Das zweite Treffen

9 2 2
                                    

Christina trat erneut nach vorne, um zu reden. Sie war jetzt schon ein paar Wochen dabei und hatte sich gut eingefunden. Diesmal hatte sie eine Kladde mitgebracht, die sie auf das Pult legte, bevor sie nach dem Standardprozess anfing zu erzählen. “Ja, ähm, das ist mein Tagebuch. Ein verdammt guter Zuhörer. Verurteilt nicht. Stellt keine Fragen. Kostet keine Überwindung. Erzählt's keinem weiter. Deswegen hab ich mich, nun ja, hauptsächlich daran gewendet, wenn's mal Probleme gab. Ne Weile lang hat das auch echt geholfen. Irgendwann gab's dann aber so viele Probleme, die dann eben auch viel schwerer waren. Und dann hab ich dann zusätzlich noch zur Flasche gegriffen. Also, zum Alkohol mein ich natürlich, bin ja kein Baby.“ brach sie lächelnd ab. Wegen solcher Situationen sprach sie nicht gerne öffentlich. Wahrscheinlich hatte sie sich gerade total blamiert. Der Schweiß auf ihrer Stirn kehrte wieder zurück und sie brauchte eine Weile, um sich wieder zu fassen. “Jedenfalls konnte ich halt immer noch arbeiten, Freunde haben und den ganzen Kram machen. Aber das ganze Getrinke wurde natürlich echt ungesund. Und dumm, wie ich nunmal bin, brauchte ich halt erstmal nen Denkzettel, um was zu lernen. Das kam dann so zustande, dass ich nen richtigen Kacktag hatte. Den Frust hab ich wie immer in mich reingesoffen und dabei viel zu tief ins Glas geschaut, noch mehr als sonst. Dann bin ich im Suff nach draußen getorkelt, die Treppe runtergefallen und hab mir beim Aufprall erstmal fett das Handgelenk gebrochen. Hat aber erst nach'm Ausnüchtern wehgetan. Das war ein Erwachen, Leute. Und n' verdammt peinlicher Besuch beim Arzt. Jedenfalls hab ich dann endlich mal geschnallt, dass sich was ändern muss. Also hab ich mich, naja, umgehört und die Gruppe hier gefunden. Und jetzt bin ich halt hier und hab auch nen guten Therapeuten, der mir hilft, mit der restlichen Scheiße fertigzuwerden. Ich will damit jedenfalls sagen, dass ihr mir eine gute Hilfe seid. Deshalb verdient ihr ein fettes Dankeschön.“ Sie ging auf ihren Platz zurück, als der Applaus begann. Das Reden war immer noch nicht ganz einfach für sie, aber sie hatte wohl ein Händchen für das Ansprechen der breiten Masse.

Sieben TreffenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt