Kapitel 4

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Mit fast einer Stunde Verspätung im Rücken lenkte ich meinen Wagen auf den Parkplatz unseres Trainingsgeländes. Dass auch immer genau dann gefühlt auf jedem fünften Meter ein Stau sein musste, wenn man es eh schon eilig hatte! Peter würde mich einen Kopf kürzer machen – das war schon jetzt so sicher wie das Amen in der Kirche!

Ich war gerade aus meinem Auto gestiegen, als auch schon Lars wie von der Tarantel gestochen auf mich zugeeilt kam. Auweia – wenn das mal nicht riesigen Ärger bedeutete.
„Mensch, Kai – wo zum Teufel hast du bloß gesteckt? Peter dreht hier dezent am Rad, weil er dich nirgendwo erreichen konnte und wir Jungs konnten ihn noch gerade so mit viel Müh und Not davon abhalten, eine Fahndung nach dir rauszugeben!", meinte er atemlos, kaum dass er bei mir angekommen war. „Ich war bei Jule, weil wir eigentlich zusammen zum Training fahren wollten, aber ihm geht es heute nicht so gut – von daher habe ich mich noch ein bisschen um ihn gekümmert, bevor ich hierhergefahren bin.", erklärte ich kurz und knapp, was die letzte Stunde passiert war und fügte hinzu: „Aber jetzt, wo du es gerade sagst: Wo ist eigentlich mein Handy abgeblieben?" Ratlos klopfte ich all meine Taschen ab, aber von meinem Handy fehlte jede Spur. Es musste mir wohl aus der Hosentasche gerutscht sein, bevor ich bei Julian losgefahren war.
„Das Ding kannst du nachher immer noch in aller Ruhe suchen, aber jetzt ist erstmal Training und Operation ‚Nerven des Coachs beruhigen' angesagt.", drängte Lars. „Also ab mit dir zum Umziehen und in spätestens zehn Minuten möchte ich dich bei uns auf dem Platz sehen." Auch wenn mir die Situation mehr als nur unangenehm war, weil ich für gewöhnlich nicht so ein Chaot war, der ständig zu spät zum Training erschien, konnte ich mir wegen seines Auftretens ein Grinsen nicht verkneifen, als ich ihm hinterhersah. Lars war einfach der geborene Mannschaftskapitän und ich kannte wirklich niemanden auf der Welt, der so sehr dieser Rolle aufging wie er.

Das Training an sich war im Grunde genommen so wie immer – abgesehen von der zu erwartenden Standpauke des Coachs natürlich, der sich erst einigermaßen besänftigen ließ, nachdem ich ihm hoch und heilig versprochen hatte, zukünftig sofort Bescheid zu geben, wenn ich mich verspätete. Wenn mich jedoch jemand danach gefragt hätte, was genau im Einzelnen während des Trainings passiert war, hätte ich darauf beim besten Willen keine Antwort geben können. Viel zu sehr drifteten meine Gedanken immer wieder zu Julian ab: Wie es ihm jetzt wohl ging? Was er wohl machte? Ob er mir wegen meines Auftritts von heute Morgen wohl noch sehr böse war? Ich musste mich auf jeden Fall nachher bei ihm entschuldigen, so viel war sicher. „Huhu, Erde an Havy!", rief Mitch grinsend und fuchtelte mir mit der Hand vor der Nase rum. „Ich weiß nicht, ob du es schon mitbekommen hast, aber das Training ist bereits seit fünf Minuten zu Ende!"
„Tja, das ist unser lieber Kai, wie er leibt und lebt – träumt ständig von Sonne, Strand und schönen, sonnengebräunten Mädels auf Ibiza!", feixte nun auch Kevin. Seufzend und etwas bissiger als eigentlich beabsichtigt murmelte ich: „Nehmt es mir nicht übel, aber: Fresse, und zwar alle beide – ich bin heute nicht in der Stimmung für eure dämlichen Sprüche!", ehe ich mich an ihnen vorbeischob, woraufhin sie mir irritierte Blicke, gefolgt von einem „Welche Laus ist denn dem über die Leber gelaufen?" hinterherwarfen. So gern ich die Jungs an und für sich auch hatte, aber manchmal – wie beispielsweise in Momenten wie diesen – könnte ich sie echt im Dreieck jagen.

Schnellen Schrittes stapfte ich in Richtung Kabine und kramte meine Tasche aus dem Spind. Der Großteil war weitestgehend schon weg und der Rest war in irgendwelche Gespräche vertieft, mit deren Inhalte ich allerdings nichts anfangen konnte. Stattdessen hing ich abermals dem Karussell in meinem Kopf nach, während ich mich nach und nach fertig machte: Eigentlich wäre Julian jetzt noch hier und wir würden an dieser Stelle wahrscheinlich über das Training quatschen, uns über so manche bescheuerte Aktion der anderen Jungs kaputtlachen oder uns Gedanken über das nächste Spiel machen. Heute dagegen war ich einfach nur froh, wenn ich so schnell wie möglich von diesem Irrenhaus wegkam. Ich hatte mich gerade umgezogen, als mich eine Stimme aus meinen Gedanken riss: „Kai, mein Freund! Ist alles gut?" Erschrocken hob ich meinen Kopf und sah geradewegs in das besorgte Gesicht von Panos. „Hey, Kumpel! Ich habe gar nicht mitbekommen, dass du heute auch da bist! Was macht die Reha?", antwortete ich rasch und zwang mir ein Lächeln auf die Lippen, was mir eher schlecht als recht gelingen wollte und hoffte inständig, so seiner Frage ausweichen zu können. „Wird immer besser. Wenn ich Glück habe, bin ich zur neuen Saison wieder komplett fit.", entgegnete er freudestrahlend, was ich mit einem abwesenden Nicken quittierte. „Aber was ist mit dir? Du siehst heute so unglücklich aus. Ist etwas passiert?", kam Panos nun doch wieder auf seine vorangegangene Frage zu sprechen. Schulterzuckend erklärte ich: „Naja, wie soll ich sagen: Heute ist einfach nicht mein Tag, aber das geht doch jedem mal so, nicht wahr?" und versuchte, dabei betont locker zu klingen, was mir mein Gegenüber – zumindest seinem Blick nach zu urteilen – jedoch in keinster Weise abkaufte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 18, 2020 ⏰

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