Kapitel 1

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Montag, 20. September

6 Uhr. Mein Wecker klingelt und stört meinen Schlaf. Draußen ist es noch stockdunkel, als ich den Wecker ausschalte, mich aus meinem kuschelig warmen Bett rolle und zum Fenster hinübergehe. Eine dünne Schicht Nebel bedeckt Garten, Paddocks und Reitplatz. Ich lasse meinen Blick hinüber zu den Stallungen schweifen. Die Fenster der Boxen sind verschlossen aufgrund von Frost in der Nacht. Zwar ist es schöner wenn die einzelnen Pferde schon morgens hinausschauen können, aber andernfalls würden unsere Wasserleitungen einfrieren.

A propros Einfrieren: Ich sollte mich so langsam für die Schule fertig machen. Ich hatte meiner Mutter versprochen ihr heute morgen beim Füttern der Pferde zu helfen. Also schlüpfe ich schnell in eine einfache dunkelblaue Skinny-Jeans und ziehe mir passend dazu einen weißen Pulli mit dem Converse All Star Logo an. Meine dunkelbraunen Haare, die mir knapp über die Schultern reichen, kämme ich mir gut durch und binde sie dann in einem leicht hohen Pferdeschwanz zusammen. Mit meiner Schultasche über der Schulter laufe ich die Treppe runter und gehe in die Küche. Meine Oma ist schon fast fertig mit dem Vorbereiten des Frühstücks. Obwohl es ein normaler Wochentag ist hat sie Rührei gemacht, selbstgemachte Sandwiches, Jogurt, Müsli, Toast und verschiedenen Aufstrich auf den Küchentisch gestellt. Gerade ist sie dabei frischen Orangensaft zu pressen. "Morgen Omi.", murmele ich, noch ein bisschen verschlafen. "Guten Morgen Schätzchen. Deine Mutter wartet schon im Stall auf dich. Ich gehe jetzt erstmal deine Geschwister wecken. Sonst kommt ihr noch in Stress." Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange, stellt die Kanne mit frischem Orangensaft auf den Tisch und verschwindet aus der Küche. Ich schlurfe hinaus in die Diele unseres Bauernhauses und schlüpfe in meine Stallschuhe. Dann öffne ich die Seitentür zu den Stallungen. Direkt weht mir der Duft von frischem Heu und Pferden entgegen und sofort muss ich lächeln. Für mich gibt es einfach nichts schöneres als die morgendliche Ruhe im Stall. Tagsüber schwirren überall Reitschüler und ihre Angehörigen herum. Ich laufe ein Stück die Stallgasse entlang und biege dann nach rechts in die Futterkammer ab. Meine Mutter und unser Stallhelfer Oliver warten bereits auf mich. "Da bist du ja endlich! Wir haben schon auf dich gewartet." Eigenartige Begrüßung einer Mutter würden manche jetzt vielleicht sagen, aber ich weiß dass sie das nicht böse meint. Unser Reitstall bestimmt unseren Zeitplan. Die Pferde haben Hunger und wollen endlich gefüttert werden, was man nun deutlich an der aufkommenden Unruhe merkt. Ich nicke also bloß und meine Mutter trägt mir auf, das Zusatzfutter bei den Pferden auf der einen Seite der Stallgasse zu verteilen, während sie die andere Seite übernimmt. Oliver verteilt bei allen Pferden das Heu. Bei meinen beiden Ponys Myra und Citti nehme ich mir ein wenig mehr Zeit um ihnen Guten Morgen zu sagen. Citti sucht natürlich direkt wieder nach Leckereien in meinen Taschen. "Tut mir leid, ich habe nichts mehr.", entschuldige ich mich bei ihr. Sie macht ein beleidigtes Gesicht und wendet sich dann ihrem Heu zu. Ich schüttele nur grinsend den Kopf. Sie ist eben ein richtiges Shetty, dazu gehörte nunmal auch ihre Vorliebe für Leckerlis. Oder Futter im allgemeinen. Ich schlüpfe aus ihrer Box und schließe die Boxentür hinter mir. "Ich bin fertig, Ma!", rufe ich meiner Mutter zu, die gerade das letzte Pferd auf der anderen Seite der Stallgasse versorgt hat. "Super, dann können wir ja jetzt frühstücken gehen.", meint sie als sie bei mir angekommen ist. Da auch Oliver jetzt fertig ist räumen wir noch kurz die Schüsseln und Behälter mit dem Zusatzfutter auf und gehen dann durch die Diele zurück in die Küche. Dort sind mittlerweile auch mein Opa und meine zwei kleinen Geschwister Leona und Max eingetroffen und sitzen gemeinsam mit meiner Oma am Küchentisch. Genau genommen bin ich mit keiner Person an diesem Tisch biologisch verwandt, aber wenn man seit mehreren Jahren zusammenlebt sind das auch nur nebensächliche Fakten. Nur manchmal fällt es mir wieder ein. Zum Beispiel dass mein Vater bei der US Navy gewesen war und bei einem Einsatz ums Leben kam als ich etwa 4 Jahre alt war. Oder dass meine leibliche Mutter mit mir kurz darauf nach Deutschland kam und einen neuen Lebenspartner fand. Von da an hätte alles gut werden können. Zugegeben, zu Beginn glaubte ich auch noch daran. Aber die darauffolgenden Jahre haben mich eines besseren belehrt. Tja und nun lebe ich bald seit 4 Jahren in dieser Pflegefamilie und versuche so gut es geht meine Vergangenheit hinter mir zu lassen. Generell spreche ich nicht über meine Vergangenheit, und wenn, dann nur vage und niemals im Detail. Nicht einmal meine beste Freundin Miana, die von allen nur Mini genannt wurde, weiß etwas davon.

Auf der Flucht vor der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt