Kapitel 4: Unerwarteter Besuch

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Es klopfte an seiner Tür. Das Klopfen war kräftig, hörte sich schwerfällig an. Graham starrte sie an. Er bekam keinem Besuch und konnte sich nicht daran erinnern, jemals ein Klopfen in dieser Wohnung vernommen zu haben, dementsprechend war er vorsichtig. Was sollte er nun tun? Konnten das eventuell schon Nachmieter sein? Oder der Vermieter, der sich sein Geld nun persönlich abholen wollte? Mit seinem Vermieter stand er bisher nur im Briefkontakt. Er hatte ihn noch nie gesehen.
Erneut klopfte es an der Tür, diesmal noch etwas kräftiger. Graham verharrte einfach in seiner Position. Er hielt seinen Atem flach und bewegte keinen Muskel.
Ein erneutes Klopfen brachte sein Herz jedoch panisch zum Rasen. Er fühlte sich unter Druck gesetzt, die Tür zu öffnen, aber die Angst hielt ihn zurück. Vielleicht würde es einfach aufgeben und verschwinden?
Graham blieb noch eine Weile so, doch es folgte kein weiteres Klopfen. Erleichtert atmete er auf und erlaubte sich einen Moment Ruhe.

"Das ist wirklich sehr unhöflich.", tönte es aus seiner Kochecke.
Erschrocken wand er sich um und sah, wie Flavio sich gerade an seinem Kühlschrank zu schaffen machte.
"Was?! Wie sind Sie hier rein gekommen?!", fragte er panisch, doch Flavio ließ sich davon nicht irritieren. Er griff sich eine Coladose aus dem Kühlschrank und schloss die Tür. Zischend wurde die Dose geöffnet und lautstark in einem Zug geleert. Ein zufriedenes "Ahh." entkam seiner Kehle, bevor er die Dose in den Müll warf.
"Schöne Wohnung hattest du. Etwas langweilig allerdings.", bewertete er die Einrichtung, während er durch den Raum schlenderte und sich alles ansah.
Graham stand empört aber sprachlos da.
"Nun mach nicht so ein Gesicht. Ich komme in Frieden.", sagte er und machte ein albernes Gesicht, welches Graham nicht im geringsten aufheiterte. Wie konnte dieser Mann mit so einer Selbstverständlichkeit in seine Wohnung einbrechen.
"Ich bin nicht eingebrochen und das hier ist nicht länger deine Wohnung, Graham.", erklärte er beiläufig, während er ein Buch betrachtete, das er auf dem Boden gefunden hatte.
Graham runzelte die Stirn und starrte den Eindringling an.
"Haben Sie gerade... meine Gedanken gelesen?", fragte er und glaubte selber nicht, dass er das gerade gefragt hatte. Flavio schüttelte geistesabwesend den Kopf, während er den Klappentext las. "Nicht gelesen, gehört. Aber du meinst das selbe, schätze ich.", erklärte er und drehte das Buch in seiner Hand herum.
"Klingt spannend. Ist es die Zeit wert?"
Graham zuckte genervt mit den Schultern. "Ich hab's noch nicht gelesen", gab er zu.
"Neuanschaffung?" Flavio schenkte Graham nun sogar seine volle Aufmerksamkeit. Dieser schüttelte den Kopf.
"Das habe ich vor 7 Monaten gekauft.", beichtete er schuldbewusst und erntete einen verurteilenden Blick.
Flavio ließ das Thema ruhen, so viel Taktgefühl besaß er.

"Daphne hat mich gebeten, dir mit dem Umzug behilflich zu sein.", erklärte er sich endlich. "Sie hat von deiner finanziellen Lage erzählt, also musst du dir deswegen keine Sorgen machen. Wir kriegen das alles schon transportiert." Graham sah ihn immer noch skeptisch an.
"Danke, das ist sehr freundlich.", bedankte er sich halbherzig. "Ich verstehe noch nicht ganz, wie Sie hier reingekommen sind." Er verschränkte die Arme und runzelte mächtig die Stirn. "Haben Sie sich... teleportiert?"
Für einen Moment starrte Flavio ihn düster an, als hätte er etwas verbotenes gesagt. Graham wurde schon nervös und wich Flavios Blicken gezielter aus, als sonst. Doch dann lachte Flavio. "Dein Fenster stand offen und ich bin über die Feuerleiter geklettert.", erklärte er höchst amüsiert. "Teleportiert...", murmelte er und schüttelte den Kopf ob der Lächerlichkeit seiner Aussage.
Graham zwang sich zu einem peinlichen Lächeln. Ja, natürlich, das machte Sinn. Das Küchenfenster stand offen und die Feuerleiter befand sich direkt davor.
Das machte es zwar nicht weniger zum Hausfriedensbruch, doch wenigstens ergab es Sinn.

"Verzeih, ich bin die letzten Tage etwas durcheinander.", sagte Graham und zwang sich weiter zu lächeln. Augenkontakt vermied er allerdings noch, zumindest solange, bis er sich beruhigt hatte.
"Hey, das ist voll verständlich. Scheint gerade 'ne schwierige Zeit für dich zu sein. Deswegen sind wir ja heute hier.", sagte er zuversichtlich und zwinkerte ihm zu.
"Sie sprechen ständig von einem 'Wir'. Wen erwarten wir denn noch?", fragte Graham und genau in diesem Moment schwang seine Wohnungstür auf. Eine Reihe von eigenartigen Menschen betrat seine Wohnung, als wäre es ihre.
Einer von ihnen war ein kleiner, stämmiger Mann. Sein weißes Tanktop war vom Schweiß durchnässt und auch von seiner knolligen Nase tropfte es herunter. Er trug einen rostbraunen Vollbart, der sorglos gestutzt wurde und so an einigen Stellen kürzer war, als er sein sollte. Im Mundwinkel hing eine Zigarette, die schon bis zur Hälfte runter gebrannt war, ohne auch nur einmal die Asche zu verlieren.
Schnurstracks lief er zu dem Fenster, dass zur Straße gewandt war. Er hielt die Finger in einem Rechteck vor seinen Augen und machte sich so ein Bild der ungefähren Maße. 
"Jo, muß passe", gab er von sich und nickte zufrieden.
Die Männer, die ihm folgten, waren von ähnlicher Gestalt. Kurz, breit und bärtig. Graham fand, das sie sich alle recht ähnlich sahen und so war es schwierig für ihn, sie zu unterscheiden.

Die wundervolle Welt des Graham JonesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt