Kapitel 1 - Der Hehler - Teil 2

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Ganze drei Atemzüge lang dauerte es, bevor mein Verstand diese Worte verarbeitet hatte.

Natürlich hatte ich immer gewusst, dass Cade alles andere als ein Unschuldslamm war, aber dass nun von Einbrüchen die Rede war, schockierte mich. Ich suchte seinen Blick, doch er schaute noch immer auf seine Füße.

»Du begehst Einbrüche?«, fragte ich tonlos.

Cade ergriff mich am Oberarm, fletschte die Zähne und zog mich ein paar Schritte rückwärts. »Lass ihn da raus, Hehler!«

Der Mann zog die Brauen hoch. »Der Junge hat bereits zugestimmt. Das heißt, es besteht eine Abmachung zwischen ihm und mir. Dir, Cade, bleibt nur noch die Wahl, ob du ihm helfen wirst oder nicht.«

»Ich brauche Ares aber nicht für den Einbruch. Ich kann das alleine machen!«

»Wie gesagt, die Abmachung zwischen deinem Freund und mir ist gültig, so oder so. Und sicherlich wird Ares nicht so dumm sein, sie zu brechen. Er will die Stadt ja unversehrt verlassen, nicht wahr?«

Mir wurde übel, als mir aufging, dass ich einen großen Fehler begangen hatte.

Der Hehler trat wieder an uns heran. Ein herbes, rauchiges Aroma umgab ihn und ich unterdrückte den Drang, zu husten. Er musterte mich mit schwachem Interesse. »Hast du denn schon einmal gestohlen?«

Ich lief rot an, schwieg aber, denn ich konnte nicht wissen, ob die Antwort mich in Schwierigkeiten bringen würde oder nicht.

»Er hat Brot gestohlen«, ächzte Cade. »Und Handschuhe und Seife. Sonst nichts!«

»Das reicht vollkommen, damit er sich ein Bild davon machen kann, was ihn erwartet«, sagte der Mann. Er legte seine Hände auf die Oberschenkel und beugte sich leicht zu mir herunter. »Die Villa, in die du einbrechen wirst, befindet sich im oberen Viertel der Stadt. Also dort, wo die Adligen leben. Du erkennst sie an den blauen Ziegeln. Zwar steht das Haus bis zum Abend leer, aber die Straßen werden patrouilliert. Besonders heute zur Zählung. Das heißt, du wirst sehr vorsichtig sein müssen. Verstehst du das?«

Auf was hatte ich mich bloß eingelassen?

Cade lachte humorlos. »Das soll wohl ein Witz sein, Hehler! Oder willst du etwa, dass man uns entdeckt?«

Der Mann richtete sich wieder auf und wandte seinen Kopf zu ihm. »Ich bewundere dich für deine Kühnheit, Cade. Nicht wenige Male habe ich dir deswegen Dinge durchgehen lassen, für die andere mit ihrem Leben bezahlen mussten, aber gerade überspannst du meine Geduld.«

Cade ließ sich dadurch nicht einschüchtern. »Dann gib mir einen Grund, warum du willst, dass er dabei ist. Dir kann es doch egal sein, wie und mit wem ich die Arbeit erledige.«

»Sieh es als deine Strafe dafür an, dich vor mir versteckt zu haben«, sagte der Hehler eisig. »Außerdem könnt ihr zu zweit mehr tragen. Das vergrößert den Ertrag für mich und damit auch für euch.«

Eine Weile starrten sie sich an, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Ich sah zwischen den beiden umher, wagte aber nicht, das Schweigen zu brechen. Es kam mir vor, als fochten sie einen stummen Kampf miteinander aus, den Cade schließlich verlor, als er seinen Blick auf den Boden senkte.

Der Hehler lächelte zufrieden. »Es wird eine Menge zu stehlen geben, und ich werde euch reichlich belohnen. Für jeden Wertgegenstand, den ihr mir holt, gibt es einen Aufschlag. Das ist doch genau die Chance, um die du mich immer gebeten hast, oder nicht?«

Cade rührte sich nicht. Nicht einmal dann, als der Hehler seine Hand ausstreckte und seine Wange tätschelte. Er biss bloß sichtlich die Zähne zusammen.

Der Halbe Schwur [Leseprobe]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt