Kapitel 8

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Nach dem dritten Kaffee beschließe ich zugehen und es mir in meinem Hotelzimmer gemütlich zu machen. Erst der Spiegel im Fahrstuhl zu meinem Stockwerk macht mich darauf aufmerksam, dass ich immer noch die schicken Klamotten von dem Gespräch trage. Die Tür fällt ins Schloss und schon habe ich die Sachen ausgezogen und steige in die Dusche. Das Wasser fühlt sich himmlisch an. Die Musik dröhnt durch das Bad. Der Spiegel beschlägt langsam. Meine Haut ist schon ganz schrumpelig geworden und ich fühle mich wie eine alte Frau, als ich aus der Dusche steige. Ich ziehe meine Jogginghose und ein weites Tshirt an, bevor ich mich ins Bett kuschle.

Mit dem Laptop auf dem Schoß aktualisiere ich meine Emails und will gleich einen Film starten, da bleibt mein Blick an einer Email hängen. Sie kommt aus Kiel. Ich öffne sie und es verschlägt mir die Sprache. Die Firma ist so begeistert von meinem Lebenslauf, dass sie kein Bewerbungsgespräch mehr möchten sondern sich sicher sind, dass ich die Richtige für den Job bin. Lediglich ein persönliches Telefonat in den nächsten Tagen ist Ihnen wichtig, um auch mir die Chance zugeben mehr von Ihnen zu erfahren. Ich antworte sofort und mache einen Termin für das Telefonat aus. Ich kann mein Glück kaum fassen. Zwei tolle Jobangebote in einer Woche. Vielleicht hatte Mama ja doch recht, wenn sich eine Tür schließt öffnet sich eine andere. Ich tanze ausgelassen durch das Hotelzimmer und lasse meiner Euphorie freien Lauf. Ich falle völlig außer Atem aufs Bett und freue mich jetzt noch mehr auf die Party morgen Abend.

Ich starte noch einen Film, aber ich kann der Handlung kaum folgen, da mich meine Gedanken die ganze Zeit hinaustragen. München oder Kiel. Berge oder Meer. Oder soll ich doch in Berlin bleiben...

Nein. Egal wie sehr ich meine Familie in meiner Nähe genieße, ich habe in den anderthalb Tagen hier in München schon so viele positive Gefühle gehabt, wie in Berlin eine sehr lange Zeit nicht mehr. Ich brauche diesen Neustart und weiß tief aus meinem Bauch heraus, dass es das Richtige sein wird zu gehen. Die meisten meiner Freunde sind ohnehin über die Jahre weggezogen und nur noch ein kleiner Kreis wohnt wirklich noch in Berlin. Und vielleicht ist es gar nicht so schlecht nach seinem Studium neue Freundschaften zuknüpfen, die einen nicht mehr mit Zahnspange und rosa Brille aus der dritten Klasse kennen.

Der Abspann läuft und ich klappe den Laptop zu. Draußen ist es dunkel, dunkler als in Berlin. Aber ich kann keine Sterne sehen, weil es diese Nacht regnen wird. Ein kleinwenig enttäuscht bin ich ja schon, aber vielleicht wird die nächste Nacht klarer.

Wir hatten doch Pläne | wincent weissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt