Prolog

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Ich ziehe mir die schwarze Kapuze tiefer ins Gesicht und warte auf den richtigen Zeitpunkt anzugreifen. Ich lehne gerade an einer Hauswand, die zu einer Gasse führt. Meine strahlend grünen Augen glänzen vor Tatendrang und in dem Moment, wo mein Opfer mir den Rücken zukehrt, sprinte ich los. Ich husche geschmeidig durch die Marktbesucher ohne sie zu berühren. Ich habe viele harte Jahre gebraucht, um meine Bewegungen so zu perfektionieren, doch es hat sich gelohnt. In kürzeste Zeit bin ich bei ihm. Mein Opfer ist ein wohlhabender Verkäufer, der mythische Geschöpfe am Markt für Wucher Preise verkauft. Von Phönixen bis zu Aithons. Die Bürger erfreuen sich jedes Mal, wenn er wieder mit neuen Tieren kommt und bestaunen diese. Doch ich bin die einzige, die die Schattenseite dieses Handels sieht. Die Geschöpfe werden in engen Käfigen gefangen gehalten und werden von allen angegafft. Sehen die Menschen ihr Leid etwa nicht? Sie sind ausgehungert, fast nur noch Haut und Knochen, und der angriffslustige Glanz, der einst deren Augen schmückten, ist erloschen. Wie kann man denn nur so blind sein? Nein, ich kann nicht tatenlos rumstehen und dies weiter hilflos mit ansehen! Mit einer Eleganz und Schnelligkeit überwältige ich den Verkäufer und entwende ihm zugleich den Schlüssel, den er, an einer Kette, um den Hals trug. Während ich das erschrockene Aufkeuchen des Mannes vernehme, bin ich schon bei den Käfigen und öffne jede einzelne. Um mich höre ich geschockte und ängstliche Schreie, wobei ein triumphierendes Lächeln mein Mund ziert. Beim letzten Käfig sehe ich aus dem Augenwinkel die alarmierten Wachen zu mir eilen. Ich befreie den eingesperrten Gryphos, ein Löwe mit Adlerkopf und Flügeln, und sprinte gleich los. Die Marktbesucher drängen sich vor Panik durch den Marktplatz, weswegen eine Flucht unmöglich wäre. Doch ich wäre nicht die beste Diebin, Teufelsbrut oder was die Leute mir alles für Namen geben, wenn ich nicht einen zweiten Fluchtplan hätte. Ich renne zu den Häusern an der Grenze des Platzes und klettere flink die Mauern hoch bis rauf zum Dach. Oben sehe ich, wie einige Wachen es mir nachtun und sprinte gleich los. Ohne Schwierigkeiten springe ich von Dach zu Dach, um meine Verfolger loszuwerden. Ich höre wie sie nach mir rufen und mir befehlen stehen zu bleiben. Ich schmunzle nur darüber und beschleunige sogleich meine Schritte. Als ob ich es ihnen leicht mache und mich ergeben würde. Bald würde ich am Ende der Häuserreihe angekommen, was bedeutet, dass es für mich keine nutzbaren Dächer mehr in der Nähe gibt. Ich überlege nicht lange und bewege mich zum Rand des Daches, auf dem ich gerade bin. Kurz darauf hänge ich mich an dessen Dachrinne und stoße mich ab. Heißes Adrenalin fließt durch meinen Körper und ein wohlbekanntes Kribbeln in meiner Bauchregion lässt mich vor Freude aufjauchzen. Mit einer Stützrolle federe ich meinen Sturz ab und laufe weiter. In dem Moment, wo ich weiß, dass keiner der Wachen mich sieht, verstecke ich mich schnell hinter einem Fass voll Drachenfrüchte. Keine Sekunde später höre ich die lauterwerdende Schritte von Eisenschuhen und das Fluchen von einer meiner Verfolgern.

>>Beim Zeus! Sie ist uns schon wieder entwischt! <<

Argon, der Anführer der Stadtwache.Ich höre seine restlichen Männer kommen, woraufhin einer von ihnen schwer keuchend berichtet:

>>Es t-tut uns Leid, S-Sir, a-aber sie war zu schnell. << und kleinlaut >>s-schon wieder<< hinzufügt.

>>Dieses Gör! Sicherlich läuft sie wieder zu ihrem Bruder und versteckt sich dort, der sie wie immer in Schutz nimmt! << donnert Argon wütend. Natürlich wussten sie, wer der Verantwortliche war. Ich bin eigentlich die einzige, die zu so etwas zustande wäre und bin bekannt für solche Taten. Ich kann nicht verhindern, dass mir wieder ein selbstzufriedenes und stolzes Grinsen entweicht.

>>Ich würde alles tun, um sie endlich zu schnappen und im Kerker verrotten zu lassen! Dieses Gör soll endlich ihre gerechte Strafe bekommen! << Ha, das wird nie passieren!

>>Kommt Männer! << ruft der Anführer und kurz darauf sind sie verschwunden.

Schmunzelnd verlasse ich mein Versteck und mache mich auf den Weg nach Hause zu meinem großen Bruder. Wo Argon recht hat, da hat er recht. Dieser wartet sicherlich schon auf mich, um mich auf ein Neues wieder zu belehren, wie ungezogen und unverantwortlich ich mich benehme.

Ich komme an einem Stand mit Äpfeln vorbei. Mit einer schnellen Handbewegung, befördere ich den lecker aussehenden Apfel in meinem Ärmel. Verurteilt mich nicht. Was bleibt mir den anderes übrig. Ich armes Mädchen habe gerade keine Münzen bei mir. Und solch eine Rettungsmission macht nun mal hungrig. Der Verlust eines Apfel ist doch weniger schlimm als ein hungerndes Mädchen.

Nach wenigen Metern, in denen wohl keiner der Marktbesucher das plötzlichen Verschwinden eines einzelnen Apfels bemerkt hat, lasse ich diesen in meine Hand hinein fallen. Ich werfe in einmal in die Höhe und fange in wieder geschickt mit der gleichen Hand auf. Genüsslich beiße ich in das süß schmeckendes Diebesgut rein, während ich mir ein zufriedenes Seufzen verkneife.

Kurz bevor ich an unseren Anwesend ankomme, schmeiße ich den Rest des Apfels in einen Busch und wische mir meine verklebten Finger an meine Hose ab. Wie ich es mir gedacht habe erwartet mich mein Bruder am Eingang und straft mich mit seinem sehr wütenden Gesichtsausdruck.

>>LEIA, was hast du schon wieder angestellt! <<

Im Hintergrund hört man ohrenbetäubenden Donner und das Einschlagen von Blitzen, die seinen Zorn unterschreichen.


Ach übrigens, die die es noch nicht wissen, mein Bruder ist Zeus.


Dunkle GöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt