Kapitel 1

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Julians POV:

Nichts und niemand kann uns aufhalten! Keiner schafft es, uns jemals auseinanderzubringen! Wir sind ein unschlagbares Team! Bis vor kurzem glaubte ich das zumindest. Aber wie wohl ein jeder weiß, konnte das Schicksal manchmal ein ziemliches Arschloch sein und genau dann zuschlagen, wenn man es am Allerwenigsten erwartete. Oder genauer gesagt: Gefühle. Und so fand ich mich, wie so oft in den letzten Monaten, vor diesem Etablissement wieder. Das Haus war klein und unscheinbar und von der Fassade blätterte hier und da etwas Farbe ab. Im Grunde genommen ein ganz gewöhnliches Gebäude, welches man in dieser Form in so ziemlich jeder Wohngegend vorfand und von dem man im Traum niemals erwarten würde, was sich jenseits dieser Türen abspielte. Der Großteil der Leute kam hierher, um ein bisschen Spaß zu haben – alle, außer ich. Der Grund, weswegen es mich ein ums andere Mal hierher verschlug, war, um zu vergessen. Ich wollte vergessen, wer ich war und was Andere von mir erwarteten, wie ich zu sein habe. Insbesondere aber wollte ich auch nur für einen Moment nicht an meine Gefühle denken müssen. Ich liebte einen Menschen, aber wusste insgeheim ganz genau, dass eben diese Person meine Gefühle niemals erwidern würde. Schlichtweg, weil es alles zwischen uns bisher Gewesene auf den Kopf stellen würde. Und weil mir diese Person einfach zu wichtig war, als dass ich ihr mir nichts, dir nichts gestehen konnte, was ich für sie empfand.

Ich zog meinen Schal etwas tiefer ins Gesicht und stieg aus meinem Wagen. Um keinen Preis der Welt durfte ich erkannt werden, denn wenn irgendwer da drinnen auch nur im Entferntesten spitzkriegen würde, wer da bei ihnen so regelmäßig ein- und ausging, war ich geliefert! Dann konnte ich nicht nur meine Karriere vergessen, sondern durfte mich womöglich auch noch damit herumschlagen, was meine Familie und meine Freunde von mir denken würden. Als ich die Türe öffnete, schlug mir zugleich der altbekannte Duft von billigem, süßlich riechendem Parfüm entgegen. Die leicht bekleidete Dame hinter dem Tresen zwinkerte mir zu und raunte: „Na, Hübscher? Dasselbe Programm wie immer?" Ich nickte stumm.

Kurz darauf trat ein Kerl, der schätzungsweise in meinem Alter war, auf mich zu und bat mich, ihm zu folgen. Schweigend gingen wir einen langen Flur entlang und betraten schließlich eins der vielen Zimmer. An die Stelle des Parfümdufts trat nun ein etwas lederner Geruch. Mitten im Raum blieb er plötzlich stehen und wandte sich zu mir um. Er war einen knappen halben Kopf größer als ich, weswegen er mit leicht gesenktem Kopf zu mir heruntersah.
„Was wünschen Sie, Sir?", fragte er leise und blinzelte unsicher mit seinen braunen Augen. Ich ließ meinen Blick langsam über seinen Körper gleiten. Seine Statur war sehr schmächtig und seine Körperhaltung bestätigte mir genau das, was mir sein Blick schon vorher verraten hatte: Er war nervös – hatte gewissermaßen vielleicht sogar ein bisschen Angst – und es wäre definitiv gelogen gewesen, wenn man behauptet hätte, dass er sich aus freien Stücken in derartigen Kreisen bewegte. Auf irgendeine Art erinnerte er mich an die Person, die mir seit so langer Zeit schlaflose Nächte bereitete und wegen der ich regelmäßig so fürchterlich litt. Nein – darüber konnte und vor allem durfte ich mir jetzt keine Gedanken machen!

„Auf's Bett und nach vorne beugen!", befahl ich ihm mit strenger Stimme. Unruhig strich er sich durch seine brünetten Haare, ehe er sich, wie geheißen, mit zitternden Beinen auf dem Bett niederließ und in Position brachte. Ich betrachtete ihn eingehend, wie er – sich voll und ganz bewusst darüber, was als Nächstes folgen würde – mit nach unten gesenktem Blick vor mir kniete und gesellte mich schließlich zu ihm. Aufgrund seines, nennen wir es ‚offensichtlich labilen emotionalen Zustands' war es wohl sowohl für ihn als auch für mich besser, wenn wir die ganze Sache so kurz und schmerzlos wie möglich hinter uns brachten. Mit wenigen geschickten Handgriffen befreite ich uns von unserer Kleidung, benetzte seinen Hintern mit etwas Gleitgel und drang langsam in ihn ein. Die Faust, die mein Herz mit ihren klammen Fingern fest umschlossen hielt, lockerte immer mehr ihren eisernen Griff und mit jedem Stoß lichtete sich zunehmend die Dunkelheit, die meine Gedanken umgab. All die Sorgen und Traurigkeit schienen mit einem Mal in ganz weite Ferne gerückt zu sein – ich fühlte mich einfach nur frei. Aus Erfahrung wusste ich allerdings genauso gut, dass dieses Gefühl nicht von allzu langer Dauer sein würde und so war es auch dieses Mal, als ich mich wieder anzog und meinem Gegenüber einen letzten Blick zuwarf, während ich gedankenverloren in meiner Geldbörse kramte und ein paar Scheine aus ihr herauszog. Bei jedem Schritt, den er sich mir näherte, zuckte er leicht zusammen und ich meinte, trotz des stark gedämmten Lichts, Tränen in seinen Augen zu erkennen, die er mit viel Mühe zurückhielt. Diesen Anblick ertrug ich keine Minute länger! Ich musste hier raus und zwar ganz schnell!

Wortlos drückte ich ihm die Geldscheine in die Hand, ehe ich auf dem Absatz kehrtmachte und nach draußen eilte. Je mehr ich mich meinem Wagen näherte, desto fester schloss sich diese eiserne Faust wieder um mein Herz und erdrückte mich erbarmungslos mit all ihrer Kraft. Mein Hals fühlte sich trocken und kratzig an und ich hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr vernünftig atmen zu können. Zugleich kreisten mir immer wieder dieselben Gedanken im Kopf herum: Du hast mal wieder einem unschuldigen Menschen Schmerzen zugefügt! Nur weil du nicht mit deinem Leben klarkommst! Du elendiges, perverses Schwein! Ich stieg in mein Auto, startete den Motor und fuhr, den vorüberfliegenden Straßenlichtern nach zu urteilen, mit viel zu hohem Tempo durch die Stadt, bis ich endlich zu Hause angekommen war. Schnell stellte ich meinen Wagen ab und stürmte in die Wohnung. Kaum dass ich die Türe hinter mir geschlossen hatte, ließ ich mich an ihr entlang auf den Boden hinuntergleiten, umschlang meine Knie und vergrub mein Gesicht zwischen ihnen. Unaufhaltsam liefen mir Tränen über die Wangen und einzelne leise Schluchzer verließen meine Kehle. Ich fühlte mich so wahnsinnig verloren und hilflos. Noch dazu quälte mich durchgehend ein und dieselbe Frage: Warum er?

Und damit heiße ich euch herzlich Willkommen zum ersten Kapitel meiner neuen Story. Diesmal wage ich mich an eine Thematik heran, an die ich mich bei allem, was ich bisher in meinem Leben so geschrieben habe, noch nie so wirklich herangetraut habe. Allerdings habe ich mich innerhalb kürzester Zeit mit dieser doch recht spontan geborenen Idee derart angefreundet, dass ich sie in Form dieser Geschichte unbedingt realisieren und selbstverständlich auch mit euch teilen möchte – also seid zum einen gespannt, wie sich die Story im weiteren Verlauf noch so entwickeln wird und seid zum anderen etwas nachsichtig, wenn mir eventuell so manche Szene (noch) nicht zu 100 % gelingen möge. Ansonsten hoffe ich, dass euch das Kapitel gefallen hat und bin schon sehr gespannt auf eure Meinungen :)

You were my favourite hello... and my hardest goodbyeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt