Die Gladiatorin atmete tief durch, bevor sie die schwere Eisentür aufstieß. Die gewohnte Hitze der Arena schlug ihr ins Gesicht, der Staub kitzelte in ihrer Nase. Die Rufe des Publikums, die zuvor noch durch Wände und Türen ausgesperrt worden waren, hallten nun laut in ihren Ohren wieder.
Sie blendete alles aus, verschloss ihren Kopf und ihr Herz; sie konzentrierte sich nur darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen und sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie das hier verabscheute. Während der Minuten in der Arena war sie weniger Mensch als Maschine.
„Acia Wisson", schallte es aus den Lautsprechern. Das Publikum schrie, skandierte den Namen, wieder und wieder, doch der Jubel war durchmischt von Buhrufen, wie immer. Acia straffte die Schultern und setzte ein Lächeln auf. Das Lächeln, das sie so oft vor dem Spiegel geübt und in der Arena verwendet hatte, dass es sich kaum noch künstlich anfühlte. Es war das Lächeln eines Gladiators, ja, mehr noch, eines Siegers. Eines männlichen Siegers, der auf dem zweiten Platz der Rangliste stand und der sich heute den ersten erkämpfen würde.
Es war das Lächeln eines Menschen, den Acia aus tiefstem Herzen verabscheute und auf den sie gleichzeitig angewiesen war.
Acia drehte die obligatorische Runde durch die Arena, bevor sie in die Warteräume zurückkehrte. Sobald die Tür hinter ihr zugefallen war, stieß sie zischend die Luft aus und schloss die Augen, froh, wenigstens einen Teil dieses ganzen Mists hinter sich gebracht zu haben. Zwar wusste sie, dass ihr das Schlimmste noch bevorstand, doch in ihrem Wohnheim und der Gladiatorenschule hatte sie nicht nur gelernt zu gewinnen, sondern auch im Moment zu leben und nicht an die Zukunft zu denken. Nicht einmal an die Zukunft, die nur ein paar Stunden von ihr entfernt lag.
Es war die einzige Möglichkeit nicht durchzudrehen, wenn man zu denen gehörte, die dieses Leben nicht freiwillig gewählt hatten.
Sie gab sich selbst nur wenige Sekunden, um sich zu fangen, bevor sie sich auf den Weg zurück zum Warteraum machte. Es war nur ein kurzer Flur, den sie zurücklegen musste, dann kam sie bei der kleinen Tür an.
Die anderen Gladiatoren aus Ferrum saßen drinnen auf den Bänken und empfingen Acia mit Rufen und ausgestreckten Händen. Die Gladiatorin klatschte mit ihnen ab, bevor sie sich neben Marcius auf die schmale Bank an der von der Tür aus gesehen rechten Wand setzte.
„Salve", flüsterte er.
„Salve", erwiderte sie, die Stimme verstellt, obwohl Marcius über ihr Geheimnis Bescheid wusste. Die Gefahr, dass jemand der anderen etwas bemerkte, war zwar klein, aber es stand zu viel auf dem Spiel, als dass Acia es hätte riskieren wollen.
„Salve, Wisson." Lawrance, der auf ihrer anderen Seite saß, rempelte sie freundschaftlich an. „Du gewinnst das Ding heute, nicht wahr?"
„Wir werden sehen", antwortete Acia. „Er ist gut."
Lawrance lachte. „Du bist besser."Acia sah zum Bildschirm, der ihnen gegenüber an der Wand hing, und tat so, als würde sie den Anblick der Nummer eins genau so sehr lieben wie das Publikum. Es war nicht so, dass sie Lawrance nicht mochte. Im Gegenteil, er war eigentlich ganz in Ordnung und einer der wenigen in Ferrum, die nicht zu ihr heraufsahen oder neidisch auf sie waren.
Aber sie wollte nicht über den bevorstehenden Kampf reden. Schon beim Gedanken daran wurde ihr schlecht.
In ihre Gedanken versunken konnte sich Acia gerade noch rechtzeitig die Ohren zuhalten, als der Name der Nummer eins verkündet wurde. Das tat sie immer. So fiel es ihr leichter, ihre Gegner nicht als Menschen zu betrachten, Menschen mit einer Familie, einem Zuhause, einem Grund, warum sie in der Arena antraten. Denn sie wusste, dass sie es nicht schaffte gegen sie anzutreten, wenn sie begann, über diese Dinge nachzudenken. Acia Wisson konnte keine Menschen besiegen. Nur Gladiatoren.
DU LIEST GERADE
MMCCX - Du kämpfst wie ein Mädchen [LESEPROBE]
Science FictionAcia Wisson ist einer der berühmtesten Gladiatoren Patrias - das Deutschland des 23. Jahrhunderts. In dieser modernen Kultur nach dem Vorbild des alten Roms werden wieder Gladiatorenkämpfe in der Arena ausgetragen und wer gewinnt, wird vom Publikum...