Erst links um die Kurve, dann scharf rechts.
Bis zur nächsten Kreuzung 220 Meter geradeaus laufen. Entlang an der alten Bäckerei von der gruseligen Alten.
Dem Süßigkeitenladen, der nachmittags stets von dutzenden Kindern belagert wird.
Der kleinen Wäscherei, die vor wenigen Jahren noch eine Schneiderstube war, aber eines Nachts von betrunkenen Jugendlichen in Brand gesetzt wurde.
Und als aller letztes an der Drogerie, deren Besitzer ein in die Jahre gekommener Mann war, doch hatte sein Lächeln nie an Glanz verloren.Dann bog Sofia ein letztes Mal nach links auf den verwucherten Trampelpfad ab und stand wenige Minuten später vor der unendlich scheinenden Wand aus Backsteinen. Das große Eisentor, welches Jahrzehnte Wind und Wetter trotzte, war bereits von unzähligen roten Rostflecken übersähen und daumenbreite Achtbeiner hatten ihre beeindruckenden Fangnetzte zwischen die alten Stäbe gesponnen. Wenigstens wussten noch die Spinnen das einst so strahlende Tor in Ehren zu halten, wenn auch nur als vorübergehende Unterkunft.
Dieser farblose Anblick versetzte ihr einen tiefen Stich in die Magengrube. Zwar war sich die junge Frau sehr wohl bewusst, dass man diesen Ort mit allen Mitteln versuchte, zu meiden, doch früher oder später, je nachdem wie gut man zu dem Schicksal stand, würde jeder hierherkommen müssen.
Ob Lebendig oder Tod.
Warum also schenkte man diesem kargen Fleckchen Land nicht die Aufmerksamkeit, die ihm
mindestens zustand. Das verwahrloste Bild, welches ihr bei jedem Besuch aufs Neue vor Augen geführt wurde, macht sie wütend, aber vor allem ein Gefühl durchströmte sie.
Erstickende Traurigkeit. Und davon gab es an diesem Ort eindeutig genug.Mit einem leisen Seufzer setzte sie sich schließlich in Bewegung, um die letzten Meter, die zwischen ihr und dem Tor lagen, zu überbrücken. Bei jedem Schritt bemerkte sie ein schmerzhaftes Stechen an ihren Fußsohlen, doch spürte sie noch etwas ganz anderes, was ihr, obwohl sie heute einen der heißesten Tage des Jahres hatten, eine Gänsehaut am ganzen Körper verpasste. Die altbekannte trostlose Stimmung lag in der Luft und legte sich wie eine bleierne Rüstung um ihren kleinen Körper. Sofort wurden ihre Schritte schwerfälliger. Wieder spürte sie dieses schmerzhafte Stechen, diesmal jedoch traf es sie direkt in ihr Herz.
Wieso passiert es jedes Mal? So oft bin ich schon hierhergekommen und doch vergeht der Schmerz einfach nicht. Nein, er wird sogar noch schlimmer! Nimmt zu und zu und zu, bis er mich endlich erdrückt hat, mich zerbricht in Tausende von Scherben! Aber warum nur?
Werde ich es jemals schaffen, gegen ihn anzukommen?Tief atmete sie durch. Ein und aus, bis das rasende Hämmern in ihrem Brustkorb wieder seine normale Geschwindigkeit angenommen hatte.
Als sie ihren Kopf hob, erkannte Sofia, dass ihre beiden Hände fest um die von der Sonne aufgeheizten Stangen des Tors klammerten. Keine Handbreit von ihrem Gesicht entfernt baumelte ein beharrter schwarzer Punkt an einem dünnen Faden frei in der Luft. Die acht Beine hatte es dabei von dem Körper gestreckt. Fasziniert beobachtete die Blonde das kleine Tier, wie es sich Stück für Stück weiter nach unten abseilte, bis es schließlich auf einem der Querstäbe zur Ruhe kam.
Spinnen hatten sie schon seid ihrer Kindheit in ihren Bann gezogen. Anfangs war Sofia noch bei dem Anblick eines dieser Teile panisch davongerannt, nur um ihre große Schwester zu holen. Aus sicherer Entfernung hatte sie der Älteren dann klare Anweisungen erteilt, wie sie nun das eklige Viech aus ihrem Zimmer schaffen sollte. Doch als sie das erste Mal nicht mehr zurückweichen konnte, begann sie die Tierchen genauer zu betrachten. Teils starrte sie tagelang nur an die Decke, um ja nicht den nächsten Schritt beim Bau der ausgeklügelten Netze zu verpassen, doch dank der damaligen schlechten Lichtverhältnisse war das leichter gesagt als getan. Zu dem kam noch die bittere Kälte der Verließe hinzu, die dauerhaft versuchte, sie in den unruhigen Schlaf zu zerren.
Sofort verdrängte sie die aufkochenden Erinnerungen und sperrte sie augenblicklich zurück in ihre Zelle, genauso wie man es einst mit ihr tat.
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Diamante di Luce [Arcana Famiglia]
FanfictionDie „Colpo di Stato" ist eine verdeckte Organisation, die die Macht aus den Händen der Arcana Famiglia an sich reißen will, um damit Regalo in Angst und Schrecken zu stürzen und das Verbrechen wieder aufblühen lassen möchte. Sie existiert nun schon...