“Hallo, mein Name ist Christina und ich bin Alkoholikerin.“
Jetzt hatte sie es geschafft, mit dem Reden zu beginnen. Sie strich sich eine Strähne ihrer kurzen, schwarzen Haare aus dem Gesicht, um sich unbemerkt den Schweiß von der Stirn wischen zu können.
“Hallo Christina.“ antwortete die Menge im Chor.
Christinas Aussehen war ein einziger Widerspruch. Durch ihre kleine Statur sowie ihre Kleidung, die aus Sneakern, Jeans und einem geöffneten Flanellhemd über einem Top bestand, wirkte ihr Körper wie der einer Jugendlichen. Aber wenn man in ihr Gesicht sah, dann sah man eine erschöpfte Frau in ihren frühen Dreißigern, die viel Leid ausgestanden hatte.
“Nun ja, ich trinke schon seit längerer Zeit. Ich hab das halt immer mal so gemacht, wenn es mal nicht lief. Dann mal schnell, ähm, ein paar Bier trinken, das mag ich am liebsten. Und schon sieht's besser aus, versteht ihr was ich meine ?“
Mit dieser Aussage hatte Christina wohl den allgemeinen Konsens angesprochen, da sich eine Welle des Nickens über das Publikum ausbreitete. Diese Art der Problembewältigung hatte wohl viele der anwesenden Alkoholiker in diese Lage gebracht.
“Aber ich hab dann halt versucht, da rauszukommen. Am Anfang ohne Hilfe. Das war scheiße anstrengend und ich hab mich richtig kacke gefühlt. Hat halt letztendlich auch nicht geklappt, sonst wär ich ja nicht hier. Denn ich hab dann irgendwann eben hiervon erfahren und dann bin ich halt zum Treffen gekommen. Es ist, ähm, nämlich sehr schön, dass ich, äh, nicht alleine bin mit dem Problem.“
Und erneut traf sie den Nagel auf den Kopf. Vor ihr standen 100 Klappstühle, die auch bis auf wenige Ausnahmen alle besetzt waren. Es gab dort eine breite Masse an Menschen, die sehr gemischt war. Egal ob Mann oder Frau, jung oder alt, arm oder reich - alles war dabei. Manche hatten trotz des Alkoholismus ein mehr oder minder geregeltes und wohlhabendes Leben. Andere hatten durch die Flasche alles verloren und waren nun sehr arm oder teilweise auch obdachlos. Aber sie wurden alle dadurch geeint, dass sie Alkoholiker waren und die hässliche Seite des Lebens kannten.
“Also, ja, das war es jetzt. Mehr habe ich nicht zu sagen. Ähm, danke.“
Die Menge klatschte, als Christina zurück zu ihrem Platz in der letzten Reihe ging. Sie setzte sich hin und atmete erst einmal tief durch. Jetzt konnte sie den anderen das Reden überlassen. Das erleichterte sie, denn sie hatte schon in ihrer Schulzeit unter ihrer Redeangst gelitten. Diese paar Sätze hatten sie viel Überwindung gekostet, aus mehrfacher Hinsicht. Aber sie war trotzdem froh, den Schritt gegangen zu sein. Sie fühlte sich willkommen und verstanden, niemand würde sie verurteilen oder auf sie herabsehen. Die Gruppe würde sich durch die gegenseitige Unterstützung bestimmt als hilfreich erweisen. Und zum ersten Mal seit Langem sah sie der Zukunft optimistisch entgegen.
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Sieben Treffen
General FictionUnd sogleich folgt die dritte Premiere, denn das wird mein erstes Buch mit mehreren Kapiteln. Es handelt von einer Frau namens Christina, die regelmäßig zu den Treffen der Anonymen Alkoholiker geht. Während ihrer Fortschritte durch die Treffen erzäh...