Als Will aufwachte, war Nico schon weg. Wenn auch nicht weit.
Er saß an seinem Schreibtisch, in Jogginghose und weißem T-Shirt.
Über seinen Schultern lag ein nasses Handtuch, das den hellen Stoff an seinem Rücken durchsichtig machte.
„Endlich aufgewacht?", fragte er ohne sich umzudrehen.
Will nickte und setzte sich langsam auf. Er stöhnte und rieb sich einen Muskel an seiner Schulter. Er hatte nicht gerade die erholsamste Nacht seines Lebens hinter sich.
„Kater?"
„Rückenschmerzen."
„Ah."
Sie blieben stumm, und Nico malte weiter. Nach einer Weile stand Will komplett auf und sah über die Schulter des Jüngeren.
Er hatte das oft getan, hundert Male.
Doch zum ersten Mal zuckte Nico zurück, als er ihn hinter sich spürte.
„Tut mir leid," entschuldigte sich Will, wenn er auch nicht wusste, weshalb.
Nico murmelte etwas unverständliches, doch seiner Tonlage zufolge war es ein einfaches ‚Kein Problem'. ‚Nicht schlimm'. ‚Schon okay'.
Vollkommen unverbindlich.
Will zögerte und sah ihn an.
„Nico...?"
„Hm?"
„Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte er und streckte die Hand nach seiner Schulter aus.
„Gestern... Es ging dir nicht so gut." Als seine Finger das T-Shirt des Anderen berührten zuckte dieser wieder zusammmen, diesmal so stark, dass er das Glas, gefüllt mit dem dreckigen Wasser für seien Pinsel, umwarf.
„Ich- Gestern tut mir leid," sagte er und sah Will zum ersten Mal an.
Seine Augen waren glasig und noch immer gerötet.
„Mir geht es gerade nicht so gut. Ich denke, heute bleibe ich lieber alleine."
„Oh," sagte Will, die Hand, die Nico berührt hatte, an seine eigene Brust gedrückt, als wäre sie verletzt. „Oh. Okay."
Er ging ein paar Schritte zurück.
„Dann gehe ich jetzt besser."
Will schlich in sein Zimmer und setzte sich dort aufs Bett. Er dachte nach.
Nico hatte sich noch nie so verhalten.
Es war zwar schon vorgekommen, dass er Will aus seinem Zimmer geschickt hatte, aber noch nie so.
Nie so höflich, ohne fliegende Gegenstände, und nie, ohne ihn anzusehen.
Etwas war anders.
Er verbrachte den ganzen Tag in seinem Zimmer. Zuerst schlief er, dann badete er, dann las er. Als die Nacht kam war er so erschöpft und ausgeruht wie noch nie.
Am nächsten Tag schickte Nico ihn wieder weg.
Er war dabei höflich, und er sah ihn nicht an.
Diesen Tag verbrachte er mit Reyna und Frank. Aber es war anders diesmal.
Sonst war es nahezu eine Erleichterung, einen Tag ohne den Jungen zu verbringen, doch es waren jetzt schon mehrere Tage.
Auf sie folgten die erste Woche, und dann die zweite.
Will hatte Nico in all der Zeit kaum gesehen, er klopfte nur jeden Morgen an die Tür, und wartete auf die Antwort, die jeden Morgen kam.
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Verpfändet
FanfictionIn einer Welt, wo Menschen sich selbst für Geld verpfänden müssen, greift Will zu dieser verzweifelten Methode, als seine kleine Schwester krank wird. Als er als Geschenk für den Sohn eines Geschäftsmannes gekauft wird, muss er versuchen, in einer...