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Hanbin schrie. Die ganze Klinik schien zu beben, als er schrie, die ganze Welt schien ihn zu hören, als er schrie. Er hörte erst auf, als seine Stimmbänder sich anfühlten, als würden sie zerreißen.

Rin war gelaufen, weiter und schneller als sie je gelaufen war. Doch irgendwann war ihr Körper so erschöpft, so am zerreißen, dass sie über ihre eigenen Füße stolperte und unsanft auf dem Boden landete. Ihr Körper hielt sie davon ab, aufzustehen, ihre Lunge brannte und ihre Beine krampften. Nach ein paar Minuten fand sie die Kraft aufzustehen und unsicher voran zu taumeln. Rin sah nur verschwommen, sie weinte noch immer. Wieso musste ihr Leben denn immer wieder zerstört werden, wieso musste denn immer auf ihrem Scherbenhaufen herum getreten werden? Sie ging weiter, rennen konnte sie nicht mehr, denn ihre Knie schmerzten, sie hatte sie sich aufgeschlagen. Ganz genau wusste sie nicht, wohin sie lief, doch irgendwann befand sie sich am Rand einer Autobahn und fühlte sich wie in Trance. Ihr Atem ging erstaunlich ruhig und unglaublich viele Gedanken schwirrten durch ihren Kopf. Sie dachte an ihre verstorbene Mutter, sie dachte an ihren Vater. Er kümmerte sich mit Sicherheit einen Dreck darum, wo Rin die letzten Monate abgeblieben war. Dann dachte sie an Hanbin. Ihr Herz fühlte sich an, als würde es zerreißen, bei jedem Gedanken an ihn. Tränen füllten erneut ihre Augen. Ihm war es mit Sicherheit auch egal, was mit Rin passierte. Sie begann zu gehen, befand sich plötzlich mitten auf der Straße, drehte ihren Kopf zu einem auf sie zu rasenden Scheinwerfer und dann fühlte sie nur noch Schmerz und dann Dunkelheit.

Hanbin hatte geschrien und jetzt weinte er. Er weinte, weil er wusste, dass es irgendwo seine Schuld war, weil er sie geliebt hatte, weil sie alles war, was wichtig für ihn gewesen war, was ihm einen Lebenssinn gegeben hatte. Nur leider hatte er das zu spät realisiert, zu spät bemerkt, dass die junge Frau, die er im Park aufgegabelt hatte, die Welt für ihn gewesen war.
Aber für eine Sache war er ihr dankbar. Als sie in der Klinik vor der OP ansprechbar gewesen war, hatte sie gesagt, dass man Kim Hanbin anrufen solle. Man hatte es gemacht und er war da gewesen, nur zu spät um ihr noch einmal in die Augen zu sehen und ihr noch ein letztes Mal ‚Ich liebe dich' zu sagen. Auch wenn diese Worte vielleicht ihre Bedeutung verloren hatten. Dann war sie im OP gewesen, man hatte Hanbin von Anfang an gesagt, dass es kaum Hoffnung für sie gäbe. Nur hatte er Hoffnung gehabt und war enttäuscht worden.
Und jetzt? Jetzt fühlte er nur noch leere in seinem Herzen, hasste sich, dass er nicht hinterher gelaufen war, vermisste sie, liebte sie. Nicht würde jemals diese Lücke, die Song Rin hinterlassen hatte, schließen können.

breath | kim hanbin ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt