Kapitel 6 - Cristiano Ronaldo

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„Was? Du hier?" fragte ich entsetzt und musste aufpassen, dass mein Herzschlag mich nicht gleich dazu brachte umzufallen.

"Ach nein, wirklich?" lachte er. Der Klang seiner Stimme ließ einen Schauer über meinen Rücken laufen. Sie klang ganz anders, als damals.
"Oh, Tainá, das ist Cristiano und Cris, das ist..."
"Katia, ich kenne sie", sagte er leise lachend und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Er hatte nicht mit mir gerechnet. Wahrscheinlich mit allem, aber nicht mit mir. Ich genauso wenig mit ihm, also beruhte sich das auf Gegenseitigkeit. Ich merkte, wie ich meinen Sohn automatisch fester an mich drückte und er einfach weiterhin genüsslich schmatzend sein Baguette aß. Da stand er wirklich. Der Typ, der mich geschwängert hatte. Der Typ, der mich irgendwie verdammt verletzt hatte.
"Ihr.. Ihr kennt euch?" Liliana oder besser gesagt Katia blickte entsetzt zwischen uns hin und her und blieb dann an meinem Sohn hängen.
"Oh Gott." Sie schlug sich mit der Hand vor den Mund und riss ihre braunen Augen weit auf.
"Was?" fragte ich etwas gereizt.
"Dann war das Kind von dem ihr beide mir dauernd erzählt habt, ein und dasselbe..."
"Du kennst ihn?"; "Du kennst sie?" kam es zeitgleich von Cristiano und mir. Na toll, jetzt sprach er schon synchron mit mir. Wunderbar.
"Cris ist mein Bruder", stellte sie klar und sofort schlich sich eine dunkle Regenwolke über meine Gefühlswelt. Meine Chefin, gute Kollegin und neue Freundin war die Schwester von diesem Idioten? Na super. Gut, dass ich nach allem, was war, die Verbindung nicht erkannt hatte. Jetzt, wo sie nebeneinander standen, sah ich es deutlich. Es war unverkennbar und trotzdem war ich zu blöd es zu bemerken.
"Ich nehm an, dass sie deine Angestellte ist?" Cristiano musterte mich abschätzig, räusperte sich kurz und ging einige Schritte auf mich zu, bedacht nicht auf die Tomate zu treten, von der ich mich ein wenig entfernt hatte. Er war mir viel zu nahe gewesen, allein schon damit, dass er da hinten an der Kasse gestanden hatte.
"Ist er das?" Cristiano stand direkt vor mir und Junior.
Verdammt, warum hatte ich dem Kind den Namen seines Vaters gegeben? Das machte diese Situation nicht gerade einfacher. Jetzt fühlte er sich in seinem Mister-Perfect-Dasein nur bestätigt. Vorsichtig hob er die Hand und wollte meinen Sohn anfassen.
"Nimm deine dreckigen Griffel weg, Cristiano", fauchte ich, schlug mit meiner freien Hand seine weg und wippte Cris ein wenig auf und ab.
"Mamá?" nuschelte dieser leise, seinen Kopf hatte er gegen meine Schulter gelehnt, die Tüte in der Hand, die mittlerweile leer war.
"Warte gib das mir, ich werf das weg", meinte Cristiano plötzlich und wollte Cris das zusammengeknüllte Stück Tüte, aus der Hand nehmen, doch ich drehte mich weg. Liliana stand einfach nur perplex gegen die Theke gelehnt und verfolgte mit ihren Augen das Geschehen.
Genervt schnaubend stolzierte ich einfach los, ohne Cristiano noch eines weitern Blickes zu würdigen und trat direkt in die zermatschte Tomate hinein, dass ich jetzt den Matsch an der Sohle meines Pumps kleben hatte.
"Porra!" schimpfte ich auf meiner Muttersprache, was Cristiano murrend zur Kenntnis nahm.
"Und sowas in der Gegenwart eines Kindes", tadelte er mich. Entnervt schlüpfte ich aus meinen Schuhen, ging möglichst zügig zur Kasse und setzte Junior darauf ab. Dort richtete ich ihm seim T-Shirt zurecht und begab mich auf eine Höhe mit ihm.
"Er ist groß geworden", hörte ich eine tiefe Stimme neben uns.
"Kannst du dich bitte wieder in Luft auflösen?" fuhr ich ihn an, doch den werten Herrn ließ das kalt.
"Nein, das ist immerhin auch mein Kind. Na  wie geht's dir Kleiner?" fragte er an Cris gewandt, der keine Ahnung hatte, was hier los war. Er war Gott sei Dank noch viel zu klein.
"Mamá, wer ist der?"
Skeptisch sah mein Sohn zwischen uns hin und her. Ich schloss einfach meine Augen, nahm seine kleinen Hände in meine und stieß so einiges an Luft aus, bevor ich ihm die Wahrheit jetzt so hier direkt ins Gesicht sagen würde. Er würde jetzt das hören, was er seit Jahren hätte hören können.
"Ach, er weiß es gar nicht?" Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte Cristiano mich und begab sich auf eine Höhe mit mir.
"Kannst du bitte einfach den Mund halten?" zickte ich, weshalb er nur abwehrend beide Hände hochhielt.
"Mamá?" Fragend legte Cris seinen Kopf schief.
"Cris... Das ist dein Papá", gab ich geknirscht zu.
"Oh kannst du das nochmal wiederholen? Ich hab es nicht richtig verstanden", vernahm ich links von mir und schlug mit meinem Ellbogen aus. Wenn der nicht gleich seine Klappe hielt, setzte es etwas.
"Papá?" Die Augen meines - unseren- Kindes weiteten sich zu Tellergröße. Sein Blick war jetzt nicht mehr mir gewidmet, sondern dem arroganten Kerl neben mir, welcher mehr als zufrieden nickte und jetzt aufstand. Mein Sohn schüttelte meine Hände ab und sah zu dem großen Mann auf.
"Ja Papá. Deine Mamá hat dir wohl nie von mir erzählt, oder?" Er lachte leise, man merkte aber, dass er ein wenig verletzt war. Selbst Schuld. Hätte ja seinen überbezahlten Fußballerhintern zu mir schwingen können, immerhin wusste er ja wo ich wohnte, also sollte das ja nicht so schwer sein. Trotzdem würde er eine Ausrede parat haben. Wenn nicht sogar tausende.
"Komm her, Großer." Ich wollte gerade Cristianos Arme wegschlagen, da streckte mein Sohn schon seine Arme zu seinem Vater aus. Ach du meine Güte. Nein, nein, nein. Bitte nicht.
Warum musste er denn so auf ihn eingehen? Waren Kinder nicht eigentlich immer misstrauisch? Bei Cris war das anders. Allein das Wort 'Papá' veränderte alles bei ihm und sämtliches Misstrauen war versteckt hinter einer unsichtbaren Mauer.
"Ist ja leichter als gedacht."
Cristiano erblickte Cristiano.
Vater erblickte Sohn.
Sohn erblickte Vater.
Mutter wurde ignoriert.
Genau so sollte es nicht laufen. Aber wirklich nicht. Ich hatte mir das Aufeinandertreffen anders vorgestellt.
"Was hast du denn da in deinem Rucksack drin?" Cristianos Stimme klang plötzlich ganz anders, viel fürsorglicher, angenehmer.
"Meinen Teddy", kicherte Cris und man konnte die Begeisterung in seinen Augen sehen. "Willst du ihn sehen?"
"Gerne." Cris begann ein wenig zu zappeln, sodass er runtergelassen wurde und eifrig begann seinen Teddy aus dem Rucksack zu kramen. Begeistert drückte er seinem Vater den Teddy in die Hand, der ihn verträumt musterte.
"Du weißt, von wem du den hast?" Der Kleine schüttelte den Kopf. "Aber Mamá hat gesagt, ich hab den schon immer."
"Du hast ihm echt gar nichts gesagt?" Der eisige Blick von Cristiano traf meinen. Er wirkte bedrohlich, schon angsteinflößend.
"Hätte ich denn? Du warst vier verdammte Jahre nicht da und dann..."
"Mamá?" Eine kleine Hand umfasste meine. Was kam denn jetzt? Es konnte eigentlich nur noch besser kommen.
"Was denn?"
"Sind wir jetzt eine Familie, wie bei Ali?" Ali war sein bester Freund, der eigentlich Alejandro hieß. Oh und ich hatte mich geirrt, es konnte wirklich schlimmer kommen. Das war eine Frage, die ich nie hören wollte und ich würde sie immer verneinen.
"Nein, er und ich...", ich warf Cristiano einen warnenden Blick zu, "...niemals."
"Warum?"
"Das verstehst du glaube ich noch nicht", übernahm Mister Ich-bin-so-toll das Wort und wuschelte unserem Sohn durch die Haare.
"Katia, wie lange haben wir noch Zeit bis zum Shooting?" hakte er anschließend bei seiner Schwester nach, zu der ich mich auf einmal ziemlich verfremdet fühlte. Zudem wunderte es mich nun nicht mehr, dass er sie Katia nannte. Damals hatte er mir von seinen Schwestern erzählt, nur wusste ich nicht, dass Katia auch Liliana hieß.
"Noch knapp zehn Minuten", antwortete sie. Ihr Blick starr auf uns beide gerichtet - wir dabei uns gegenseitig anzufunkeln. Mit jeder Sekunde seiner Anwesenheit wurde ich wütender. Ich könnte ihm sein wunderhübsches Köpfchen abreißen. Für alles. Alles, was er mir in den letzten Jahren angetan hatte.
"Cris magst du bei deiner Tante bleiben?" Entnervt stieß ich die Luft aus. Tante. Super.
"Wo?" Begeistert schaute mein Sohn um sich, suchte seine Tante, die jetzt grinsend dastand.
"Lilia-...äh Katia ist deine Tante", stimmte ich zu, weshalb er gleich loshüpfte und zu Liliana sprang. Genial. Genau so hatte ich es mir die ganze Zeit vorgestellt.
"Komm mit", forderte Cristiano und nickte mit dem Kopf in die Richtung des Ganges, der zu meinem Büro führte. Zerknirscht folgte ich ihm in den Gang.
"Dein Büro?" fragte er und deutete auf den Raum, auf dem groß mein Name stand.
"Nein, ich heiß anders. Natürlich...", zischte ich, drückte mich an ihm vorbei und blieb an meinen Schreibtisch gelehnt stehen. Leise schloss er die Tür hinter sich und grinste mich spöttisch an. Wieso machte er das? Seine Augen wanderten über meinen Körper als würde er mich damit analysieren wollen.
"Ziehst du mich mit deinen Blicken grade aus oder was veranstaltest du da?" Ich verschränkte die Arme.
"Ich erinnere mich nur an die Nacht damals, interessant... Du hast dir die Haare gefärbt?"
"Ist das ein Verbrechen oder was?"
"Sieht gut aus."
"Komm mir nicht auf die Tour, Ronaldo. Es war dumm mit dir zu schlafen."
"Ach, dumm nennst du das? Wie war das? 'Oh bitte hör nicht auf, oh!' ", äffte er mich nach. Ich biss mir krampfhaft auf meinen Kiefer jetzt nicht laut zu werden. Ich wollte hier nicht alles zusammen brüllen, bloß weil ich so einen Hass für ihn empfand.
"Halt bitte einfach deinen Mund!" Ich stieß mich von meinem Schreibtisch ab, schritt dahinter und sah wie sein Blick förmlich an mir klebte.
"Trotz Schwangerschaft immernoch dieselbe Figur", schmunzelte er und kam nun auch zu meinem Schreibtisch.
"Hm, meinem Freund gefällt sie auch." Es war gigantisch zu sehen, wie seinem inneren Macho für kurze Zeit alle Gesichtszüge entglitten.
"Du hast einen...Freund?"
"Ja, zwei Jahre jetzt. Du hast mich ja damals nicht weiter beachtet. Wie hast du so schön gesagt? Eine von vielen..."
"Ja aber die einzige, die schwanger war."
"Ich hoffe du erstickst irgendwann an deinem überflüssigen Geld", schimpfte ich und schüttelte den Kopf.
"Du bist doch nur neidisch, weil du das nie hattest", versuchte er zu kontern, doch falsch gedacht.
"Oh dein monatlicher Beitrag für den kleinen Mann hat mir einiges erleichtert. Aber glaub mir, das Sorgerecht bekommst du nicht!"
"Ach wirklich?" Man könnte meinen zwischen uns flogen unsichtbare Blitze hin und her.
"Wir können das außergerichtlich klären, aber niemals mit einem Anwalt. Wie viel zahlst du dem denn, dass er deinen Willen durchsetzt? 100.000? 150.000?" Ich war zum Ende hin lauter geworden.
"Dein Sohn mag mich, sollte dir das nicht zu denken geben?"
"Weißt du Cristiano...", schnellen Schrittes eilte ich um den Tisch herum, baute mich vor dem 1,86 Meter großen Mann auf und tippte ihm wütend gegen die Brust, "Vier verdammte Jahre, ja VIER, hast du dich nicht gemeldet. Hast ihm nicht zum Geburtstag gratuliert, hast so getan als gäbe es ihn nicht. Du hast mich vier Jahre lang mit dem Großziehen alleine gelassen, fast schon so, als wäre das Schlimmste jetzt vorüber und du könntest mal den fürsorglichen Superdaddy raushängen lassen, aber ehrlich? Du bist der mieseste Vater dieser Welt und komm mir ja nicht damit, dass du es versucht hättest! Ich kenne dich gut genug, sonst hätte ich mich damals nicht auf dich eingelassen, aber konnte ich riechen, dass du mich verarscht? Nein. Jedes deiner »Ich liebe dich«'s war erstunken und erlogen. Du hast mich benutzt um Spaß zu haben, hast mir damit das Herz gebrochen und mich nach dieser Nacht einfach rausgeschmissen. Du bist ein Arschloch und das weißt du ganz genau und an ein Arschloch gebe ich meinen Sohn ungern ab. Er soll besser werden, als sein Vater und-..." Ich wurde in meinem Wutanfall gestoppt, als Liliana oder Katia die Tür aufriss und uns mitteilte, dass jetzt das Shooting stattfinden würde. Murrend ließ ich von Cristiano ab, wischte mir meine Hände an meiner Hose ab und ging ohne ein weiteres Wort nach draußen, wo schon das Team des Fotografen die Treppen zum Lager hinunter rannten. Anscheinend wurden die Fotos dort unten geschossen.

"Wo ist er?" fragte ich leise, als ich bemerkte, dass Liliana mir gefolgt war.
"Spielt mit seinem Teddy. Du Iná, tut mir wirklich Leid, ich wusste nicht, dass.."
"Schon in Ordnung", schnitt ich ihr das Wort ab. "Konntest ja nicht ahnen, dass deine Kollegin genau wie tausend andere von deinem Bruder benutzt wurde."
"Das ist nicht fair", sagte sie.
"Lass gut sein", murrte ich, setzte ein Lächeln auf als ich meinen Kleinen spielen sah und ging auf ihn zu.
"Na komm, wir müssen deinem Papá", ich presste das Wort gezwungenermaßen über meine Lippen, "jetzt beim Fotomachen zusehen."
"Jaa!" rief er ganz euphorisch, nahm meine Hand und folgte mir zum Treppenabgang zum Lager. Das konnte ja noch super werden, wenn der mir jetzt öfter auf die Nerven gehen würde mit seinem plötzlichen Vaterinstinkt.

He is mine! (Cristiano Ronaldo)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt