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Ich stehe wütend auf der Dachterrasse des Gebäudes, warum ich nicht früher darauf gekommen bin, weiß ich nicht einmal. Jetzt lasse ich die Wut heraus und verwandle mich binnen Sekunden in das Monster, für das mich alle halten. Brüllend steige ich in die Lüfte, mache mich auf den Weg zu meinem Bruder. Vor seiner Türe mache ich Halt und werde wieder das liebliche rothaarige Mädchen. Wütend, aber dennoch kontrolliert, klopfe ich an seine Türe. "Wer ist da?" "Pizzalieferant!", rufe ich mit verstellter Stimme. Die Türe geht tatsächlich auf und Nick steht da, schaut mich verdattert an. Bevor er die Tür zuschlagen kann, habe ich mich schon reingedrängt. "Ich habe da noch ein Huhn mit meinem Bruder zu rupfen", sage ich gelassen, aber in meiner Stimme schwingt soviel Hass wie nur irgendwie möglich mit.

Alex liegt entspannt auf der Couch, doch als er mich sieht, springt er auf und rennt in sein Zimmer. "Du kannst dich einsperren, aber ich werde diese verfickte Tür aufbrechen!", brülle ich. Und genau das mache ich nur eine halbe Minute später auch. Alex, mein Bruder, der immer cooler gewesen ist als ich oder Aidan, steht bibbernd in der Ecke und hält die Nachttischlampe als Schutz vor sich. Hämisch lache ich: "Als ob eine Lampe was gegen mich ausrichten kann!" Langsam gehe ich einen Schritt auf ihn zu, greife nach seiner Kehle und drücke ihn noch näher an die Wand: "Ich. Habe. Aidan. Nicht. Umgebracht." Sein Blick ist wahrscheinlich genauso hasserfüllt wie meiner, nur, dass auch noch Angst darin liegt. "Ava. Hör auf zu lügen", versucht er mit fester Stimme zu sagen, doch sie zittert. "Ich lüge nicht. Aidan war mein ganzes Leben und ich habe ihn verloren!", ich schreie wieder, doch die letzten Worte sind nur noch ein gebrochenes Etwas, da ich Kloß in meinem Hals bekomme. Nur wenig später fließen auch schon die ersten Tränen. "Ja, ich bin verrückt und ja, ich bin ein Monster! Das gebe ich zu!", ich flüstere die Worte nur noch, die Tränen rinnen mir die Wangen herab. "Vielleicht bin ich auch ein Mörder, aber nicht Aidans!" "Wen hast du denn sonst noch so umgebracht?", in seiner Stimme liegt jetzt noch mehr Verachtung, sollte das überhaupt möglich sein. "Noch nicht", zische ich, "aber dich werde ich gleich umbringen." Und jetzt ist es um Alex geschehen. Er fängt an zu kreischen, wie ein kleines Mädchen. Ein Lachen entfährt mir. Kontrolliert und mit einem hässlichen Grinsen verwandle ich meine rechte Hand in die Klaue der Chimäre. Lächelnd betrachte ich zuerst meine messerscharfen krallen, streiche damit leicht über die Wand. Der Putz blättert sofort ab. "Sieh mal, Alex", lächle ich, fahre mit der Kralle über meine Stirn. Blut fängt an zu rinnen, doch es schmerzt nicht wirklich. Hasserfüllt wende ich mich wieder zu ihn, bewege meine Kralle auch auf seiner Stirn. Sie formen ein Wort. Liar. In der nächsten Sekunde habe ich ihm den Kopf vom restlichen Körper getrennt. "Jetzt bin ich das Monster welches den Bruder umgebracht hat, Alex."

***

Stumm vor mich hinlächelnd sitze ich in einem Café, trinke einen Tee. Mit Kopfhörern lausche ich den Klängen der Musik, die mich gerade wirklich beruhigt. Auf meiner Stirn ist die Wunde schon verheilt, doch das getrocknete Blut klebt noch daran. Falls man dieses schwarze Etwas Blut nennen kann. Auf jeden Fall hat die Kellnerin schon oft zu mir herübergelinst, doch sie traut sich nicht, mich zu fragen. Meine auffälligen roten Haare habe ich unter einer Kappe versteckt, immerhin sucht man mich wahrscheinlich. Oder es ist ihnen noch nicht einmal aufgefallen. Lässig stehe ich auf, will das Café verlassen, als ich am Arm zurückgehalten werde. Das ist ein Fehler, meine Liebe. "Ja?", ich setze mein süßestes Lächeln auf, klimpere auffällig mit meinen Augen. "Kannst du bitte zahlen?", faucht sie mich an. "Schätzchen", grinse ich sie an, hole meine Klauen aus den Hosentaschen, "wenn du weiterleben willst, bezahlst du mir den Tee und vergisst mich."

Es ist bereits nach Mitternacht und ich spaziere auf der Straße herum. Die Stille um mich herum wird immer wieder von einzelnen Autos unterbrochen, doch das ist gut so, sonst würde ich mich wieder verlieren. Lächelnd ziehe ich meinen Ausschnitt etwas weiter nach unten und strecke den Daumen aus. Ich will jetzt so schnell wie möglich weg von hier. Tatsächlich hält nur wenig später ein Auto an. "Hey Süße, wohin musst du?", ein älterer Mann grinst mich an. "Egal", mein süffisantes Lächeln geht mich sogar an, doch irgendwie muss ich auch darüber lachen. Elegant macht dieser Mann mir die Türe auf, lässt mich herein. "Von wo kommst du?" "Irland", lächle ich ihn an. Inzwischen befinden wir uns auf der Autobahn, wohin sie führt weiß ich nicht. "Kannst du die Kapuze bitte abnehmen? Ich glaub' ich kenne dich von irgendwoher", er streichelt mir über den Oberschenkel. Seufzend ziehe ich mir, wie er mich gebeten hat, die Kapuze runter und schaue ihn direkt an. Ihm entfährt ein Keuchen. "Du bist Ava O'Connor!" Genervt verdrehe ich die Augen: "Nein, ich bin das Monster. Ava ist tot." Komischerweise stimmen die Worte. Ava existiert nicht mehr, das tut sie schon lange nicht mehr. Das Monster ist einfach nur die Version von mir, die ich ohne Aidan bin. "Oh Gott", meint der Mann panisch, fummelt dann im Handschuhfach herum. Ich muss nur lächeln, als er die Pistole auf mich richtet und gleichzeitig versucht, sich auf die Straße zu konzentrieren. "Das bringt mich nicht um." Sein Blick wird noch geschockter. Es geht ganz schnell, doch ist völlig kontrolliert. Meine Klaue bohrt sich direkt in seinen Oberkörper und ich ziehe sein Herz heraus. Etwas angeekelt bin ich schon, doch dann springe ich aus dem noch fahrenden Auto und werfe das Herz achtlos weg. Lachend schaue ich zu, wie mehrere Autos kollidieren. Ja, ich bin ein Monster und es macht mir Spaß.

Chimäre || Avengers ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt