Kapitel 5

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Pünktlich um 8:30 stehe ich am Bahnsteig mit meinem dampfenden Kaffee in der einen und meinem kleinen silbernen Koffer in der anderen Hand. Zwei Minuten später fährt der Zug auch schon ein und ich suche mir eilig meinen Platz. Ich bin noch nie erste Klasse gefahren, doch die Firma hatte darauf bestanden. Sie wollen wohl einen guten Eindruck bei mir machen, denke ich mir und grinse. Ich verstaue meinen Koffer oben auf der Ablage und kuschel mich in den gemütlichen Sitz. 4 Stunden liegen jetzt vor mir, die ich mit Musik überbrücken will. Ich hole meine weißen Overear-Kopfhörer aus der Handtasche und starte Spotify. Ich scrolle meine Playlists ein bisschen durch und bleibe dann bei einer von meinem Bruder hängen. Er hat alles was ruhiger ist und weder in seine Rock noch in seine Metal Playlists passt dort hineinverfrachtet und ich muss zugeben, dass Fynn einen wirklich guten Musik Geschmack hat. Ich entspanne mich und fahre langsam runter, die Aufregung schiebe ich beiseite und nachdem der Schaffner mein Ticket kontrolliert hat, dämmere ich langsam weg.

Ich werde wach, als ich merke, dass ich jedes Gefühl in meinem rechten Arm, auf den ich mich gestützt hatte, verloren habe. Hektisch schaue ich auf die Uhr. Alles gut noch anderthalb Stunden bis ich ankomme. Ich blicke nach oben und sehe auf der anderen Seite des Tisches einen jungen Mann amüsiert zu mir blicken und die Lippen bewegen. Ich schiebe meine Kopfhörer auf Seite „Wie bitte?"
„Ich wollte dir nur versichern, dass ich dich geweckt hätte kurz bevor wir in München sind." „Ehm danke" erwidere ich verlegen. Hatte er mich die ganze Zeit beim Schlafen beobachtet? Ich habe gar nicht mitbekommen, dass noch Leute in das Abteil gekommen sind. Aber als ich mich jetzt so umblicke, sind alle Plätze besetzt. „Ich bin Wincent" sagt er lächelnd und reicht mir seine Hand. „Sarah" erwidere ich nur und mustere ihn unauffällig. Seine dunkelbraunen Haare sind leicht verwuschelt und er trägt einen schwarzen Hoodie. Seine braunen Augen sind wirklich atemberaubend. Da dämmert mir, dass ich langsam mal antworten sollte, statt ihn nur anzustarren. Ach ja, was ich in München vorhabe, hat er gefragt. „Ich bin nur zu einem Bewerbungsgespräch da und du?" frage ich lächelnd. „Ich besuche ein paar meiner Freunde dort, ich habe vor ein paar Jahren mal in München gelebt" beginnt er zu erzählen, wird aber dann von dem Blick eines Mitreisenden zum Schweigen gebracht. Dieser zeigt stumm auf das Ruhe-Schild. Wir beide lachen, dann setze ich meine Kopfhörer wieder auf und sehe der Landschaft zu, wie sie vorbeizieht.

Ich mag es eigentlich nicht von fremden Menschen angesprochen zu werden, aber Wincent war wirklich nett. Aber jetzt sollte ich mich wieder auf das Bewerbungsgespräch konzentrieren, das mir morgen bevorsteht. „Nächster Halt München Hauptbahnhof" dröhnt es aus den Lautsprechern. Ich packe meine Sachen zusammen und hole meinen Koffer. „Tschüss und viel Erfolg bei deiner Bewerbung" reißt mich eine Stimme aus meinen Gedanken. „Danke, dir viel Spaß mit deinen Freunden" erwidere ich grinsend und Wincent und ich winken uns ein letztes Mal zu, als wir den Bahnsteig in unterschiedliche Richtungen verlassen.

Wir hatten doch Pläne | wincent weissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt