Der Krankenhaushorror [Teil 1]

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Hyunjin war der Erste, der die Lage realisierte und deswegen weinte er so bitterlich und laut, dass mir der Schock wie Nadelstiche im Rücken prickelte.

Ich war noch immer etwas gelähmt, als die anderen allmählich wieder aktiv wurden, aber Hyunjin war längst auf die Straße gerannt, wo Jeongin bewegungslos wie ein verletztes Reh lag.

Sein Gesicht war von uns abgewendet und sein Oberkörper etwas verdreht, weil er ungeschickt gefallen war.

,,Lass ihn liegen, Hyunjin!", rief Woojin und rannte ihm hinterher. Er hatte als Erster von uns wieder an Fassung gewonnen und wollte den anderen festhalten.

Zuerst verstand ich nicht, was er damit bezwecken wollte, aber als der Wind mir einmal gehörig ins Gesicht blies, wurde ich mehr oder weniger wach.

Es war kein Blut zu sehen, obwohl der Aufprall heftig gewesen sein musste, wenn es Jeongin wie einen Zahnstocher umgenietet hatte.

Vielleicht hatte er innere Schäden und sollte Hyunjin ihn nun tragen, dann könnten die Verletzungen verheerender werden.

Es machte mir ohnehin Angst, wie offensichtlich der Junge seinen Verstand verlor. Ich glaubte, dass er gleich in Ohnmacht fallen würde vor Wahnsinn.

Woojin hielt ihn fest im Arm und schaute zu mir nach hinten: ,,Minho! Hol' Jeongin."

Endlich kam ich ebenso in Bewegung und checkte erst einmal, ob die Straße mittlerweile sicher war. Sollte ich mich selbst anfahren lassen, während ich zur Hilfe eilte, wäre das für niemanden von Vorteil.

Ich wartete keine Sekunde zu lange, sondern stürmte auf Jeongin zu und drehte ihn vorsichtig um, wobei ich darauf achtete, dass sein Oberkörper möglichst stabil blieb, damit ich seinen Zustand nicht verschlimmern konnte.

Er hatte einige Schürfwunden, gerade an der Schläfe klaffte eine ziemlich große.

Mit stabiler Seitenlage konnte ich noch halbwegs etwas anfangen und das wäre wahrscheinlich auch nötig, weil Jeongin auch auf mein Fragen hin nicht die Augen öffnete.

,,Okay, okay, keine Panik", sprach ich mir selbst zu und schob beide Arme unter Jeongins rechte Achselhöhle, bevor ich seinen Unterarm griff. Ich zitterte vor Aufregung, aber konnte zumindest so weit denken, dass ich mir im Bewusstsein hielt, alle Finger dort anzulegen, um ihm nicht den Daumen rein zu pressen und für weitere Schäden zu sorgen.

Es war schwierig, aufzustehen, aber ich schaffte es irgendwie, ihn erst auf meinen Oberschenkel zu hieven und mich dann zu erheben, ehe ich ihn von der Straße auf den Gehweg schleifte.

An sich war das der Rettungsgriff aus einem Auto, aber er war sicher und sorgte dafür, dass die Verletzungen nicht schlimmer wurden. Und zu lange hatte ich nicht zögern wollen, weswegen ich einfach so gehandelt hatte, in der Hoffnung, nichts falsch gemacht zu haben.

Hyunjin lag mittlerweile einfach nur noch stumm weinend in Woojins Armen, der ihm beruhigend über den Rücken strich.

Seungmin war kreidebleich, hatte dennoch in der Zwischenzeit das Krankenhaus angerufen und erklärte ruhig die Situation. Allerdings bebten seine Hände.

Derweil versuchte ich erneut, Jeongin zu wecken. ,,Hörst du mich? Jeongin?"

Keine Reaktion.

Felix war selbst kurz vorm Weinen und klammerte sich an Jisung, der beinahe mit unbeteiligtem Blick in die Leere schaute.

,,Er atmet noch, keine Sorge", murmelte ich, aber um mich selbst zu beruhigen.

Ich zauderte nicht lange und versetzte Jeongin in die stabile Seitenlage. Mehr konnten wir in dem Moment nicht tun, weil es keine offensichtlichen Folgen des Unfalls gab.

MinSung - nostra itineraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt