Chapter 2

73 8 1
                                    

   Weinend sitze ich in meinem Zimmer. Ich will nicht mehr. Nein, ich will einfach nicht mehr. Das alles geht mir nur noch auf die Nerven. Mein Zimmer ist wieder dunkel. So wie damals. Durch Damals hat mein Leben eine einflussreiche Wende gemacht. Ein so unbedeutendes Vibrieren war es.

   Langsam krame ich mein Handy aus der Hosentasche und entsperre es, bevor ich die neue Nachricht lese.

   >Claire? Was tust du gerade?<

   >Warum?<

   >Weil es mich eben interessiert.<

   >Tja.<

   Nichts.

   >Leg sofort das Messer aus der Hand.<

   >Was?<

   >Tu' es.<

   >Ich hab es nicht.<

   >Gut.<

   >Ja.<

   Das war's. Für die nächsten drei Stunden zumindest. Dann fragt Lian noch nach, was ich gerade mache und weitere, unbedeutende Sachen eben. Lian und ich, wir mögen uns nicht. Er ist ein arroganter, verlogener Mensch und ich, na ich bin eben ich. Wir schreiben seit ungefähr einer Woche. Wir schreiben nicht viel und trotzdem genug. Wir mögen uns nicht und schreiben trotzdem. Komische Sache.

   Ahja und falls jemand auf die doofe Idee kommen sollte, dass wir uns lieben, kann man sich das gleich mal abschminken, denn wir wissen nichts voneinander, bis auf das, dass er mein Leben gerettet hat. Meine Eltern haben mir jegliches Scharfes Zeug verboten, solange ich nicht unter Aufsicht bin, was für mich Umstellung bedeutet. Ich darf nicht mehr meinen Frust und in mich hineingefressenen Schmerz an meiner Hand auslassen. Ich muss mir etwas Neues suchen, und das ist eben Lian, noch. Ich habe nicht vor ihn länger zu belästigen. Eigentlich wollten wir den Kontakt abnrechen, aber irgendwie schreibt irgendjemand von uns den Anderen trotzdem irgendwann mal wieder an.

   Ich muss husten. In den letzten Tagen ging es mir nicht so gut. Oma Frieda meint, ich habe mir eine Grippe eingefangen. Mein Arzt sagt, es sei nichts schlimmes. Und meine Mum sagt,  ich soll in die Schule. Wie nett. Ich denke, mehr dazu muss ich nicht sagen.

   Liegen unter dem Apfelbaum von Oma Frieda, meine absolute Lieblingsbeschäftigung. Es lässt mich einfach von allem abkommen. Der Baum fragt mich nicht nach meinen Noten, Problemen, Krankheiten, Störungen und er sieht mich nicht böse oder misstrauisch an. Einen besseren Baum kann man sich einfach nicht vorstellen. Alleine die Vorstellung in seinem Schatten zu liegen und mit zugekneiften Augen in die Sonne zu blicken und für einen Moment einfach alles ausblenden. Da wird mir ganz warm ums Herz. Oma Frieda ist mein zweites Zubause, obwohl ich fast mehr Zeit bei ihr verbringe, als sonst wo. Sie ist ein Mensch, der mir wirklich zuhört, mich akzeptiert, jedoch nicht versteht. Aber da bin ich ihr nicht böse, denn sie probiert es wenigstens und setzt sich trotz allem, egal was passiert, für mich ein. Dafür bin ich ihr so dankbar.

   Und ich bemerke gerade, was ich hier für unnötiges Zeug erzähle.

   Desinteressiert kaue ich auf meinem Bleistiftende herum und tue so, als ob mich das, was vor mir liegt, irgendwie interessieren würde. Englisch. Eine Aufgabe im Schulbuch als Hausübung.

   Es gibt Dinge, bei deinen man sich einfach nur "whaaaaaaaaaaaat?" denkt. Und das nicht, weil man es nicht versteht.

   Auf jeden Fall habe ich überhaupt keinen Bock darauf. Deshalb seuftze ich einmal laut, stehe auf und begebe mich in den Schuppen, wo ich ziellos dastehe und nicht recht wusste, was ich tun soll.

   Aus Langeweile schnappe ich mir mein Fahrrad, steige auf und fahre irgendwo hin. Ich habe keinen Plan, warum ich das tue. Aber es tut gut. Die frische Luft einatmen, die Sonnenstrahlen auf der Haut spüren, weg zu sein. Weg von allem.

   Der angenehme Luftzug erleichtert mich, befreit mich für diesen einen kurzen Moment von meinen Sorgen.

   Nach ungefähr 10 Minuten sinnlosem Rumfahren, beschließe ich, zum schönsten Platz in Pawan zu fahren: Oma Friedas Apfelbaum. Ich weiß, dass sie heute nicht da ist, also ist es sicherlich kein Problem. Und mein Handy habe ich auch dabei, für Musik.

   Dort angekommen werfe ich mein Fahrrad rücksichtslos neben den Kastanienbaum und renne zu "meinem" Baum, wo ich mich sofort ins Gras fallen lasse und entspannt die Augen schließe.

   Leise flüstere ich "Hallo" in den Himmel und muss ganz leicht lächeln.

   Nach einer Weile ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche und schalte die Musik an, als mein Blick auf das Nachrichtensymbol fällt. Zuerst tue ich nichts. Ich starre es einfach nur an.

   Dann, nach gefühlten Stunden klicke ich es an und meine Augen weiten sich, als ich seine Nachricht lese. Ja ich konnte ihnen kaum glauben.

   >Hey. Du... Ich wollte mal nachfragen, wie 's dir so geht? Ich hoffe, du schreibst bald zurück.<

   Noch NIE, wirklich noch NIE hat er so offen geschrieben, dass er mich vermisst. Das löste eine Reihe von Durcheinander in meinen Gedanken aus.

   >Lian, bitte verarsch mich nicht.<

   >Hi. Bitte nimm das da oben nicht ernst, mein Bruder hat sich mal wieder ein Spaß erlaubt.<

   Keine Ahnung wieso, aber irgendwie bin ich enttäuscht. Ich demke, da kommt jetzt mal was Nettes aus ihm raus und dann sowas. Vielleicht verwendet er das ja nur als Ausrede? Ach was mache ich mir nur für Hoffnungen?

   Um mich abzulenken, stehe ich auf und gehe den kleinen Hügel hinauf, zum Haus meiner Oma. Dort schaue ich in das Wohnzimmer, von den Balkontüren aus. Da eine der fünf Türen offen ist, gehe ich hinein und rufe erst einmal nach Frieda, doch es kommt nichts.

   Also gehe ich in die Wäscheküchen, die sich im Keller befindet, und beobachte die alte Dame beim Wäschewaschen. Ich sage nichts, um sie nicht zu erschrecken... sondern ich fange leise an unsere gemeinsame Lieblingsmelodie zu summen. Unser Zeichen für das Ankommen des jeweils Anderen.

   Ich glaube sogar ein Lächeln zu erkennen, bevor sie sich aufrichtet, die Hände in die Hüften gestemmt, und seuftz.

   "Na, Kleine?"

   "Ich bin nicht mehr deine Kleine!", gebe ich gespielt beleidigt von mir, doch jedes Baby könnte, alleine durch das Lachen, erraten, dass das nicht ernst gemeint ist.

   Ich helfe ihr noch, bevor wir zusammen rauf, in die Küche, gehen. Wir wollen zusammen einen Bienenstich(Kuchensorte) backen, doch meiner tollpatschigen Oma fällt das Messer aus der Hand, wodurch es unter die Wandsitzbänke rutscht. Da die liebe Frieda nicht ran kommt, muss ich unter den Tisch zu dem Messer kriechen.

   Gerade als ich wieder rauskommen will, hörte ich einen Knall und bleibe instinktiv in meinem kleinen Versteck liegen und beobache das Szenario.

Alles wird still. Man hätte sogar das Gras wachsen höhren können. Plötzlich jedoch vernehme ich eine Silouette im Türrahmen. Ein Blick zu meiner Oma genügt, um zu erkennen, dass ihr Angst und Bange war, aber mir ging es ja auch nicht besser.

   Die Gestalt hat ein Messer in der Hand und geht damit langsam auf Oma Frieda zu. Meine Augen weiten sich und ich kriche noch weiter zurück.

The last minuteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt