Kapitel 5 - Never seen

2.6K 84 5
                                    

Die nächsten Wochen waren reibungslos verlaufen. Der 'große' Cristiano hatte sich nicht mehr gemeldet, es war kein Anwaltsbrief eingerasselt und mein Sohn hatte das Wort Papá nicht mehr in den Mund genommen. Doch trotzdem verfolgte mich der Gedanke an den Herrn, der mein Kind haben wollte tagtäglich.
"Du denkst schon wieder so viel nach", stellte Liliana fest, die mir in den letzten Wochen mehr und mehr zur Freundin geworden war. Sie wusste nicht viel von meinem Sohn, doch sie verstand meine unausgesprochenen Sorgen. Generell war sie in vieler Hinsicht exakt wie ich, sprach sogar manchmal die Gedanken aus, dass man meinen konnte, sie und ich waren Schwestern. Zwillinge vielleicht. Geistige Zwillinge.
"Muss ich in letzter Zeit leider", murmelte ich und lehnte mich gegen die Tischplatte des Tresens hinter dem ich kassierte.
"Solltest du aber nicht", antwortete sie und strich mir fürsorglich über die Schulter. "Ich weiß zwar nicht, was dich beschäftigt, aber ich denke, dass du das schon schaffst. Bist ein tapferes Mädchen." Sie zwinkerte mir zu und winkte dann María zu sich, um ihr zu sagen, dass sie schauen sollte, dass alles durcheinander gebrachte, wieder in Ordnung kam. María war knapp 24 Jahre alt, also fast vier Jahre jünger als ich und doch verstand sie schon verdammt viel von diesem Beruf. Wenn ich es nicht besser wüsste, konnte man meinen, dass sie die Chefin des Ladens war.

Es gab einen Unterschied zwischen den normalen Verkäuferinnen und mir. Sie konnten alle tragen  was sie wollten und ich schlüpfte jeden morgen in meine roséfarbene Bluse, dunkle Jeans und meinen weißen Blazer, der mich um einiges jünger aussehen ließ. Meine blondgefärbten Haare fielen locker über meine Schultern und die Kette, die Gabri mir zum Geburtstag letztes Jahr geschenkt hatte, baumelte mit ihrer kleinen Kugel über meinem Bauch. Besser gesagt auf Höhe meines Magens, der schon seit zehn Minuten durchgehend knurrte. Etwas peinlich berührt legte ich meine Hände auf ihm ab, was Liliana grinsend zur Kenntnis nahm.
"Na komm schon, mach Pause", lachte sie, legte ihre Hand auf meine Schulter und nickte zur Schiebetür. Doch ich schüttelte den Kopf.
"Ich mache um 13 Uhr Pause, wie immer, soll ich irgendeine Bestellung machen, weil -..."
"Tainá kommst du mal bitte?" rief María von den Kabinen zu mir, sodass ich Liliana entschuldigend ansah, meinen Kugelschreiber einfach liegenließ und loseilte.
"Die Dame ist sich nicht sicher, was besser zu ihr passt, könntest du mal?" Etwas hilflos verzog María das Gesicht und drehte sich um.
"Ich ziehe schnell das andere nochmal an", kam aus der Kabine und María beugte sich zu mir, um mir etwas ins Ohr zu flüstern.
"Das steht ihr gar nicht, aber ich kann das doch nicht so direkt ins Gesicht sagen."
"Ich mach das schon, warte", antwortete ich genauso leise und beobachtete, wie sich der Vorhang aufschob. Und ja, María hatte mehr als recht. Das stand ihr überhaupt nicht. 
Die Frau hatte das geschätzte Alter einer 40-Jährigen, trug Chucks, wie sie mein Sohn schon in kleiner Größe besaß und drehte sich in einem beigen Fummel mit blauen Punkten im Kreis. Noch dazu saß der Schnitt nicht wirklich perfekt, wie er sitzen sollte, denn ich hatte dieses Kleid auch schon an. An mir sah es nur...eleganter aus.
"Und? Was sagen Sie dazu?" hakte sie skeptisch nach und musterte mich abschätzig. Ich lächele höflich.
"Also ich möchte nicht unhöflich wirken, aber mir ist aufgefallen, dass der Schnitt des Kleides nicht optimal zu Ihrer Figur passt. Es steht Ihnen, keine Frage, aber sehen sie..." Ich nahm die Naht an der Seite und rückte das Kleid ein Stück nach oben, sodass sich die gesamte Form des Kleides veränderte und aussah, wie es aussehen sollte.
"Oh, das ist nicht gut. Ich brauche dringend ein Kleid. Wissen Sie ich habe heute Abend eine Verabredung", sagte sie mit einer unerträglich hohen Stimme, dass ich dachte mir würden die Ohren abfallen. Seufzend sagte ich ihr, ich würde etwas finden und somit war ich da angekommen, wo ich jetzt immer noch mit María stand. Die Kundin hatte sich verzweifelt in den Sessel hinter uns fallen lassen und sah betreten zu, wie wir gemeinsam überlegten.
"Wie wäre es damit?" Fragend hielt ich eine hellrosa Samtbluse nach oben, doch sie wehrte ab.
"Schon wieder nicht", maulte María leise neben mir, sodass ich kichern musste. Als letzter Versuch griff ich nach einer engen, hellen Jeans, deren umgestülpte Hosenbeine mit kleinen, silberfarbenen Nieten besetzt war und zu einer roten Bluse.
"Probieren Sie mal das", murmelte ich, dirigierte die Kundin zur Kabine und ließ sie verduzt zurück um einen passenden Schuh zu finden. Irgendwo hier waren doch die Schwarzen...

He is mine! (Cristiano Ronaldo)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt