Abschied

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Ich wollte, dass du das alles hörst. Ich wollte, dass du verstehst, warum ich es tun muss. Warum kein Weg daran vorbeiführt. Ich will, dass du weißt, wie kaputt ich bin. Dieses Mädchen, dass ich einst war; das, das deine beste Freundin war gibt es nicht mehr. Dies Mädchen, nein diese Seele ist schon lange tot. Ich, der Körper existiert noch. Aber ich weiß, dass du mich nicht verstehen würdest, selbst wenn ich es dir erkläre.

Die Menschen sind einfach zu sehr darauf fixiert, alles wieder gerade zu biegen. Aber wenn etwas mal zerbrochen ist, ist es gebrochen. Natürlich kann man es versuchen zu kleben, aber die Bruchstellen werden immer zu sehen sein. Die Narben werden bleiben und sie werden immer zeigen, dass nur ein einziger Schlag ausreicht, um alles wieder zu Bruch gehen zu lassen. Man kann mich nicht mehr hinbiegen, dafür habe ich zu viel erlebt.

Doch ich möchte, dass du meine Geschichte kennst. Ich möchte, dass du verstehst, warum ich so geworden bin. Denn du bist die erste und die letzte, der ich davon erzählen werde. Ich weiß noch genau, wie du mich damals angesehen hast. Den verzweifelten Blick in deinen Augen, als sich meine Freunde von mir abgewendet haben. Ich sehe noch genau die Treue in deinem Blick, als du zu mir zurückgekommen bist und bei mir bleiben wolltest. Und ich sehe noch genau den Schmerz in ihm aufblitzen, als ich dich ignoriert und mich weggedreht habe.

Ich wusste wie sehr ich dich verletzt habe und habe es trotzdem getan. Ich verdiene es nicht, dass du mir hinterher trauerst. Jetzt erst ist mir klargeworden, was ich getan habe. Ich habe dich, meine beste und treuste Freundin einfach stehen lassen. Dich, die immer für mich da war. Dich, zu der ich abends gerannt bin, wenn ich den Streit meiner Eltern nicht mehr ertragen habe. Dich, die mich immer, ohne zu fragen verteidigt hat. Genau dich habe ich so sehr verletzt. Und ich habe nichts daran geändert. Ich habe es nicht einmal bereut.

Ich habe nicht an dich gedacht und habe ich mit Drogen vollgepumpt. Ich habe keinen Gedanken daran verschwendet, wie es dir geht. Was du tust. Ob du jemanden gefunden hast, der dich verdient. Nicht einmal jetzt weiß ich, wie es dir geht. Ich weiß nicht einmal, ob du noch in der Stadt lebst. Ich weiß nicht, ob du dich überhaupt noch an mich erinnerst.

Ich tue es. Seit ich hier sitze, und ich weiß nicht, wie lange das schon ist, denke ich an unsere Zeit zurück. Ich denke an die Zeit, in der wir klein waren. In der wir alles zusammen getan haben und uns jedes Geheimnis anvertraut haben. Ich denke an die Zeit, in der alles noch gut war.

Doch diese Zeit kann ich nicht zurückholen. Diese Zeiten sind vorbei. Doch du sollst wissen, dass ich sie geliebt habe. Sie waren in der letzten Zeit das Einzige, was mich hat morgens aufstehen lassen. Ich will, dass du erfährst, was aus dem Mädchen, das dich so geliebt und trotzdem so verletzt hat, geworden ist. Ich bezweifele, dass das eine gute Idee ist. Es werden nur alte Wunden aufgerissen. Und trotzdem bringe ich es nicht übers Herz, es nicht zu tun. Vielleicht ist ein winziger Fetzen meiner Seele noch da. Und dieser Fetzen will, dass du weißt, dass du alles für es warst.

Ich will dich hiermit auf keinen Fall um Verzeihung bitten. Es gibt keine Entschuldigung für das alles. Ich bin egoistisch, weil ich jetzt, nach so vielen Jahren wieder auftauche und das alles hier in den Raum werfe. Doch so bin ich.

Übrigens tut mir die Überschrift leid. Doch das hier ist ein Abschied. Mein Abschied. Natürlich hätte ich es schöner formulieren können, aber dazu bleibt mir keine Zeit mehr.

Das hier ist nun unser endgültiger Abschied. Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals so etwas mache. Aber das ist es doch, was wir uns versprochen haben, oder? Ein Abschiedsbrief für den anderen. Als Kind hat sich das alles so leicht gesagt. Aber jetzt hier vor einem leeren Papier zu sitzen und drauf los zu schreiben ist unglaublich schwer. Aber ich habe es versprochen. Und wenigstens dieses Versprechen will ich halten.

Das hier wird das Letzte sein, was je jemand von mir hören wird. Und du sollst es hören. Obwohl es ja eigentlich Lesen ist. Mein Körper wird dem Mädchen folgen. Das hätte er schon lange tun sollen.

Aber ich bitte dich noch um eines, obwohl mir das nicht zusteht. Ich habe keine Bedingungen zu stellen. Und trotzdem tue ich es: Bitte führe ein glückliches Leben! Du bist der treuste Mensch, der mir je in meinem Leben begegnet ist. Finde jemanden, der dich glücklich macht, wenn du das nicht schon hast. Das Leben ist zu schade, um es einfach wegzuwerfen. Erfülle dir deine Träume und deine Kindheitswünsche. Die Welt steht dir offen und wartet nur auf dich.

Das ist mein neuer und letzter Traum. Dass du glücklich wirst. Und ich hoffe, dass sich wenigstens dieser Traum erfüllt.

Dieses Buch wird niemand außer dir finden. Und wenn du es nicht tust, wird eben nie jemand erfahren, was aus dem Mädchen von damals geworden ist. Das ist vielleicht die beste Lösung. Und trotzdem werde ich es dort hinlegen. In der Hoffnung, dass du es irgendwann einmal liest.

Mit diesen Worten verabschiede ich mich von allem und besonders von dir. Danke für alles was du mir gegeben hast. Vergiss nie, ich habe dich geliebt. Egal wie zerbrochen ich war, ich habe es getan. Und ich werde es immer tun. Leider kann ich dir nicht sagen, ob deine Theorien, wie es nach dem Tod weitergeht stimmen. Doch vielleicht besteht ja noch Hoffnung. Auch für eine so zerbrochene Seele wie meine.

Die Vögel drehen noch immer ihre Runden über meinem Kopf. Es kommt mir fast schon so vor, als würden es immer mehr werden. Sie gleiten lautlos dahin. Keiner von ihnen durchbricht die Stille, die auf diesem Ort liegt. Es scheint fast so, als würden sie spüren, was ich hier tue. Sie scheinen ein Gespür für Gefühle zu haben. Als würden sie magisch davon angezogen.

Broken SoulsWhere stories live. Discover now