100 (Special)

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Ein Therapeut stellt im Wartezimmer seiner Praxis ein Schild auf, welches vermutlich schon einige Leben gerettet hat:

Ich mag den Ausdruck : "Ein Schrei nach Hilfe" nicht. Er vermittelt einen falschen Eindruck. Wenn jemand zu mir sagt "Ich denke über Selbstmord nach, ich habe sogar schon einen Plan. Ich brauche nur einen Grund es nicht zu tun.", dann ist Hilflosigkeit das letzte, was ich sehe.

Ich denke dann : Deine Depressionen machen dich schon seit Jahren fertig. Sie schimpft dich so lange  hässlich, dumm und armselig, dass du vergessen hast, dass es nicht wahr ist. Du siehst das Gute in dir nicht und hast keine Hoffnung mehr.

Aber dennoch bist du hier. Du bist zu mir gekommen, hast an meine Tür geklopft und hast gesagt : "Hey! Es ist gerade echt nicht einfach am Leben zu bleiben! Gib mir etwas womit ich kämpfen kann! Selbst wenn es nur ein Stock ist! Gib mir einfach nur einen Stock und ich kann am Leben bleiben!"

Was ist daran hilflos? Ich halte das für unglaublich. Du bist wie ein Soldat, der seit Jahren hinter den feindlichen Linien festsitzt. Deine Munition ist aufgebraucht, deine Waffe hast du auch schon verloren, du bist am Verhungern und du hast dir wahrscheinlich auch noch einen Dschungel - Virus eingefangen, der dich von gigantischen Spinnen halluzinieren lässt.

Und dennoch sagst du: "Gib mir einen Stock. Ich werde hier draußen nicht sterben!"

"Ein Schrei nach Hilfe" lässt es klingen, als sollte ich Mitleid mit dir haben, aber du brauchst mein Mitleid nicht! Du hast den Willen zu überleben! Genau dieser macht den Menschen zu einer dominanten Spezies. 

Ohne eine Garantie auf Erfolg bist du bereit, dich durch hunderte Kilometer lebensfeindlichen Dschungel zu kämpfen, mit nichts weiter als einem Stock, wenn du dadurch die Chance hast, in Sicherheit zu gelangen.

Alles was ich tue, ist Stöcke zu verteilen. 

Du bist derjenige der dich am Leben hält....


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