Mein Name ist Einiir Collard. Ich sehe die Vergangenheit, die Gegenwart und auch die Zukunft, letztere allerdings nur undeutlich, vom Nebel der Möglichkeiten verhüllt.
Die Königin hat mir die Akademie der weißen Hallen anvertraut. Hier unterrichte und lebe ich, während meine Gedanken kreisen. Alles war friedlich, bis zu diesem Moment, als dem Nebel ein fürchterlicher Schatten entstieg.
Etwas hat sich verändert, das Machtgefüge wurde verschoben. Genaueres kann ich noch nicht erkennen, aber ich werde wachsam bleiben.
Einiir Collard, Dekan der weißen Hallen
Talens Priester hatten ihre Wurzeln dem Vergessen preisgegeben. Obwohl Schatzjäger bereits seit Jahrhunderten nach dem Ursprung ihrer Religion suchten, war er es schließlich gewesen, der ihn fand: die Wiege der Götter. Die eine Stätte, an der ihre Religion entstanden war. Wie hatte ihnen so etwas Wichtiges einfach entfallen können? Dabei war es nicht schwer gewesen, diesen Ort aufzuspüren. Es gab eigentlich nur eine Möglichkeit, an der sich Stein, Erde und Wasser im Gleichgewicht hielten. Bereits beim Überfliegen war ihm die Stelle aufgefallen. Ein Bergriese, zwischen zwei großen Seen, vollständig von einem Wald umgeben. Dieser Ort war ihm schmerzhaft fremd und doch vertraut. Mit Wunsch und Wille hatte er sich neu erschaffen, seinen Körper angepasst, um unbemerkt unter den Einheimischen wandeln zu können. So konnte er die anheuern, die ihn führen würden. Deren Arbeit den Schutzbann der Götter aufweichen konnten. Führer, die ihn bis hierher gebracht hatten.
Nun, ein paar Tage später, stand Usmadis, der Verlorene, tief unter der Erde vor vier Statuen, die ihre leeren Blicke auf ihn gerichtet hielten. Sein Ziel lag hinter ihnen, im Sanktuarium. Doch Talens Götter forderten still und starr seine Aufmerksamkeit. Sie bildeten einen Halbkreis, dienten dem Raum sowohl als Kunstwerk als auch Deckenstütze. Die Männer waren auf eine altertümliche Art und Weise außen positioniert, die Schwestern zwischen ihnen. Sein Blick wanderte zunächst zu Azur, einer kräftigen Gestalt, die mit einer Fackel in der Hand dargestellt wurde. Er trug einen langen Mantel, dessen Kapuze nur den unteren Teil des Gesichtes frei ließ, die Augen jedoch verbarg. In seiner anderen Hand hielt er ein Buch. Als ob es Sinn machen würde, mit einer Fackel in einem Buch zu lesen. Azur stellte immer alles in Frage. Selbst ihn, den Herrn der Wünsche. Usmadis, der Leere, schnaubte. Neben dem Gott des Feuers stand Estam, der seines Wissens nach das Meer beherrschen sollte. Dessen Gewand hatte mehr Details - Verzierungen an den Borten und einem Gürtel, der nicht besonders praktisch wirkte. In seinen Händen hielt er eine Laute. Der unbekannte Künstler hatte auch mit Schmuck nicht gespart, vor allem bei Ketten und Ringen. Das passte. Usmadis, der Hingebungsvolle, konnte sich noch gut an die Eitelkeit des jungen Gottes erinnern.
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Der Ruf des Sehers - Göttermeer-Chronik 01
Fantasía„Ein Sturm wird aufziehen", begann er zu erzählen, "und ich werde deine Hilfe brauchen, um standzuhalten." „Die Hilfe eines Spions?" Karamo hob eine dunkle Augenbraue. „Schlimmer. Die Hilfe eines Diplomaten." *** Im Nebel der Möglichkeiten sieht Ei...