15

2.3K 120 3
                                    

Ich wache auf, weil ich keine Luft kriege. Verschlafen streiche ich das Etwas aus meinem Gesicht weg, erschrecke mich aber höllisch, als sich das Etwas bewegt. Ehrlich gesagt kreische ich sogar. Und das kommt selten vor. Mit meinem Kreischen habe ich die anderen geweckt, die mich jetzt verwirrt anstarren. Wanda kreischt aus Schock einfach mit, was die anderen dann doch zum Lachen bringt. Noch mehr lachen sie aber, als ich beschämt flüstere: "Bin es nicht gewohnt, wenn jemand neben mir liegt." Natasha, dessen Arm mir das Atmen verhindert hat, grinst breit.
Wir stehen auf um zu frühstücken, alle noch in den komischen Pyjamas. Natashas Pyjama ist übersät mit roten Herzen, was ihr gut steht. Zum ersten Mal seit langem habe ich wirklich Appetit.

Wieder einmal stehe ich in der Trainingshalle, Natasha mir gegenüber. Sie gibt mir Tipps im Nahkampf. Mit einem Boxsack übe ich die Bewegungen, bis sie perfekt sind. Völlig vertieft in die Übung schrecke ich hoch, als Natasha wieder etwas sagt: "Lachen steht dir, Ava. Du solltest es öfters tun." Mein Herz wird etwas schwer: "Es ist nicht einfach, das zu tun." Die Frau vor mir legt mir eine Hand auf die Schulter und streicht mir kurz über die Wange. "Lachen kann man wieder lernen. Jeder schafft das", flüstert sie, wendet sich dann wieder ihrem Boxsack zu. Mir wird bewusst, wie wenig ich über Natasha weiß. In den Medien ist sie die selbstsichere Frau, gleichzeitig eiskalt. Hier ist sie etwas offener, doch anscheinend nicht schon immer. Ich schiebe die Gedanken weg, konzentriere mich wieder auf den Boxsack vor mir. Jetzt ist alles was zählt, dass ich das hier schaffe. Dann kann ich mich um mein Lachen kümmern.

***

Mit einem Buch in der Hand sitze ich auf der Couch. Draußen ist es dunkel, so dunkel wie New York eben sein kann. Immer wieder nehme ich einen Schluck vom Tee. Diese Ruhe hier, ich genieße sie. In meinem Zimmer quält sie mich, doch hier draußen geht es gut. Hier habe ich nicht das Gefühl, alleine zu sein. Jemand setzt sich neben mich, ich schaue kurz auf. Bucky. Sein Blick liegt immer noch auf mir, obwohl ich mich längst den Seiten des Buches gewidmet habe. "Du erinnerst mich an jemanden", seine Stimme durchbricht die Stille. Ruhig lege ich das Buch zur Seite, lehne mich zurück und schaue ihn an. Seine Augen bohren sich direkt in die meinen. Wieder durchfährt ein Schauer mich. "An wen?", meine Stimme hat kaum Ton, was mich etwas wütend macht. Warum kann ich nicht einfach immer stark wirken? "An jemanden, den ich sehr geliebt habe", er lächelt, doch wirkt nicht wirklich anwesend, "du hast dieselbe Art, mit Dingen umzugehen. Ich bewundere das." "Ich verdränge Dinge", murmle ich. Doch er schüttelt den Kopf: "Du versuchts, zu vergessen. Manchmal wirst du aggressiv, aber du opferst dein Leben für das anderer, weil du aufgegeben hast." Gänsehaut bildet sich auf meinem Körper. "Ich habe Leben genommen. Ich bin ein Monster", seufze ich. "Sind wir nicht alle irgendwo Monster? Jeder ist irgendwo gebrochen und das macht ein Monster aus und allen. Wir müssen nur lernen, gegen das Monster zu kämpfen." Ich will etwas erwidern, doch er hat recht. Wir sind alle Monster, gebrochen vom Leben und versuchen, diese Seite zu verstecken. "Ava, beweis ihnen, dass du wahrhaftig ein Engel bist."

***

Schrill läutet eine Glocke. Hektisch springe ich aus dem Bett, stolpere über meine Schuhe. Nur im Nachthemd stürme ich zum Wohnzimmer, wo die anderen, genauso verschlafen wie ich, warten und zu Fury starren, der dort ist. "Wir werden angegriffen. Macht euch kampfbereit!" Alle rennen los, ich und Bucky bleiben planlos stehen. "Ich hatte nicht vor, euch so bald einzuspannen. Aber ich muss", er spricht schnell, drückt mir einen Anzug in die Hand. So schnell ich kann ziehe ich mich in meinem Zimmer um. Doch ein kurzer Blick in den Spiegel kann ich nicht vermeiden. Eine junge Frau steht dort, die roten Haare zu einem strengen Zopf gebunden. Der Anzug ist enganliegend, schwarz, doch am Rücken hinten ist ein grünes Netz, dass sich an meinen Körper schmiegt wie eine zweite Haut. "Für dich, Aidan", murmle ich, renne dann los.

Wir treffen im Wohnzimmer wieder aufeinander, alle beladen mit Waffen und inzwischen hellwach. Und mittendrin stehe ich. Komischerweise muss ich lächeln. Ich bin bereit, bereit für den Kampf und bereit für alles was kommen wird. Fury verteilt uns schnell jeweils ein kleines Headset, welches nicht einmal auffällt. Dann schreit er uns Befehle zu. Zusammen mit Tony werde ich an der Dachterrasse aufgestellt. Mein Herz schlägt rasend schnell, doch zugleich bin ich so ruhig wie nie zuvor. Ich kann die Angreifer schon sehen. Es sind normale Menschen, doch sie sind bewaffnet. Zwei Helikopter fliegen auf uns zu. Ein letzter Blick zu Tony, er lächelt mir zu, dann klappt er das Visier herab und ich schlage meine Flügel aus. Der Stoff hat sich tatsächlich daran angepasst, die Flügel ragen an der Stelle heraus. Bevor ich weiter staunen kann, springen die ersten Soldaten aus dem Helikopter, landen direkt hinter mir. Und es geht los. Schreiend stürze ich mich auf die ersten, setze sie ohne Probleme außer Gefecht. Immer wieder schiele ich zu Tony hinüber, ob er Hilfe braucht. Dann konzentriere ich mich voll und ganz auf die Soldaten vor mir. Ein Wappen, aufgestickt auf die Schultern, zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Stocksteif bleibe ich stehen. Es ist die irische Flagge. Sie sind wegen mir hier. Ich starre den Mann vor mir an. Eine Stimme schreit in mein Ohr: "Ava, beweg' deinen Hintern!" Fury. "Sie wollen nur mich", flüstere ich leise ins Mikrofon. "Ava, ja, sie wollen dich, aber mach' jetzt ja nichts unüberlegtes!" Fury wirkt fast panisch, doch ich bewege mich nicht. Der Mann vor mir ist irritiert, schaut mich fragend an. "AVA!", schreit Fury. Doch ich ignoriere ihn. Sie wollen mich? Sie können mich haben. Denn ich will nicht, dass wegen mir noch eine einzige Person stirbt, auch wenn es nur ein Soldat ist. Diese Person bedeutet jemand anderem vielleicht gleich viel, wie Aidan mir bedeutet hat. Und ich werde keiner Person das wegnehmen. Ich habe aufgegeben. "Ihr könnt mich haben!", brülle ich laut. Alle halten Inne. "Zieht eure Männer ab und nehmt mich einfach mit", schreie ich erneut so laut. Ich nehme das Headset heraus, muss mir so nicht länger Fury anhören, wie er mich anschreit, dies eben nicht zu tun. Die Männer packen mich, schleifen mich in den Helikopter, der in der Zwischenzeit gelandet ist. Tony rennt zu mir, versucht noch, mich zu holen, doch ich schüttle ablehnend den Kopf. Und er lässt mich gehen. Im Helikopter werde ich zu Boden gedrückt, ich spüre eine Spritze an meinem Hals. Mir wird schwarz vor Augen.

Chimäre || Avengers ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt