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Zora

»Wie ist das passiert?«, fragt mich Isaac, während er eine Kühlkompresse auf mein Knie legt. Ich zucke leicht zusammen, als ich die Kälte spüre.

»Ich bin über meinen eigenen Fuß gestolpert.« Ich weiß selber nicht genau, warum ich lüge. Was ich aber mit Sicherheit sagen kann, ist, dass Caterina eine Menge Ärger bekommen würde, wenn man herausfindet, dass sie mich eigentlich umgestossen hat. Und obwohl sie das verdient hätte, will ich sie nicht verraten. Und ich weiss, dass sie mir dafür die Hölle heissmachen würde. Und dazu sage ich nur: Nein danke.

»Und jetzt bitte die Wahrheit.« Ich hebe meinen Kopf ein bisschen und im selben Augenblick schließt dieser Typ, der mir geholfen hat aufzustehen, hinter sich die Türe.

Warum um Himmels willen weiß er, dass ich gelogen habe?

»Ich habe nicht gelogen.«, versichere ich ihm. Er muss gut geraten haben, meine letzten paar Jahre wurde ich praktisch geschult, wie man richtig lügt. Ich beobachte ihn, wie er mit lässigen Schritten auf den Stuhl gegenüber der Liege zugeht, die Tasche neben sich stellt und sich hinsetzt. Er sitzt mir jetzt mit verschränkten Armen gegenüber.

»Doch hast du. Und jetzt bitte wirklich die Wahrheit.«

»Ich wurde geschubst«, sage ich, in der Hoffnung er würde mich nicht verstehen. Doch natürlich wurde meine Hoffnung wieder zunichte gemacht.

»Wer hat dich geschubst, Zora? Rede mal Klartext. Ich will dir nicht alles aus der Nase ziehen.« Die Tatsache, dass er meinen Namen weiß, ignoriere ich jetzt einfach und liefere ihm die ausführliche Antwort. Und zwar mit dem gleichen gereizten Ton. Warum er mich auf einmal so anfaucht weiss ich nicht, aber was er kann, kann ich wahrscheinlich schon lange.

»Wir mussten mit unserem Zimmergenosse - in meinem Fall Caterina - eine Zweierübung durchführen. Als wir gemeinsam vorwärts übersetzen mussten, hat sie mich ausversehen mit ihrer Schulter gerammt und mir den Fuss gestellt. Da verlor ich das Gleichgewicht und bin gestolpert, dabei habe ich mein Knie wohl irgendwie verdreht oder so. Schlussendlich bin ich gegen die Trennwand geprallt. Reicht das?«, gebe ich zurück.

»Und ob das reicht. Das wird definitiv ein Nachspiel für Caterina geben.« Und genau das wollte ich vermeiden. Jetzt wird sie nämlich wieder überall herumposaunen, dass ich gelogen und irgendeine Geschichte erfunden habe, nur um mich bei ihr zu rächen. Auf das hätte ich wirklich verzichten können. Er rieb sich mit den Händen kurz über das Gesicht, liess den Kopf in den Nacken fallen und schloss die Augen. Dabei atmet er einmal tief durch, so als müsst er sich beruhigen. Ich würde nur zu gern wissen, was in ihm gerade vorgeht. Meine Gedanken wurden aber abrupt unterbrochen, als er plötzlich aufsteht und sich zu Isaac gesellt.

»Wie schlimm ist eigentlich die Verletzung?« Ich blicke zu Isaac und warte auf seine Antwort. Obwohl ich immer noch nicht vor allen tanzen möchte, will ich nicht, dass ich die ganze Zeit auf der Bank sitzen muss. Da ich nun mal das Eiskunstlaufen liebe, glaube ich, ich könnte es nicht ertragen, nur draussen sitzen zu können, während ich den anderen zusehen muss wie sie sich auf dem Eis austoben.

»Ich vermute, dein Knie ist ein wenig geschwollen und blau angelaufen, weil dein Knie direkt auf dem Eis aufgekracht ist, du hast aber trotzdem eine leichte innere Verstauchung. Ich würde sagen, für heute ist Schluss mit dem Trainieren und morgen kommst du kurz zur Kontrolle. Mit großer Wahrscheinlichkeit wirst du morgen wieder auf dem Eis stehen können.«

Ein glückliches Ausatmen konnte ich mir nicht verkneifen. Daraufhin lachen die beiden Jungs.

Danach fängt Isaac mit Nathan ein Gespräch an, wobei ich schnell merke, dass sich die zwei schon ein bisschen länger kennen. Da ich so oder so nicht verstehe, über was sie reden, lasse ich mir das Knie mit einem Verband verbinden und warte ab, bis wir wieder gehen können. Schließlich hat Nathan heute die wunderschöne Aufgabe, mein Babysitter zu spielen. Weil Jacob wieder zurück zur Eishalle musste, hat er gesagt, dass Nathan für mich sorgen wird, weil er anscheinend kein Trainer ist und man brauche ihn nicht dringend in der Eishalle.

»So, fertig«, höre ich Isaac endlich sagen. Ich nicke dankend und setze mich auf. Er wendet sich an Nathan und sagt mit einem Zwinkern: »Pass auf, dass sie sich für heute schont und das Bein immer wieder auf Herzhöhe lagert, damit sie morgen wieder fit ist.«

Daraufhin erfüllt Nathans Lachen den Raum. Er hat wirklich ein schönes Lachen. Ein tiefes, aber man merkt, dass es von Herzen kommt.

Um diese Gedanken loszuwerden, stehe ich vorsichtig auf und humple zum freien Stuhl, um mich darauf zu setzen. Ich öffne den Reißverschluss meiner Tasche und fische meinen linken Turnschuh heraus. Als ich gerade dabei bin, die Schnürsenkel zuzubinden, merke ich, dass sich Nathan neben mich stellt, den Reißverschluss der Tasche wieder zuzieht und sie dann in die Hand nimmt. Nachdem ich fertig mit zuschnüren bin, stehe ich auch wieder auf.

»Können wir?«, fragt Nathan an mich gewandt. Ich nicke lächelnd. Während die zwei Jungs einen Handschlag austauschen, gehe ich mit einem «Danke» an Isaac bereits hinaus, damit ich einen kleinen Vorsprung habe. Weit komme ich aber nicht, denn plötzlich steht Nathan vor mir und sieht mich kopfschüttelnd an.

»Du denkst doch nicht ernsthaft, dass ich dich nach Hause laufen lasse.« Er lacht kurz auf und fischt aus seiner Hosentasche einen Autoschlüssel heraus, den er mir dann schwenkend vor das Gesicht hält. Als mir bewusst wird, wie bescheuert das aussehen muss, schlage ich lachend seine Hand beiseite.

Da ich mit Jacob vorher hierhin gefahren bin, weiß ich, wo das Auto steht. Und zwar genau in der entgegengesetzten Richtung, in die ich gelaufen bin. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er das Auto hier stehen lässt und zu Fuß wieder zurückgeht.

»Ich sehe schon an deinem Gesicht, dass du keine Lust hast wieder zurückzulaufen, also gehe ich schnell den Wagen holen. Nicht weglaufen«, sagt er und zwinkert mir zu.

»Ha, ha. « Ich würde ja auch soooo weit kommen.

Ohne noch einen Kommentar abzugeben, dreht sich Nathan um und läuft zum Wagen. Kaum eine Minute später sitze ich wieder auf dem Beifahrersitz.

»Du weißt hoffentlich, dass du jetzt den ganzen Nachmittag mein Babysitter spielen darfst, oder?«

»Ist ja eine Qual«, antwortet er lachend und blickt kurz zu mir hinüber.

Die Vorstellung ist wundervoll, aber noch wundervoller ist das Erlebnis.

- Oscar Wilde

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 07, 2020 ⏰

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