Licht

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''Sie wird nicht zurück können, oder?'', fragte ich leise, als wir nebeneinander zurück gingen. Zwar beobachtete ich die fallenden Blätter der noch grünen Bäume, aber ich konnte sie aus meinem Augenwinkel kurz zusammenfahren sehen.

''Nein, wird sie nicht. Das können sie nie.''

Ich wusste, warum sie gelogen hatte und es war auch ziemlich einleuchtend. Hätte sie die Wahrheit gesagt, wäre Anja nie mitgekommen. Doch ich fragte es trotzdem und direkt nachdem ich den Satz beendet hatte tat es mir leid. Ich hätte es sofort zurückgenommen, wenn ich gekonnt hätte, als ich ihren Ausdruck gesehen hatte:

''Warum hast du gelogen?''

Es lies mein Herz sinken. Noch nie zuvor hatten ihre smaragdfarbenen Augen so voller Leid geglänzt. Das kühle Glitzern in ihren Augen wurde durch die Abendsonne in ein helles Orange getränkt, als ob das Licht der Sonne das Grün ihrer Augen brennen lassen würde.

''Weil es notwendig war.

Warum habe ich es alleine auf mich genommen, all dem ein Ende zu setzen? Weil es notwendig war."

War es das wirklich? Sie hatte uns vor der Kraft gewarnt, die dieser Fluch in sich hatte und Konoha hatte es am eigenen Leib erfahren, allerdings waren jetzt alle Nationen, nach diesem Krieg, auf Frieden aus. Keiner würde diese Kraft nutzen, um andere Nationen zu schwächen oder zu zerstören.

Weil Menschen immer einen Weg finden, eine Sache zu ihrem Vorteil und zum Leid anderer zu nutzen - zu einer Waffe. Aber war es dann wirklich richtig den einsamen Helden zu spielen? Die Last, die daraus entsteht...

"Warum habe ich euch fast gar nichts über mich und die Mission erzählt? Weil es notwendig war."

Wir werden fast komplett im Dunkeln gelassen. Aber bei einer Mission mit so großem Ausmaß musstn wir wissen, mit was wir es genau zu tun hatten. Yamato und ich wussten beide, dass sie uns nicht voll und ganz vertraute, und das ließ sie uns des Öfteren spüren. Aber unsere Fragen waren berechtigt. Und es schien Arisu nur umso zwielichtiger darstehen, obwohl ein Teil tief in mir sie einfach nur umarmen wollte und nie wieder loslassen wollte.

"War-''

''Warum versteckst du dich vor uns?'' Ich habe mich selbst dabei ertappt, wie sich meinen Kopf zu ihr gedreht hatte und die Frage von mir gab. Mir kamen die Situationen aus Konoha in den Kopf, wie Guy uns dazu gebracht hatte zu kämpfen, wie wir auf dem Friedhof standen und geredet hatten und wie wir uns auf dem Rückweg zu mir unterhalten hatten. Sie baute eine Wand vor sich auf und versuchte sich dahinter zu verstecken. Ich wusste nicht wieso, aber tief in meinem Inneren hatte ich ein so großes Verlangen, diese Wand einfach nieder zu reißen.

Alles, was sie entgegnete, war ein leises ''Kakashi, tu das nicht.'' mit gesengtem Kopf.

Ich fühlte, wie sich etwas in mir auf tat. Ein Protest. War das hier richtig?

''Arisu, wir sind ein Team. Wir müssen uns vertrauen können. Wir können dir nur soweit helfen, wie du uns lässt. Eventuell können wir dich nicht richtig beschützen, nicht richtig unsere Aufgabe erfüllen, wenn du uns nicht klar sagst, was du jetzt vor hast.''

''Kakashi so einfach ist das nicht!'', protestierte nun sie verzweifelt und schüttelte ihren Kopf leicht, als wir weiter gingen. Ihre roten Haare flogen wie loderndes Feuer im Wind.

"Doch, du machst es dir nur schwer!" Die Wörter kamen wie ein Deja Vu aus meinem Mund. Ich führte dieses Gespräch nicht zum ersten Mal mit ihr und bei dem Gedanken fand sich das Stechen in meiner Brust wieder. Es war  so leicht, dass ich es bis jetzt nicht bemerkt hatte. Doch mit jedem Wort, das wir sprachen, wurde es stärker. Aber ich konnte nicht aufhören. Ihre eisige Miene hatte sich gelockert. Ich musste weitermachen.

''Du hast doch keine Ahnung, wovon du überhaupt sprichst, Kakashi!" Die Welt um uns herum wurde langsamer und mein Kopf fing mit jedem Stich mehr an zu pochen.

"Dann sag es mir Arisu! Sag mir was los ist!" Mein Kopf rebellierte und es war fast so, als würde es dunkler werden.

"Ich kann nicht, warum willst du das denn nicht verstehen?!" Sie schaute mich mit ihren runden, grünen Augen flehend an. Waren das Tränen in den Lidern ihrer Augen?

Dann brach das pulsierende Stechen aus. Ein Schleier aus Licht umantelte uns beide, als ich ihre Arme griff und tief in ihre Augen sah.

"Weil ich nicht will, dass du diese Wand zwischen uns aufbaust."

Erst jetzt bemerkte ich das Leuchten um uns herum aktiv. Es war, als ob mit diesen Worten ein Stück einer schweren Last von mir abgefallen war. Lange Fäden von gelben Licht umkreisten uns wie neugierige Glühwürmchen.

Das Leuchten glitt durch unsere Körper hindurch wie ein frischer Wind. Aus der Ferne konnte ich das Prasseln von Regen hören und der Geruch von nasser Erde stieg in meine Nase. Gerade als ich versuchte, mich dorthin zu lenken, verschwand das Licht.

Ich schaute hoch und merkte, dass ich auf dem Boden kniete. Vor mir ging Arisu, mit dem Kind im Arm, in Richtung des Friedhofes.

"Was... was war...", fragte ich mich selbst. Erst jetzt bemerkte ich, dass nun meine Stimme wieder meine eigene war und um einiges älter klang als zuvor.

Verwirrt schüttelte ich meinen Kopf und stand auf. Als ich neben ihr angekommen war fasste ich meine Gedanken noch einmal und fragte möglichst ruhig: "Arisu, was war das gerade eben?"

Doch ich erhielt für den Rest des Weges keine Antwort. So oft ich sie auch fragte oder sie versuchte zum reden zu bringen, ihr Blick war leer und nach vorne gerichtet. Sie zuckte lediglich, wenn ich ihren Namen nannte. In mir kam wieder dieser Frust hoch und das Stechen war ein kleinwenig schwächer.

Unter den Wolken [GER]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt