Das Mädchen verschränkte ihre Arme und fing mit einem abfälligen Blick an, sich vorzustellen.
"Ich bin Camille Leroy, komme aus Frankreich und bin aber in diesem Land aufgewachsen, obwohl es da viel schöner ist. Ich wohne in der Villenstrasse und spiele Tennis, schwimme gerne und bin sehr offen. Ich finde schnell Freunde und komme mit vielen zurecht. Das ist so das Wichtigste. Ach ja, ich bin hierhergezogen, weil mein Vater eine Beförderung bekommen hat und hier arbeiten muss."
Beeindruckt nickte Herr Meier ihr zu. Er fand es immer sehr gut, wenn jemand selbstbewusst war. Ausser man antwortete ihm so wie ich ihm vorhin. Er mochte mich sowieso nicht, also konnte ich da auch nichts ändern.
Villenstrasse. Die Neue, ich korrigierte mich, Camille, wohnte in der Strasse der Reichen. Naja, so kam sie mir auch vor. Sie schaute uns wieder abfällig an und ging gemächlich zu ihrem Platz. Währenddessen lächelte sie den Jungs am anderen Ende des Zimmers zu. Was war das denn schon wieder für eine? Unsere Klasse war voll von solchen Mädchen.
"Puh, was ist das denn für eine?", sprach Giulia meine Gedanken aus. Immerhin verstand sie mich. Ich musste leicht lächeln und sah nachdenklich durch das Fenster hinaus.
Wenn Giulia mir wirklich so ähnlich war und gleich dachte, wie ich, wäre es ein wahres Geschenk für mich, dass sie hierhergezogen war. Dann würde ich vielleicht endlich eine richtige Freundin in der Schule haben.
Eine, mit der ich lachen konnte, ihr alles erzählen und vertrauen konnte, mit der ich alle Geheimnisse teilen konnte, und die auch über die Schule lästern wollte.
Ich hatte zwar schon eine beste Freundin, die immer für mich da war. Aber Amélie wohnte eine Stunde von mir entfernt. Deshalb telefonierten wir so oft, wie es ging und besuchten uns am Wochenende. Amélie war mir sehr wichtig und wir erzählten uns alles- von nervenden Jungs der Klasse, bis hin zu grossen Problemen.
Etwas Spezielles an unserer Freundschaft war, dass wir uns immer Briefe schrieben. Es gab nicht viele, die in der heutigen Zeit noch Briefe schrieben. Aber Amélie und ich hatten uns als Siebenjährige immer Briefe geschrieben, da wir dann auch kein Handy hatten.
Diese Art "Tradition" hatten wir bis jetzt aufrechterhalten und wollten wir auch, solange es noch ging. Amélie hatte ein grosses Talent, zu dekorieren und hübsch zu schreiben. Auch Zeichnen konnte sie sehr gut. Deshalb freute ich mich jedesmal wie ein kleiner Glückskäfer, wenn einer ihrer Briefe in unserem Briefkasten lag.
(Was für ein Vergleich haha)
In meiner Schulblade unter meinem Pult bewahrte ich viele ihrer Zeichnungen auf, die sie mir einmal geschenkt hatte. Besonders Tiere konnte sie sehr gut zeichnen, sodass sie beinahe echt aussahen.
Ein einziges Bild, das ich eingerahmt hatte, hing über meinem Schreibtisch. Eines, das sie an einem Tag gezeichnet hatte, als wir uns gerade gestritten hatten. Wir hatten uns dann eine Woche lang ignoriert. Länger hatten wir es nicht aushalten können.
Sie hatte uns beide gezeichnet, wie wir nebeneinander auf einem Hügel sassen und auf den Sonnenuntergang schauten. "Ich hoffe, dass du das Bild behalten wirst. Wir zwei werden für immer beste Freunde bleiben!", hatte sie gesagt, während sie mir das Bild überreichte.
Es war mir sehr wichtig. Genau wir Amélie.Ein lautes Klatschen riss mich aus meinen Gedanken. Ich schreckte auf und verschluckte mich gleich. Mein Lehrer hatte in die Hände geklatscht und da ich mal wieder nicht aufgepasst hatte, erschrak ich. Während ich einen Hustenanfall bekam, drehten alle Schüler in den vorderen Reihen sich zu mir um.
Ja sorry, kann ich was dafür, dass ich husten musste?"Hat jemand noch Fragen an Caleb?" Herr Meier lenkte die Aufmerksamkeit aller Schüler wieder auf sich. Ich hörte ein leises Kichern und Tuscheln von der der Ecke in der die Tussen sassen. "Der ist aber hübsch!" "Ja, den schnapp ich mir."
Ich runzelte die Stirn und drehte mich verwirrt in Richtung Herr Meier.Erst jetzt fiel mir der neben ihm stehende Junge auf. Stimmt, es waren ja drei Schüler. Zwei Mädchen und ein Junge. Anscheinend hatte er sich schon vorgestellt und ich hatte es verpasst.
Naja, eigentlich konnte es mir ja egal sein. Jungen beachteten mich sowieso nicht, die Mädchen in meiner Klasse mich auch überhaupt nicht. Trotzdem schaute ich den Neuen neugierig an. Es konnten ja nicht alle Menschen solche egoistischen, langweiligen Kreaturen sein, wie die in meiner Klasse.
Die Mädchen in der Ecke fingen wieder an, zu flüstern und zu kichern. Klar, die suchten immer jemanden. Nervte das die Jungs nicht? Anscheinend fanden Jungen es toll, wenn sie von irgendwelchen Mädchen angehimmelt und angelächelt wurden.
"Was sind so deine Hobbys?", fragte eine von ihnen mit viel zu hoher Stimme. Lisa. Sie lächelte übertrieben.
Der neue Junge legte seinen Kopf leicht schief. Wenn er sich jetzt fragte, warum sie das wissen wollte, dann tat er mir leid. Lisa und ihre Freundinnen hatten ihn im Visier. Armer Caleb.
Er antwortete zögerlich: "Ich spiele Basketball, bin gern draussen und..." Er stockte kurz und sagte dann: "Ja, das war alles."
Lisa drehte sich kurz zu einer Freundin und flüsterte ihr zu: "Irgendwas verheimlicht er." Sie nickte nur.
Auch mir war es aufgefallen. Er wollte etwas sagen, liess es dann aber sein. Vielleicht war ihm ein Hobby peinlich?
Egal, so wichtig war das nicht.Herr Meier zeigte auf einen Platz am Pult vor mir. "Du kannst dich neben Jonathan setzen."
Jonathan war unser Klassenstreber. Die anderen mochten ihn nicht, aber ich kam ganz gut mit ihm klar. Er sass fast immer allein. Wie ich. Warum ich nicht neben ihm sass? Ich hatte manchmal gern meine Ruhe und eine hochintelligenten Jungen neben mir zu haben, der jede Mathe-Aufgabe löste, als wäre es das Einmaleins, war mir manchmal ein bisschen zu viel.
Aber eigentlich war er sehr nett und wollte immer helfen. Das war schon sehr praktisch. Hausaufgaben abschreiben ging immer.
Caleb setzte sich auf den Platz genau vor mir und lächelte Jonathan zu. Dieser lächelte zurück und sie gaben sich einen Handschlag. Dann war ihre Begrüssung auch schon zu Ende.
"So, jetzt nehmt eure Mathematik-Hefter hervor. Schlagt die Seite 11 auf und löst die Aufgaben 3 und 4.", meinte mein Lehrer und sah uns durch seine Brille vorwurfsvoll an.
Ich seufzte laut und machte mich an die Aufgaben. Wurzelberechnen, Multiplizieren, Geschwindigkeit berechnen... Puh, was für ein schöner Morgen.
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Butterfly
Teen FictionManchmal gibt es einen Augenblick, der das ganze Leben auf den Kopf kehrt. Diesen Moment kann man nicht immer vorhersehen und alles kann sich verändern. Zum Guten? Kann es nur besser werden? Das fragt sich auch Rose, um die es in diesem Buch geht...