Nachdem das Taxi inklusive Erik verschwunden ist, stehe ich vor meinem neuen Zuhause.
Wie alle Häuser, die sich in der St. Louis Street befinden, ist auch dieses ein kleines und schon älteres Gebäude mit vorstadt Flair.
Ich öffne das zum blassgrünen Holzzaun passende Holztor und gehe durch den viel und bunt bepflanzten Vorgarten auf mein neues Heim zu.
Der Duft von Lavendel steigt mir in die Nase, was mich an unseren Garten in Belfast erinnert.

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,,Lu Ann! Komm mal her Schätzchen, dein Bruder und ich warten schon auf dich.", ruft mich meine Mutter mit dem strahlenden Gesichtsausdruck, den sie stets hat, wenn sie sich im Garten befindet.
Ich habe ein gelbes Sommerkleid an und laufe an den Rosenstöcken und dem Meer aus Sonnenblumen vorbei, gleich in die Arme meiner Mutter.
Sie sitzt, zusammen mit meinem Bruder auf einem silbernen, schmieder eisernen Stuhl, umringt von Lavendel.
Das ist schon immer ihr Lieblingsplatz gewesen.
,,Ich bin da, ich bin da! Hast du gesehen, wie schnell ich gerannt bin? Hast du es gesehen?", fragt mein sechs- jähriges Ich außer Puste und ganz aufgeregt.
,,Natürlich mein Engel. Du warst schneller als Papas Fische im Wasser!", erwiedert sie und nimmt mich, wie meinen Bruder auf den Schoß.
,,Mama, was machen wir denn jetzt?", fragt Peter neugierig.
Unsere Mutter nimmt eine Schere und trennt ein paar Zweige vom Lavendel ab und legt diese auf den Tisch, der sich vor uns befindet.
,,Wir drei Hübschen machen Lavendel Sträuße."
,,Lavendel Sträuße?", wiederhole ich sie fragend.
,,Ja, dafür nehmen wir ein paar von den Lavendelzweigen, binden sie mit einer Schnur zusammen und schwubs", unsere Mutter nimmt die Hände in die Luft: ,,haben wir einen Lavendel Strauß. Und die hängen wir dann im ganzen Haus auf und überall wird es nach Lavendel duften!"

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Ich muss zwei Holzstufen erklimmen und stehe auf der Veranda.
Ich drehe mich um und sehe nochmals den wunderschönen Vorgarten, als sich die Tür hinter mir öffnet.
Zwei Frauen, meine neuen Mitbewohnerinnen beäugen mich seltsam und ich stelle mich vor.
,,Ähm hi, ich bin Lu Ann Connolly und eure neue, ehm Mitbewohnerin.", bringe ich stotternd hervor.
Die dunkelhäutige junge Frau schließt mich sofort herzlich in ihre Arme und stellt sich mir als Trudy Sweeney vor.
Ihre dunkle, wilde Mähne und die ausdrucksstarken dunklen Augen in Kombination mit ihrer dunkel roten Weste und Hose lässt mich darauf schließen, dass sie eine Person ist, die sich nichts sagen lässt und ziemlich selbstbewusst sein muss.
Wir lösen uns aus der Umarmung und ich werde von ihr herein gebeten.
,,Komm doch herein in die gute Stube", scherzt Trudy. ,,Das ist übrigens Jessica. Jessica Galli. Sie ist am Anfang immer etwas schüchtern."
,,Hi", sage ich zu ihr und reiche ihr meine Hand.
,,Hallo", erwiedert auch sie freundlich.
Mir wird von Trudy das Haus gezeigt und Jessica ist wieder in ihrem Zimmer verschwunden.
Es gibt eine kleine Küche, ein großes Ess- und Wohnzimmer, ein relativ großes Badezimmer und drei Schlafzimmer.
Meins ist direkt neben Trudys, erklärt diese mir.
Ich betrete den durch ein Boden tiefes Fenster, lichtdurchfluteten, mittelgroßen Raum und bin begeistert.
Hellbraune Holzpanele in Kombination mit einer zartrosa Tapete zieren die Wände und ich kann direkt in den kleinen, grünen Garten sehen.
Da meine Sachen erst in einer Woche hier ankommen werden, wirkt der Raum zwar noch unlebendig, aber das wird sich schnell ändern lassen.
,,Du kannst, bis dein Bett da ist, gerne auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen. Das musste ich auch am Anfang - ist halb so wild.", ermutigt Trudy mich und ich fühle mich auf Anhieb wohl.
Am Abend sitzen wir drei zusammen im Wohnzimmer auf meinem provisorischen Bett.
Wir haben uns chinesische Nudeln bestellt und lernen uns etwas besser kennen.
,,Und wo kommst du her?", frage ich Trudy, nachdem ich erzählt habe, dass ich ursprünglich aus Belfast bin.
,,Oh, ich komme aus Arizona, du weißt schon, wo es schön sonnig und warm ist. Meine Mutter hat da einen eigenen Plattenladen - für mich stand also schon immer fest, dass ich irgendwann mal etwas mit Musik machen werde."
,,Oh ja, Trudy redet schon die ganze Zeit davon, dass sie eine Musikbar oder so aufmachen will.", meldet sich Jessica zu Wort und ihre Blonden, bis zur Schulter gehenden Haare erinnern mich an Erik.
Nur dass sie im Gegensatz zu ihm braune Augen hat.
,,Jazz-Bar", verbessert Trudy sie:,,Aber ja, damit hat sie recht. Mir fehlt nicht mehr allzu viel und ich kann mir endlich meinen Traum erfüllen."
,,Und wieso bist du in L.A., Jessica?"
,,Ich möchte endlich groß rauskommen als Schauspielerin. Zu der Spitze Hollywoods gehören."
,,Da sind wir schon zu zweit.", lache ich. ,,Ich bin auch hier her gekommen, weil das Schauspiel meine Leidenschaft ist. Dann kenne ich jetzt schonmal Jemanden bei den Castings."
,,Hey, das ist wirklich toll! Zumal da sonst überwiegend Biester rumlaufen. Glaub mir, das wirst du früh sehen."
Wir reden noch bis in den frühen Morgen.

Nach nun fast schon einer Woche habe ich mich schon gut eingelebt und verstehe mich blendend mit den Beiden.
Auch wenn ich in Jessica eine Konkurrentin haben werde kommen wir gut miteinander aus.
Außerdem wird in zwei Tagen endlich mein ganzer Kram da sein, sodass ich dieses Haus wirklich mein Zuhause nennen kann.
Jessica und ich machen uns gerade fertig, da wir zusammen zu einem Casting für einen TV Werbespot für einen Lippenstift gehen wollen.
,,Bist du soweit?", rufe ich nach einer viertel Stunde und Jessica kommt wie aus drm Ei gepellt die Treppe herunter.
Auch ich habe mich so gut wie möglich angezogen, um einen guten Eindruck auf den Kunden zu machen.
,,Los geht's!"

...

L.A.  ~Lu AnnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt