Will war verzweifelt gewesen. So verzweifelt.
Seine kleine Schwester war krank, seit Wochen. Sie lag in ihrem Bett, so blass wie das Laken und schweißgebadet.
Jede Nacht, wenn er versuchte, einzuschlafen, hörte er ihr Husten durch die dünne Wand. Dieses Husten war es, was ihn stundenlang wach hielt.
Sie wussten, was sie hatte.
Es war eine Krankheit, die seit fünfzig Jahren immer öfters auftrat. Es lag an der Luft. Die Fabriken filterten die Abgase nicht richtig, und die Chemikalien stiegen hoch, und in die Lungen der Menschen.
Besonders Kinder, Alte und Kranke waren betroffen.
Es gab Medizin dagegen, aber sie war teuer.
Viel zu teuer. 750 Dinare im Monat. Für rund 25 Jahre, dann war sie zu 80% geheilt, und höher ging es nicht. Das wären 225 000 Dinare.
Seit Wochen schwänzte Will die Schule, um auf der Straße zu arbeiten.
Aber was auch immer er mit nach Hause brachte, es war zu wenig.
Er hatte schon über alles nachgedacht, aber es gab nicht Vieles, mit dem man so viel Geld heranschaffen konnte.
Stehlen, Drogen und Prostitution.
Und selbst das würde nicht reichen. Eine Sache könnte aber klappen.
Seit einer Woche stand er jetzt schon vor Carissima, dem Pfandhaus, im Schatten und kaute auf seinen Fingernägeln herum. Es war eine Chance, genug Geld für die Medizin zu bekommen.
Das Gebäude war eher eine Lagerhalle als ein Laden, fast fünf Meter hoch und 20 Meter breit, es war ein Gebäudeblock an sich.
Will seufzte und schloss seine Augen für einen Moment. Dann atmete er tief durch, und ging auf die Tür zu.
Die Glocke klingelte als er eintrat, und er war überrascht, zu sehen, wie klein der eigentliche Laden war. Es war ein schmales Zimmer, vollkommen leer, abgesehen von der Theke am Ende.
Dort saß ein Mann mit weißen Haaren und einem alterlosen Gesicht. Er könnte 50 oder 80 sein, Will wusste es nicht, und es interessierte ihn auch nicht. Als er auf ihn zuging zitterten seine Beine.
„Guten Tag," brachte er hervor. Der Mann lächelte wie ein Android.
„Guten Tag. Kaufen oder Verpfänden?", fragte er ausdruckslos. Sein Blick war auf etwas über Wills Kopf gerichtet.
„Verpfänden. Mich selbst," sagte er. Nichts veränderte sich in der Mimik des Mannes.
„Ah. Dann müssen wir erst in den Wertraum. Dort wird eine meiner Spezialisten sie... nun. Bewerten. Haben sie eine Idee für den Zeitraum?"
Der Blonde schluckte schwer. Kalter Schweiß legte sich auf seine Stirn, und die Haare auf seinen Armen stellten sich auf.
„Nein, ich -" er hielt inne.
Seine Familie war arm. Zu arm. Sie würden ihn nie freikaufen können.
„Unbefristet. Aber- Aber erst ab morgen. Wäre das möglich?"
Der Mann sah ihn an.
„Darüber können wir nach der Werteinschätzung sprechen. Bitte gehen sie durch die Tür zu ihrer Rechten, dann den Gang entlang die zweite Tür rechts. Während sie da sind benötige ich ihre Papiere."
Will gab dem Mann sein Portemonnaie. Sein Personalausweis, Führerschein, Rabattkarten im Supermarkt. Er würde nichts davon mehr brauchen nach diesem Tag.
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Verpfändet
FanfictionIn einer Welt, wo Menschen sich selbst für Geld verpfänden müssen, greift Will zu dieser verzweifelten Methode, als seine kleine Schwester krank wird. Als er als Geschenk für den Sohn eines Geschäftsmannes gekauft wird, muss er versuchen, in einer...