Pyjama-Party wider Willen

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Anna stellte vorsichtig das Tablett auf dem Bett ab, legte die Fernbedienung bereit und rieb sich die Hände. »Yeah, Baby, das wird deine Filmnacht!«

Ihre Lieblingsbrote wie bei Svens Mama, leckere Salate und frisches Obst mitten im Winter, mit einer Ökobilanz, von der sie Sven gar nicht erzählen durfte, standen also bereit. Ebenso der Stapel mit den DVDs, das war das Paradies auf Erden. Vor allem hatte sie das Bett für sich, musste mit niemandem reden und sich um keine Probleme kümmern. Einfach nur abschalten.

Sven war mit seinen Brüdern Lasse und Peer auf einer Party, um Sven musste sie sich also keine Sorgen machen. Wenn er mit seinen Brüdern um die Häuser zog, war er immer gut versorgt und blies keinen Trübsal.

Anna schoss ihre dicken Norwegersocken und die Jeans weg, lupfte die Bettdecke an und stieg mit einem seligen Stöhnen ins Bett. Sie schob vorsichtig das Tablett noch ein Stück zur Seite, dann streckte sie sich wohlig aus und lachte leise. Sie hatte vergessen, die erste DVD einzulegen. Und jetzt war das Bett so warm und gemütlich, dass sie gar nicht mehr aufstehen wollte. Aber der Sinn einer Filmnacht war ja, dass man sich Filme ansah.

Sie schloss die Augen und genoss für einen Moment den Platz und die Stille, dann musste sie wieder lachen. Tagelang hatte sie völlig überteuerte Immobilienangebote im Internet durchforstet und vom schönen Landleben geträumt. Aber vielleicht konnte sie alles, was sie wollte, auch in Berlin haben. Andere Leute kauften sich ein Haus im Grünen, um das zu erleben, was Makler als »idyllische Alleinlage« anpriesen. Sie hatte Alleinlage im Plattenbau mitten in Berlin auf einer Matratze und war glücklich damit.

Anna rappelte sich wieder auf, durchsuchte unschlüssig den DVD-Stapel, dann entschied sie sich für »Stolz und Vorurteil«. Sie stand wieder auf, um die DVD einzulegen, als es klingelte. Anna knurrte gereizt, dann sprang sie schnell in eine Pyjamahose und betrachtete kritisch ihr viel zu großes Shirt mit Svens Tourdaten vom letzten Jahr. Falls das jetzt ein Überfall der Wikinger auf dem Weg zu der Party war, war sie angemessen gekleidet. Für große Brüder musste man sich nicht chic machen. Aber falls es der notgeile Nachbar von gegenüber war, der ständig für irgendwelche Lappalien bei ihr klingelte, sollte sie sich noch etwas anderes überziehen. Ein Kettenhemd zum Beispiel.

Anna huschte lautlos auf nackten Füßen in den Flur und linste durch den Türspion. Im Flur stand offenbar niemand herum, also waren es bestimmt die Jungs. Sie drückte den Türsummer, dann ging sie ihre Socken wieder anziehen und knurrte dabei genervt. Sie hatte Sven ausdrücklich gesagt, dass sie Zeit für sich haben will. Anna kippte fast um, beim Versuch, im Stehen schnell wieder die warmen Socken anzuziehen, dann schlitterte sie in den Flur und öffnete die Tür in dem Moment, wo zaghaft geklopft wurde. Zaghaft? Kein Hedlund klopfte zaghaft! Ein Hedlund war fast zwei Meter groß, breitschultrig und tätowiert und sah immer irgendwie aus, als würde er Türen eher mit einer Axt öffnen!

Vor der Tür stand Katja, hielt eine Flasche hoch und lächelte Anna unsicher an. Anna musterte Katja mit einem schnellen Blick. »Wer bist du und was hast du mit Katja gemacht?«

Katja lachte nervös und sah an sich herab. Sie trug einen Parka, den sie offensichtlich Second Hand ergattert hatte, eine ausgewaschene Jeans und die sonst mit dem Lockenstab so kunstvoll gebändigten Haare, vor denen jede Filmdiva aus den Dreißigern vor Neid erblasst wäre, machten einfach, was sie wollten. Anna blinzelte verwirrt, dann zog sie die Augenbrauen hoch.

Katja lächelte zerknirscht. »Ja, ich weiß, ich überfalle dich und du magst das nicht. Und bestimmt denkst du, dass ich deinen Style kopiere und so sein will wie du, und erst war mir der Gedanke total peinlich, aber weißt du was? Du hast recht! Könntest du mir ein bisschen Nachhilfe geben?«

Katja lächelte Anna fragend an und hielt die Flasche hoch. Anna räusperte sich und merkte, dass sie immer noch wenig einladend im Türspalt stand, aber so leicht wollte sie ihren einsamen Abend nicht kampflos aufgeben. »Wodka?«

Endlich Alleinlage! (Polyamorie-Lesehappen 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt