Ich hörte wieder dieses Rauschen in meinen Ohren, als ob ich Unterwasser wäre. Genaugenommen fühlte ich mich plötzlich auch so. Als würde ich in einem tiefen Gewässer versinken, nicht mehr wissen, wo oben und unten ist … als hätte ich keinen Halt mehr, niemanden mehr, der mich retten könnte. Dass John verheiratet war, war die eine Sache, doch wie sollte er noch Zeit für mich haben, wenn erst einmal sein Kind auf der Welt war? Ich wusste, dass ich sehr schnell in Vergessenheit geraten würde, denn mit einem Baby hatte man alle Hände voll zu tun. Ich bekam keine Luft mehr. Meine Augen schwammen in salzigen Tränen. Ich musste meine Trauer verstecken, also lächelte ich Mary an.
„Das ist großartig!“, rief ich, während ich aufstand und geradewegs zur Tür lief.
„Aber wo wollen Sie denn jetzt hin?“, fragte sie, immer noch besorgt dreinschauend.
„Es ist schon ziemlich spät und ihr beide wollt bestimmt auf diese Neuigkeit anstoßen, ohne weiterhin von mir gestört zu werden!“, mein Kiefer tat vom falschen Grinsen schon weh, ich hatte fast Sorge, er würde sich ausrenken, wenn ich so weitermachte.
„Bleiben Sie doch noch auf ein Glas Sekt!“
„Wenn er gehen möchte, dann lass ihn gehen!“, mischte sich nun John ein. Mittlerweile war mir schon bewusst, dass er mich nicht hier haben wollte, aber anscheinend hatte er Spaß daran, es mir mit seinen Worten unter die Nase zu reiben.
Der Türgriff lag kalt in meiner Hand, als ich mich noch einmal zu ihnen umdrehte.
„Danke für den Kaffee“
Eilig stolperte ich die Treppen des Hauses hinunter und begab mich nach draußen. Nachdem John und Marys Wohnung angenehm geheizt war, überraschte mich die plötzliche Kälte, die mich nun umfing. Mein Gesicht prickelte, als ich die Augen schloss und mich gegen die Hauswand lehnte. Das alles war ganz und gar nicht nach Plan verlaufen. Es war schlimmer, als ich es mir nur hätte vorstellen können. Seufzend fummelte ich in der Tasche meines Mantels und zog ein Päckchen Zigaretten heraus, aus dem ich mir eilig eine nahm, sie in den Mund steckte und anzündete. Die Nacht war sternenklar und unter anderen Umständen hätte ich sie wohl genossen.
Gerade, als ich loslaufen wollte, hörte ich durch ein offenes Fenster Marys wütende Stimme. Ich wusste, dass es nicht richtig war, zu lauschen, aber andererseits war ich Sherlock Holmes – Leute waren nichts anderes von mir gewohnt, als schlechte Manieren an den Tag zu legen …
„John! War das denn wirklich nötig? Er, er ist dein bester Freund!“
„War! Er war mein bester Freund. Bevor er gestorben ist“
„Aber er ist doch am Leben! So oft hast du mir von ihm erzählt. So oft hast du nachts gebetet, dass er wieder zu dir zurück kommt. Und jetzt ist er hier und du behandelst ihn unmöglich!“
Ein leises Lächeln huschte über meine Lippen, als ich das hörte. Obwohl mir zum Weinen zumute war, fand ich ein wenig Trost in Marys Worten. John hatte gebetet, dass ich zurückkommen würde … Ich zuckte zusammen als das Fenster mit einem lauten Knall zugemacht wurde und ich John fluchen hörte. Kurz war es wieder still, dann redeten sie weiter, nur konnte ich durch das nun geschlossene Fenster nur noch dumpfe Konversationsfetzen erschließen.
„Wenn Hamish erst … auf der Welt ist, dann … schlechter Umgang!“, rief John empört. Ich konnte ihn mir bildlich vorstellen. So oft hatte er mich schon angeschrien, dass ich vor meinem inneren Auge genau sehen konnte, wie die Ader an seinem Hals heraustrat, was jedes Mal so aussah, als würde sie gleich platzen.
„Aber er wird doch … John ihr habt … lang zusammengelebt! Willst du … du kannst ihn doch nicht aus … Leben radieren! Sherlock ist … Freund!“, langsam aber sicher klang sie verzweifelt. Langsam aber sicher wurde mir die Situation zunehmendst unangenehm. Ich zog noch einmal an meiner Zigarette, dann lief ich los. Ich hörte nur noch Johns Antwort. Diesmal klarer als die anderen Sätze. So klar, dass sie mir noch den ganzen Abend im Kopf widerhallte.
„Ich wünschte, er wäre nie zurückgekommen. Ich wünschte … er wäre tot geblieben“
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Be Careful What You Wish For (Sherlock Short Story)
FanfictionZwei Jahre sind vergangen, seitdem Sherlock seinen vermeintlichen Selbstmord vollführt hat. Jetzt ist es an der Zeit, zurückzukommen. Zurück zu John. Dass sich dieser allerdings ein neues Leben, ohne seinen besten Freund, aufbauen könnte, hatte Sher...