1. - Die Männer

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Lara hielt sich schützend den Arm über die Augen. Die Sonne schien an diesem Morgen so hell, wie noch nie. Sie brannte förmlich auf ihrer Haut, doch genau dies gefiel Lara am meisten an der Sonne. Sie genoss ihre Wärme und auch das Licht, das sie spendete, auch, wenn es diesen Morgen etwas übertrieben war. Ein sanfter Windhauch umspielte ihre schulterlangen braunen Haare und flog über ihre Schultern hinweg. Lara stand an ihrer Haustür und wartete auf ihre Mutter, die wie immer verschlafen hatte. Sie verlagerte ihr Gewicht auf ein Bein und legte ihre Hände an die Träger ihres Rucksackes. Ihre blauen Augen schweiften über die Wiese, die gegenüber ihres Hauses war. Sie blühte und war bestückt mit Gänseblümchen. Hinter der Wiese zeigten Felder ihre Früchte bestehend aus Korn und Mais. Ja, Lara liebte es schon immer über eben solche Felder zu hüpfen. Ihr Vater hatte ihr stehts Gänseblümchen von dieser Wiese gepflückt, bevor er für immer verschwand. Lara war damals vier und konnte sich nur schwer an ihn erinnern. Ihre Mutter hatte ihr Bilder von ihm gezeigt, doch für sie wirkte dieser Mann fremd. Niemand weis so genau, wohin er ist, doch ihre Mutter vermutete, er seie abgehauen, weil er keinen Bock mehr auf seine Familie hatte. Lara glaubte dies nicht. Er war zuvor doch immer für die beiden da gewesen, doch vermutlich spielten ihre Erinnerung ihr da nur einen Streich. Sein Name war Thomas, doch dies hatte sie nur von ihrer Tante erfahren, denn stehts, wenn Lara ihre Mutter nach den Namen ihres Vaters fragte, sagte sie nur: „Trottel, anders hat er es nicht verdient genannt zu werden.“ Sie hasste ihn wahrhaft wie die Pest. Vielleicht ist er deswegen abgehaun, weil sie sich hassten, doch warum lies er dann auch Lara allein? Man weis es nicht.

Nach einer gefühlten Ewigkeit trottete endlich Laras Mutter aus dem Haus. Eine Zigarette bereits im Mund und das Feuerzeug noch in der Hand. Lässig hing ihre schwarze Tasche über ihrer Schulter und ihre dunkelblonden Haare sahen auch nicht gerade sauber aus. Sie waren ebenso leicht gelockt wie Laras. Ihre Mutter stieg die wenigen Treppen zur Straße hinab und lies Lara oben stehen. Während sie das tat zündete sie sich ihre Zigarette an und schob das Feuerzeug dann in eine ihrer Taschen an ihrer Jeansjacke. „Kommst du?“, fragte sie und blies den Rauch aus. Lara nickte und folgte ihr dann zum Auto, das an der Wiese parkte. Ein roter Volvo. Beide stiegen ein und beide legten zunächst ihre Taschen auf ihren Schoß, bevor beide sie auf die Rückbank warfen. Lara kurbelte ihr Fenster runter. Den Gestank der Zigaretten ihrer Mutter konnte sie noch nie ertragen, vorallem nicht im Auto. Ihre Mutter startete den Wagen und fuhr los. Starr blickte sie auf die Straße. Im Spiegel sah Lara ihre trostlosen müden blauen Augen. Ihr Funkeln hatten sie schon längst verlohren.

„Warum heute so still? Sonst redest du doch auch immer ununterbrochen“, meinte ihre Mutter. „Wer nichts zu sagen hat, der schweigt“, meinte Lara und sah aus dem offenen Fenster hinaus. Der Wind zerzauste ihre Haare, doch die konnte sie später auch noch wieder richten. „Das sagt gerade die, die immer was zu sagen hat.“ Lara ignorierte ihre Mutter. Ihr war heute eben nicht nach reden.

Still fuhren sie weiter an endlichen Häusern vorbei und letztendlich auf die Schnellstraße. Die Zigarette hatte ihre Mutter schon längst aus dem Fenster geworfen und fuhr nun mit beiden Händen am Lenkrad die noch nicht allzu stark befahrene Straße entlang. „Ihr schreibt doch heute einen Test, wenn ich das mitbekommen habe“, brach Laras Mutter die Stille. „Ja“, antwortete sie kühl. „Mathe, oder?“ Wieder sagte sie nur: „Ja.“ „Hast du gelernt?“ Lara antwortete ihr nicht. Hätte sie die letzten Tage besser aufgepasst, dann wüsste sie, dass sie stehts an ihren Heften für diese Arbeit gehangen hatte. „Viel Glück“, und damit kam die Stille zurück. Sie fuhren wieder runter von der Schnellstraße und weiter Richtung Schule. Lara ging in die zehnte Klasse und war die Beste was Literatur und Technik anging, doch Mathe war nicht so ihre Stärke.

Sie hielten vor dem Eingang an und Lara kramte ihren Rucksack von hinten hervor. „Tschau“, sagte sie kühl und ein ebenso kühles „Tschüss“ kam zurück. Sobald sie die Autotür hinter sich zugeworfen hatte fuhr ihre Mutter auch schon los. Lara seufzte und ging los. Keine Schüler weit und breit, kein Wunder, sie betraten alle das Gebäude auf der anderen Seite. Dies war mehr der Lehrereingang, den davor stand der Parkplatz für eben diese. Die Eingangstür war schwer, doch mit etwas Kraft zog sie sie auf und betrat die Schule. Hier war schon etwas mehr los als noch draußen. Im Klassenzimmer dann entdeckte sie ihre Freundin Larissa auf dem Platz neben ihrem und starrte in ihr Matheheft. Verzweifelt kniff sie die Augen zu und zählte den Stoff an ihren Fingern ab. Ich warf meinen Rucksack unter den Tisch. „Hey“, sagte ich und setzte mich auf meinen Stuhl, „Wieder nicht gelernt?“ „Sag nichts, Streberin, ich lerne.“ Lara entfuhr ein leises Lachen und holte dann ihre Stifte aus ihrem Rucksack. „Du weist, dass wir jetzt gleich schreiben?“, fragte sie. „Was denkst du, wieso ich lerne?“, konterte Larissa. So wie Lara sie kannte, lernte sie immer kurz vor einer Arbeit, schrieb aber trotzdem meist eine zwei. Ihre Mitschüler taten es Larissa teilweise gleich. Sie saßen auf ihren Plätzen und büffelten auf den letzten Drücker. Manche aber standen einfach nur rum und unterhielten sich oder liefen durch´s Schulhaus.

Beim ersten Läuten des Gongs setzten sich alle und die, die lernten wurden dafür unruhiger. Auch Larissa. Sie hüpfte auf ihrem Stuhl praktisch auf und ab. „Du schaffst das schon“, versuchte Lara sie zu beruhigen. „Das sagst du so leicht“, gab sie zurück. In diesem Moment kam der Lehrer herein und Lara zog ihrer Freundin das Heft weg und stopfte es in Larissas Tasche. Diese guckte rst verwirrt, bis sie realisierte, warum Lara das getan hatte. Ihr Blick wurde verzweifelt und sie begann leicht zu zittern. Lara griff nach den Händen ihrer Freundin und hielt diese um sie zu beruhigen. „Die sind ja ganz kalt“, sagte Lara.

Der Test wurde ausgeteilt und verlief eigentlich relativ gut, zumindest für Lara. Immerwieder schielte sie zu Larissa hinüber und bemerkte, wie sie ihr ganzes Blatt voll krackelte und wieder ausradierte. Der Lehrer saß an seinem Pult und hatte die ganze Klasse unter Beobachtung. Er war für seine Strenge bekannt.

Eigentlich sollte der Tag ganz normal ablaufen, dachten auch alle, doch ab jetzt kam es nicht so. Ein hartes Klopfen ertönte an der hellbraun lackierten Tür und der Lehrer stand auf. Alle starrten an die Tür, doch der Lehrer befahl uns ruhig zu bleiben und weiter zu arbeiten. Langsam öffnete er die Tür und bekam dann sofort einen Schlag mitten ins Gesicht, so dass er bewusstlos umfiel. Die ganze Klasse sah erschrocken auf, manche schrien. Fünf schwarz bekleidete Männer kamen herein, drei zogen Waffen und richteten sie auf uns. Larissa blickte starr auf eben diese drei, doch ich zog sie am Arm mit unter den Tisch. „Sitzen bleiben!“, befahl eine unbewaffneter. Seine Stimme wurde von einer Maske gedämpft. Alle trugen die selbe Maske. Sie zeigte ein grausam entstelltes Gesicht eines Fuchses. Lara und Larissa sahen über die Tischplatte von unten hinweg auf die Hinterköpfe der vorderen Reihen. „Wenn ihr tut, was wir sagen, dann passiert keinem was und wir sind auch schnell wieder weg!“ „Ruhe jetzt!“, schrie einer mit Waffe in das Gekreische. Manche Mädchen heulten und hielten sich gegenseitig in den Armen. „Ihr zwei“, der Anführer zeigte auf Lara und Larissa, „Setzt euch auf eure Stühle!“ Langsam zogen sich die zwei zurück auf ihre Plätze. Laras Herz raste bis in ihren Hals. Sie hatte Angst, denn einer der bewaffneten Männer richtete seine Pistole direkt auf sie. Vorsichtig legte sie ihre Hände auf die Tischplatte und befahl sich ruhig zu bleiben. Langsam durch zuatmen. ‚Der Typ sagte, wenn wir ruhig bleiben, passiert auch nichts’, wiederholte sie ständig in ihrem Kopf, während die Blicke der Männer über die Klasse schweiften. „Wer von euch ist“, begann der Anführer leise. Schweißperlen bildeten sich auf den Stirnen der Schüler. „Lara Emilia Kreutel?“ Als Lara ihren Namen hörte stockte ihr der Atem. Kurz wurde ihr schwarz vor Augen, doch dann atmete sie weiter und sie realisierte, was geschehen war. Ihre Mitschüler sahen sie alle an. Genau dies verriet sie. „Aufstehen“, befahl der Mann mit ruhigen bedrohlichen Worten. Vorsichtig erhob sie sich von ihrem Stuhl. „Komm her.“ Laras Blick wandte sich zu Larissa, die sie mit offenen Mund anstarrte. Sie sah auch die anderen Schüler an, doch die hatten den selben Ausdruck im Gesicht wie Larissa. Langsam schritt sie durch die Reihen nach Vorne und kaum stand sie den Männern gegenüber, drückte ihr einer ein Tuch ins Gesicht. Ein anderer öffnete das Ventil einer kleinen Flasche und stellte sie auf das Lehrerpult. Die fünf Männer zerrten Lara aus dem Klassenzimmer. Keiner war auf den Fluren. Lara wehrte sich. Sie zappelte und kratzte den Mann, der sie festhielt. Einer der anderen merkte dies und beendete ihre Tat mit einen Faustschlag ins Gesicht.

Die FuchsjagdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt