kapitel 1

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7 Jahre später ...

Am Morgen wurde ich wie immer von meinem nervtötenden Wecker geweckt, weswegen ich müde die Decke weg schlug und mich seufzend aufrichtete. Es war gerade einmal 7 Uhr morgens, definitiv zu früh für einen Morgenmuffel, wie mich. Allerdings benötigte man mich ab 9 schon im Büro, weshalb ich keine andere Wahl hatte. Um mich der Müdigkeit wenigstens ein wenig zu entziehen, stellte ich mich unter die Dusche und ließ das heiße Wasser auf mich hinunterprasseln. Wenn es eines gab, was ich den ganzen Tag machen konnte, dann war es das hier. Unter dem heißen Wasser zu stehen und nichts zu tun. Allerdings holte mich das geräuschvolle Klopfen sowieso wieder aus meiner Blase heraus.

"Schatz? Ich glaube Jamie ist krank. Er fühlt sich nicht gut und seine Stirn ist auch ganz heiß."

Ich ließ meinen Kopf in den Nacken sacken und genoss noch einen Moment das Wasser auf meiner Haut, ehe ich mich wieder zurück in die Realität stürzte. Schnell wickelte ich mir das Handtuch um meinen Körper und öffnete meinem Freund die Tür.

"Das heißt ich soll Zuhause bleiben?"

fragte ich, obwohl ich die Antwort schon kannte. Schließlich war ich diejenige, die immer Zuhause blieb.

"Du weißt, dass ich es auch machen würde, aber wir müssen unbedingt dieses Projekt abschließen, da kann ich einfach nicht fehlen."

"Ja, ich weiß. Tut mir leid."

Mich störte es nicht Zuhause zu bleiben, ich liebte es sogar, schließlich machte mir mein Job als Empfangsdame nicht sonderlich viel Spaß. Allerdings hatte ich immer ein schlechtes Gewissen meinen Kollegen gegenüber, welche meine Arbeit dann mit übernehmen mussten oder sogar einspringen, falls ich die Schicht eigentlich alleine übernehmen sollte. Morgens war es zum Glück meistens nicht so schlimm, da die meisten Vollzeit arbeiteten und schon morgens anfingen, am Nachmittag war das Ganze schon eher problematisch.

"Mir tut es auch leid, aber vielleicht kann ich es ja am Freitag wieder gut machen, wenn wir Jamie zu meinen Eltern bringen."

raunte Adrien mir zu und ich musste bei dem Gedanken grinsen.

"Da bin ich ja mal gespannt."

gab ich ebenso zurück und ließ provokant mein Handtuch fallen, während ich zurück ins Schlafzimmer ging, um mich anzuziehen. Ich hörte ihn schlucken und grinste in mich hinein, während ich mich betont lässig nochmal zu ihm umdrehe, nur um ihm dann die Tür vor der Nase zu zu schlagen.

Anschließend warf ich mir ein T-Shirt und eine Jogginghose über. Heute würde mich ja sowieso keiner zu Gesicht bekommen. Bevor ich es mir zweimal überlegen konnte, mich einfach wieder hinzulegen, ging ich schnell aus der Reichweite des Bettes und zu meinem Sohn Jamie. Er hatte die Augen geschlossen und sich tief in seiner Bettdecke vergraben. Obwohl er sonst immer voller Energie sprudelte und mich damit in den Wahnsinn trieb, sah er jetzt ziemlich leblos aus. Langsam ging ich auf sein Bett zu und ließ mich neben ihm nieder. Er schlug seine kleinen Äuglein auf und fing sofort an zu lächeln.

„Hallo Mama."

„Guten Morgen, mein Engel. Ich hab gehört dir geht es nicht so gut?"

Jamie nickte schwach und ich streichelte ihm liebevoll über den Kopf.

„Dann schlaf mal noch ne Runde, wir wollen ja, dass du nächste Woche für deinen ersten Schultag fit bist, oder?"

fragte ich und erhielt keine Sekunde später ein freudiges Strahlen. Jamie freute sich schon seit seinem letzten Tag im Kindergarten auf die Schule und ich konnte es ihm nicht verübeln. Die Grundschule war in dem Alter schließlich etwas ganz aufregendes. Im Gegensatz zu Jamie hatte ich jedoch Bammel. Ich war erst 25 mit einem 6-jährigen Sohn und das hatte mir schon genügend merkwürdige Blicke eingebracht. Jeder gewöhnte sich irgendwann daran, doch anfangs war es immer mehr als nur unangenehm. Ich wurde verurteilt und bevor ich mich überhaupt vorgestellt hatte, hatten die meisten schon ihre eigenen Schlüsse über mich gezogen. Schulabbrecherin, dumm, naiv und definitiv keine gute Mutter. Jedoch war ich nichts davon und dass musste ich mir oft ins Gedächtnis rufen, wenn ich wieder diesen Blicken ausgesetzt war. Komischerweise bekam Adrien solche Blicke nie und auch wenn ich mit ihm und Jamie zusammen unterwegs war, straften mich kaum Menschen mit ihren vernichtenden Blicken. Aber so ist unsere Gesellschaft nun mal. Ich konnte nichts daran ändern, weswegen ich gelernt hatte, es zu ignorieren.

Als ich mir sicher war, dass Jamie wieder eingeschlafen war, beschloss ich ebenfalls noch eine Runde Schlaf zu bekommen. Das Büro hatte ich schon informiert und wie immer waren meine Kollegen mehr als nur verständnisvoll. Ich hatte wirklich Glück mit der Stelle, andere hätten mich sicher längst rausgeworfen. Dadurch, dass mein Chef Kinder jedoch über alles liebte, hatte er stets Verständnis für mich und freute sich sogar, falls ich Jamie mal mit auf die Arbeit nehmen musste. Um nichts in der Welt würde ich die Stelle aufgeben, auch wenn der Job nicht gerade dem entspricht, was ich mir früher vorgestellt hatte.

„Mama?"

weckte mich eine Kinderstimme und anders als bei meinem Wecker war ich sofort hellwach. Vielleicht sollte ich einfach Jamie als meinen persönlichen Weckdienst einstellen.

„Ja?"

„Ich hab Hunger."

schmollte Jamie und überrascht sah ich auf die Uhr. Normalerweise aß er vor 13 Uhr nichts. Erschrocken musste ich feststellen, dass es allerdings schon halb zwei war.

„Oh Gott. Natürlich, ich mache dir sofort was. Tut mir leid, Jamie."

Ich sprang erschrocken auf und hastete in Richtung Küche, was Jamie ein kindliches Lachen ausstießen lies. Wenigstens einer hatte seinen Spaß. Ich hingegen fühlte mich total schlecht, weil ich den ganzen Tag verschlafen hatte. Wenn ich schon nicht arbeitete, hätte ich wenigstens etwas in der Wohnung schaffen können, aber stattdessen hatte ich nichts anderes getan, als zu schlafen. Ich war eine schlechte Hausfrau. Und dann musste Jamie auch noch hungern. Oh Gott, oh Gott!

"Mama, mach dir keine Sorgen um mich. Ich hab auch geschlafen."

erklärte Jamie mir und bei seinen Worten ging mir das Herz auf.Ich wusste nicht, womit ich es verdient hatte so einen tollen Sohn zu haben. Er war so einfühlsam und rücksichtsvoll, dass es mich selbst immer wieder aus den Socken haute. Schnell ließ ich vom Herd ab, um ihm einen Kuss auf den Kopf zu drücken, ehe ich mich wieder den Nudeln widmete.

"Wollen wir uns beim Essen einen Film anschauen?"

Ich wusste zwar schon vorher, dass die Antwort auf jeden Fall positiv ausfallen würde, aber dennoch wollte ich ihn nicht hintergehen. Das Strahlen, was nach meiner Frage folgte, war jedoch Antwort genug. Normalerweise erlaubte ich es Jamie nicht beim Essen Fernsehen zu schauen, da er davon immer viel zu abgelenkt war, aber heute war eine Ausnahme.

"Jaaaaa!"

freute er sich und ließ mich ebenfalls grinsen. Jamie war schon ein kleines Wunder, mein kleines Wunder.

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