich an den wenigen Grasflächen genügend Müll, den ich am liebsten eigenhändig entfernen würde, wenn es die anderen schon nicht taten. Unsere Gasse war wie so ziemlich jede andere auch. Häuser und dazwischen eine unbefahrbare Straße. Trotzdem lag hier immer ein Geheimnis, das fühlte ich einfach. Emelie würde jetzt lachen und mitfiebern, Sophie würde mir erzklären, dass ich weniger Krimis schauen sollte.
Aber heute streckte ich meinen Kopf nicht hinaus um andere zu Ställen, nein, ich stand bei diesem Fenster, weil in meinem Zimmer stickige Luft herrschte und ich meinem Kopf für einen Moment diese Ruhe gönnen wollte, bevor ich mich wieder der Mathematik widmen musste.
Seufzend massierte ich meine Schläfen, traute mich dabei jedoch nicht zu fest auf zu drücken, um mir nicht noch mehr Schmerzen zu zu fügen. Es war wie als befände sich ein Schleier um mein Gehirn, welcher es benebelte und keinen weiteren schulischen Stoff hindurchlassen wollte. Oder jegliche Art von Informationen. Ich spürte wie es unter meiner Fingerkuppe pochte, was aus irgendeinem Grund Schwindel in mir hervorrief.
Normalerweise kamen mir immer die Tränen, wenn ich nichts verstand, vor allem wenn die Zeit so knapp war, um den Stoff zu beherrschen, aber ich bemühte mich tapfer zu sein und weiterhin auf die Menschen hinab zu sehen, um mir Ablenkung zu verschaffen.
Ich sah ihnen noch nach, bis die alte Dame und das Mädchen um die Ecke und somit aus meinem Blickfeld verschwunden waren, dann beschloss ich mich wieder den Büchern zu widmen.
Genervt trat ich zurück und wollte gerade das Fenster schließen, als ich laute Stimmen hörte.
Sofort schlüpfte ich wieder in die Rolle des neugierigen Mädchens.
Es war niemand auf der Straße, dafür wusste ich auf der Stelle aus welchem Haus die Laute kamen.
Diese Stimme konnte ich mittlerweile nur zu gut zuordnen.
Genaue Wörte verstehen war mir leider unmöglich, weshalb ich mich
kopfschüttelnd entgültig abwendete und mich in meinen Stuhl sinken ließ. Er war weich, bezogen von einem schönen, roten Stoff und doch tat mir immer der Rücken weh, wenn ich zu lange darin saß.

Bis zu dem Zeitpunkt, an dem es mir wieder zu viel wurde und ich nur lauter Zahlen vor meinen Augen tanzen sah, die nichts als Verwirrung in mir auslösten, blieb ich in meiner gekrümmten Haltung sitzen.
Doch als ich aufstand und abermals Luft hineinließ, lag unsere Gasse wie verlassen da, nicht mal das Geschimpfe von Alex war mehr zu vernehmen.
Zufrieden aber auch gelangweilt huschten meine Augen umher und ich begann mit meinen Händen zu spielen, stellte mir vor, dass unter mir ein Prinz auftauchte und aus sehnsüchtigen Augen zu mir hinaufstarrte.
Und dann sah ich wie die Tür des hellgelben Hauses aufging.
Mein Puls schlug sofort unkontrolliert wild und ich verbarg mich hinter dem Vorhang, um kein Aufsehen zu erregen. Die Ausreißerin erkannte ich als die kleine Schwester von Alex, ihren Namen hatte ich vergessen.
Mit großen Augen sah ich zu, wie sie in meine Richtung lief, entdeckt hatte sie mich aber anscheinend nicht.
Meine Lippen wurden trocken und in den Sekunden, in denen sie beinahe bei meinem Haus angekommen war und gewiss vorbeilaufen würde, fasste ich einen Entschluss und stürmte ohne weiter nach zu denken, hinunter.
Mama und Papa würden in etwa zwei Stunden kommen, ich hatte also genügend Zeit.
Als ich auf die Veranda trat, lief die Fremde gerade vorbei und drehte ihren lockenübersäten Kopf überrascht zu mir.
Schockiert hielt sie inne, mein Winken bemerkend. Verwirrt drehte sie sich um sich selbst, um herauszufinden, ob da noch jemand stand, den ich meinen konnte.
Meine Bewegung wurde hektischer und das Mädchen, Lea oder so, kam zögernd näher.
,,Was machst du?", fragte ich sofort, um Zeit zu sparen.
,,Ich...ich wollte nur einen Spaziergang machen."
,,Das kannst du wem andren erzählen, ich habe dich gesehen! Warum läufst du weg?"
Nun kaute sie unsicher auf ihrer Unterlippe herum.
,,Na gut, vielleicht...mag ich nicht mehr eingesperrt sein."
Das brachte mich zum Stutzen. Sie hatte es gesagt, sie und Julian wurden von Alex da drinnen festgehalten.
Nach allem was ich mit diesem erlebt hatte, hätte ich ihn fast schon als gutherzigen Menschen angesehen.
Meine Oma hatte mir mal erzählt, dass Verrückte in ihrer Zeit zwar gemieden wurden, man aber versucht hat ihnen zu helfen.
Das war vielleicht 2015, aber jetzt, im Jahr 2075 war alles anders. Ich war mir sicher, sie wollte mir ein schlechtes Gewissen einreden und mich dazu überreden, Alex gut zu behandeln, aber es hatte nicht geklappt. Die Gesellschaft hatte einfach zu viel Einfluss.
Ich schielte zur Seite und vergewisserte mich, dass Alex noch nicht gemerkt hatte, dass wir miteinander sprachen und Leonie geflohen war.
,,Komm rein."
,,Was?"
Ihre Stimme wurde mit einem mal unglaublich hoch.
,,Komm in mein Haus, da bist du sicher."
,,Aber mein Bruder sagt, ich soll zu keinem Fremden."
Das wiederrum verwirrte mich.
Doch bevor einer von uns etwas sagen konnten, hörten wir einen Schrei.
Sofort lief das Mädchen auf mich zu, ich schloss das Tor auf und wir eilten gemeinsam ins Haus. Ich hatte Angst, wenn nicht sogar Panik. Hoffentlich bereute ich es nicht.
Sobald die Tür hinter uns ins Schloss fiel, erwischte ich mich dabei, wie ich erleichtert aufatmete.
Und diese Leonie oder wie sie auch hieß, blickte mich von der Seite an, ich spürte es deutlich.
,,Danke", wisperte sie, dann schwiegen wir.

Hallo!
Ein neues Kapitel, wie versprochen. Ich hoffe es regt zum Weiterlesen an und gefällt euch.
Und jetzt ein bisschen Smalltalk:
Findet ihr das Wetter nicht auch schrecklich? Also bei mir regnet es die ganze Zeit und es ist mega kalt. Ich glaub ich hol morgen wieder meine Winterjacke raus.😅

The Crazy OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt