Zwei

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„Deine Großmutter hat diese Worte zu dir gesagt?", fragte er mich verwundert. Ich hatte ihm gerade die Memo vorgespielt. Nickend nahm ich mein Handy, das ich vor ihn gelegt hatte, und steckte es in die Tasche meines Hoodies. „Ist es gälisch? Es klingt genau wie die Sprache Ihrer Tante.", fragte ich ihn. Zögernd nickte er. „Ich denke, das ist es tatsächlich. Es klingt nur ein wenig anders, wie eine ältere Version der Sprache. Stammt deine Familie denn aus Irland?", entgegnete er. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung, darüber ist mir nichts bekannt. Also, haben Sie verstehen können, was sie sagt?", drängelte ich.

Er atmete tief aus. „Ich weiß nicht, wie ich das Gesagte interpretieren soll, ich werde es einfach wortwörtlich übersetzen.", erklärte er. Eifrig nickte ich. Nachdem ich ihm die Memo erneut abgespielt hatte, fing er an zu schreiben.

Finde das geheime Tor.

Spreche die folgenden Worte.

Sie wurde zur falschen Zeit geboren

Doch die Zeit ist gekommen

Ich bin bereit

Ich bin es, Scharlachrot

Ein Schauer lief mir über den Rücken. Was sollte das heißen? Besonders beim Lesen der letzten Zeile schüttelte es mich. „Und Sie sind sich ganz sicher?", stammelte ich. Konzentriert nickte er.

„Ich..Ich verstehe das einfach nicht.", sagte ich verwirrt. Er schaute mich besorgt von der Seite an. „Vielleicht hat sie sich einfach nur einen Spaß erlaubt.", schlug er vor. Ich schüttelte mit dem Kopf. „Nein, auf keinen Fall.", entgegnete ich mit einem strengen Blick.

Ich musste unbedingt mehr über meine eigene Familiengeschichte herausfinden. Schnell packte ich meine Sachen zusammen und machte mich auf den Weg nach draußen. „Hey warte, ich wollte dich nicht verletzten!", rief mir Herr Tanner hinterher. Ich schüttelte den Kopf. „Alles gut. Es ist nur..ich muss das jetzt erstmal verarbeiten.".

Verständnisvoll nickte er. „Falls du Hilfe brauchst, weißt du wo du mich findest".

Dankend lächelte ich ihn an.

Die ganze Bahnfahrt grübelte ich über Nanas Nachricht nach. Doch je mehr ich über die Bedeutung der Worte nachdachte, desto weniger schlau wurde ich aus der Sache. Ich musste wohl warten, bis meine Mutter nach Hause kam.

Nach zwanzig Minuten stand ich vor unserer Haustür. Schnell kramte ich meinen Schlüssel aus meinem Rucksack und schloss auf. Noch war niemand Zuhause. Meine Eltern waren auf der Arbeit. Beide arbeiteten in einem Immobilienbüro.

Ich betrat den dunklen Flur unseres Hauses. Alle Wände, bis auf ein paar, waren mit dunklem schickem Holz verkleidet. Im Kontrast dazu hatten wir im Wohnzimmer bodentiefe Fenster, die den Raum trotz des Holzes einen lichtdurchfluteten Eindruck verschafften.

Ich ging die Treppe hinauf in mein Zimmer. Von dort aus hatte ich den perfekten Blick auf den Wald, der einen Teil unseres Hauses umgab. Viele würden das vermutlich unglaublich gruselig finden, ich fand darin jedoch Entspannung. Ob lange Waldspaziergänge oder einfach nur die Aussicht genießen, mich beruhigte es.

Nachdem ich meine Zimmertür geschlossen hatte, warf ich meinen Rucksack auf mein Bett und setzte mich an meinem Schreibtisch. Mein Zimmer war weiß gestrichen und war somit der hellste Raum im ganzen Haus. Nun musste ich mehr über meine Urgroßmutter herausfinden. Ich klappte meinen Laptop auf und öffnete die Suchmaschine. Nachdem ich den Namen meiner Urgroßmutter erfolglos gegoogelt hatte, klappte ich ihn wieder zu. Das hatte keinen Sinn. Ich musste wohl warten, bis meine Mutter nach Hause kommen würde. Also ging ich in unser großes Wohnzimmer und beschäftigte mich stattdessen mit einer Hausaufgabe, einfach nur um mir etwas Ablenkung zu verschaffen.

Wer bin Ich?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt