IV.I - Alwin

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War die Welt gerade noch wie versteinert, passierte nun alles um so schneller. Fast zeitgleich erhoben sich alle Beteiligten. Der kleine Knut schrie: "Er ist ein Hexer! Mein Vater hat Ketten. Ich hole ihn, dann können wir den Hexer fesseln und auf dem Scheiterhaufen verbrennen.", während Knut, rief: "Bringt mir seinen Kopf! Der Baron hat ein hohes Kopfgeld auf jeden Hexer gesetzt!"

Alwin hörte, wie hinter ihm und von beiden Seiten jemand auf ihn zurannte.
Vor ihm war der Weg zur Straße, jedoch blockierte Knut diesen, und er hielt sein Messer in der Hand. Trotzdem begann er zu rennen und steuerte auf die kleine Lücke auf seiner Rechten zu, zwischen Knut und der Hauswand.
Als sich die magische Welle von Alwin gelöst hatte, hatte er sofort einen großen Kraftverlust gespürt.
Ob es wegen dieser akuten Müdigkeit oder einfach Missgeschick war, wusste Alwin später nicht mehr. Denn als er an  Knut vorbeirannte, stieß Alwins Fuß gegen sein Bein.
Alwin schaffte noch drei große Schritte, dannach viel er zu Boden.
Seine Arme scherten über den Boden, und die verkrusteten Wunden von gestern rissen wieder auf.
Er wollte rasch aufstehen, weiterrennen, doch eine innere Stimme ließ ihn stattdessen auf den Rücken drehen. Und im selben Moment ließ Knut das Messer los.

Wieder blieb die ganze Welt stehen. Alwin war plötzlich sehr klar. Während sich das Messer in der Luft drehte und langsam auf ihn zuflog, hob er seinen rechten Arm.
Diesmal war es anders. So, als wäre er seit klein auf mit der Magie vertraut, leuchtete seine Hand für den Bruchteil einer Sekunde wieder blau auf, und ein dünner Strahl schoss daraus hervor, traf das Messer.
Der Schuss war so perfekt abgegeben, dass es sich auf der Stelle umdrehte, und auf Knut zu raste. Es war keine Sekunde nach dem Abschuss vergangen, als sich das Messer in Knuts rechtes Auge bohrte und ihn auf der Stelle tötete.

Geschwind rappelte sich Alwin auf. Knut war schon längst zu Boden gesunken, Blut rann über den Flur, als der erste Aufrschrei ertönte. Doch Alwin hatte sich nicht mehr umgedreht und rannte bereits die Straße hinab. Er rannte schneller als je zuvor in seinem Leben, auf direktem Weg zu seinem Zuhause. Erst als er die letzten Häuser passierte, und mit einem Blick über die Schulter schon zwei Verfolger aus der Gasse kommen sah, fiel ihm ein dass der Stadel nicht gerade das beste Versteck war.
Dennoch behielt er die Richtung bei, rannte so schnell er konnte über Steine und Wiese. Beim nächsten Blick über die Schultern waren die Verfolger gerade hinter einem der letzten Häuser verschwunden. Eine bessere Chance würde sich ihm nicht mehr bieten, also bog er scharf nach links ab und rannte ins Feld. Die gold-gelben Getreidehalme knickten unter seinen Füßen weg, doch die Sputen waren zu klein, als dass man sie aus der Ferne sehen könnte. Alwin wollte kein Risiko eingehen, also warf er sich schon nach wenigen Schritten auf den Boden.
Feine Grannen und dunkel-gelbe Weizenkörner streiften sein Gesicht.
Ein Halm kitzelte ihn an der Nase, doch er ignorierte ihn, denn jetzt musste er völlig ruhig sein. Während er muksmäuschenstill inmitten des Getreides lag, galt seine ganze Aufmerksamkeit dem Geräusch der raschen Abfolge von Schritten. Es kam schnell näher, und eine Stimme, nicht weit von ihm entfernt meinte: "Renn du zum Hintereungang, ich bewachen vorne bis die andern da sind." Keuchend antwortete eine andere Stimme: "mach ich!"
Anscheinend hatten sie Alwin im Stroh nicht bemerkt. Ihm viel ein Stein vom Herzen, und er beschloss einen Blick zu wagen. Langsam und leise stemmte er seinen Oberkörper hoch, und seine Augen lugten über das Kornmeer.
Und fast sofort steckte er ihn wieder hinein, denn keiner vier Meter von ihm entfernt rannten die zwei Burschen aus Knuts Bande an ihm vorbei.
Abermals hatte er Glück gehabt, doch nun würde er vorsichtiger sein.
Er zählte von 30 herunter. Währenddessen beobachtete er, wie dicht vor seiner Nase, ein fetter Marienkäfer einen Graßhalm empor krabbelte. Auch er schien vor etwas zu flüchten, und schon bald sah er auch vor was. Eine Horde Ameisen nahm die Verfolgung auf. Eigentlich verrückt, dachte Alwin. Beide waren sie stärker al ihre Verfolger, doch vor der wütenden Masse rannten sie weg.
Alwin hatte vergessen zu zählen, doch bestimmt hatte er lang genug gewartet. Nachdem er sich noch versicherte dass kein Mensch in unmittelbarer Nähe war, erhob er sich auf alle vier und schlich gebückt voran, immer weg vom Dorf.

Während er so dahinkroch, überlegte er was eigentlich sein Ziel war. Zuerst mal irgendwohin wo er in der Nacht Schutz suchen konnte.
Momentan bewegte er sich auf den Wolfswald zu, so hatte er ihn zumindest nach jener Begegnung damals getauft. Doch der Wald war riesig, er würde sich verirren, und nicht nur Wölfe würden ihm bald auflauern.
Alwin entschied, dass er sich am Waldrand halten würde, da er von hier leicht abtauchen könnte, sich aber auch nicht verirren würde. Dementsprechend schwenkte er etwas nach links.
Plötzlich wehten ihm laute Rufe und der Klang der Glocke vom Dorf in seinem Rücken entgegen.
Schon bald würde sich alle Einwohner versammeln, und abgesehen von den Jungen und Alten würden sich viele an der Verfolgung beteiligen.

Das Zuhause zu seiner rechten hatte er gerade hinter sich gelassen, als das Feld abrupt endete.
Bis zum Wald war es noch ein gutes Stück, doch er musst es wagen. Zuerst blickte er in Richtung Dorfplatz, doch er sah niemandend, hörte nur den Lärm.
Dann sah er zu seiner Hütte. Zwei Burchen standen beim Hintereingang, einer versuchte ihn aufzubrechen, der andere starrte zum Fenster hinauf.
Alwin hatte keine Wahl. Er wünschte sich Glück, und rannte los. Aus dem Schutz des Feldes heraus, auf die Wiese. Seine Beine flogen über Blumen hinweg, und er rannte und rannte, auf den vordersten Baum im Wald zu.
Erst lange Zeit später, wenn er daran dachte, wie unvorsichtig er sich eigentlich bewegt hatte, wurde im klar welch ein Glück er gehabt hatte. Nur der rascher Blick eines Verfolgers in die Falsche Richtung hätte vielleicht seinen Tod bedeuten können. Doch so war es nicht, und mit bebenden Herzen und keuchend erreichte er den Wald, verschwand sofort im Schutz der Bäume.

Fast wäre er zusammengebrochen. Es war erst kurz vor Mittag, doch Alwin war schon so erschöpft als hätte er die letzten beiden Nächte nicht geschlafen. Mit letzter Kraft kletterte er auf eine hohe Eiche, und sechs Metern über dem Boden, wo sich der Stamm dreiteilte und grüne Blätter die Sicht von unten verdeckte, zog er die Beine an und schlief auf der Stelle ein.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 21, 2020 ⏰

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