III

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„So betrunken war ich gar nicht."

„Du hast Lawrance ein Stuhlbein über den Kopf gezogen."

„Es war zu seinem Besten."

Marcius seufzte. „Ich frage besser nicht nach. Hier."

Ein Umschlag fiel auf Acias Bettdecke und trotz ihres verkaterten Zustands setzte ihr Herz einen Schlag aus. Samstag, heute war Samstag – und das hier musste die Antwort von ihrer Familie sein.

„Kannst du mir vorlesen?", nuschelte sie.

Marcius verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein. Du bist selbst schuld."

„Marcius, bitte. Ich wette, du hattest gestern mindestens so viel Alkohol wie ich. Lies mir den Brief vor, und dann bring mir das Aspirin aus dem Badezimmer."

Ihr bester Freund seufzte. „Hatte ich nicht." Trotzdem griff er nach dem Umschlag und öffnete ihn.

„Liebe Acia", las er vor. „Danke für deinen Brief. Wir freuen uns sehr, dass du in der Arena so erfolgreich bist und hoffen, dass noch viele weitere Siege folgen werden..." Marcius zögerte.

„Was ist?", fragte Acia ungeduldig.

Er holte tief Luft. „Aber leider ist es nicht möglich, dass du uns dieses Wochenende besuchen kommst. Ich bin bei alten Freunden in Flos eingeladen und kann dort nicht mehr absagen. Dennoch wünschen Cecelia und ich dir alles Gute und hoffen, dass wir uns trotzdem bald wieder einmal sehen können. Es ist schon viel zu lange her. Amor, Mater."

„Okay", sagte Acia matt. Natürlich war sie enttäuscht, keine Frage, aber sie war es sich von ihrer Familie gewohnt, dass sie nie Zeit für sie hatten. Ihre Mutter war als Nachrichtensprecherin viel unterwegs und um Cecelia kümmerten sich rund um die Uhr mehrere Krankenpfleger. Und ihre Mutter hatte viele alte Freunde, die es zu besuchen galt, es war einfach nur ein blöder Zufall, dass es genau auf dieses Wochenende fiel.

Dennoch konnte sie nicht überhören, wie lustlos der Brief klang. Als hätte sie ihn eilig geschrieben und kaum über ihre Worte nachgedacht. Sie konnte nicht verdrängen, dass bisher alle Absagen ihrer Familie ähnlich geklungen hatten. Dass es jedes Mal ein ähnlicher Grund gewesen war, weshalb Acia nicht kommen konnte.

Wahrscheinlich lag es daran, dass sie ein Gladiator war.

Sie war gefährlich.

Sie war zum Töten ausgebildet worden.

Und sie hatte getötet.

Sie hatte acht Menschen getötet.

Trotz allem, was sie für die Familie getan hatte, wollte ihre Mutter sie nicht mehr in ihrer Nähe haben.

Obwohl es Acia wehtat wie ein Messerstich ins Herz konnte sie es verstehen.

„Darf ich ihn zerreißen?" Marcius klang wütender über die Antwort ihrer Familie als Acia selbst.

„Klar."
Acia genoss das Geräusch von reißendem Papier und den Anblick der Schnipsel, die auf den Boden fielen wie Schnee. Es konnte ihr die Enttäuschung nicht nehmen, aber es war besser als den Brief hier rumliegen zu haben und ihn immer wieder zu sehen. Unnötig zu erwähnen, dass Marcius bisher alle Absagen, die sie von ihrer Familie erhalten hatte, zerrissen hatte.

„Ich muss los", sagte ihr bester Freund, als er nur noch Papierfetzen in den Händen hielt. „Mein Teletaxi wartet schon."

Mit aller Kraft setzte Acia sich auf, was eine Welle von Schmerz durch ihren Kopf sandte. „Dann viel Spaß bei deiner Familie." So richtig konnte sie sich nicht für Marcius freuen. Sie hätte ihn an diesem Wochenende in Ferrum gebraucht, vielleicht mehr als jemals zuvor.

MMCCX - Du kämpfst wie ein Mädchen [LESEPROBE]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt