,,Sie sagten, sie haben den Abend vorher mit ihr verbracht?", sagte sie und rückte ihre Brille zurecht. ,,Und die halbe Nacht", ergänzte ich.
Sie schrieb sich jedes einzelne Wort auf, dass ich sagte. Ich hatte das Gefühl nichts tun zu können ohne, dass sie es aufschrieb. ,,Kann ich kurz raus?", fragte ich sie.
Sie seufzte und zog die viel zu große Brille von ihrer Nase. Ihre Augen fixierten mich, doch schnell senkte sie resigniert ihren Blick. Sie wusste, dass sie nichts aus mir rausbekommen würde. Zumindest nicht heute.
,,Sie können gehen, wann sie wollen, Mr. Evans. Das hier ist nur eine Befragung, kein Verhör." Ich nickte und stand auf. Die Decke, die sie mir vorher gereicht hatte, legte ich ordentlich auf den Tisch zwischen uns. Ihr Blick folgte mir bis zum Ausgang des Raumes.
,,Mr. Evans, ihnen sollten bewusstwerden, dass es hier um einen Mordfall geht. Das ist eine ernstzunehmende Sache. Auch wenn es ihnen schwer fällt, dass ihre Freundin darin verwickelt ist, müssen sie stark bleiben. Wenn nicht für sie, dann für sich selbst. Ich hoffe ich habe mich klar ausgedrückt?"
Es war zwar mehr wie eine Frage, aber ich wollte jetzt erstmal gar nichts beantworten. Ich schloss kurz die Augen und öffnete die Tür.
Dann ging ich raus. Es war wie in einen dieser schrecklichen Filmen, über die Bonnie und ich immer lachten. Nur das, dass hier Realität war. Mir war schlecht und schwindelig und ich hätte nichts lieber gewollt, als sie jetzt zu sehen. Oder zu hören.
Mein Handy steckte tief in meiner Lederjacke und als ich danach griff, fiel der ungeöffnete Brief zu Boden. Ich blieb stehen und starrte den Brief an. Vielleicht will ich ihn nicht lesen. Vielleicht will ich nicht wissen, was sie mir sagen wollte.
Und dann passierte es einfach. Ehe ich mich versah tippte ich die auswendiggelernte Nummer auf das Tastenfeld ein. Es piepte. Das nervige Piepen schien weit weg zu sein und sich immer mehr entfernen zu wollen. Nach dem fünften Piepen nahm jemand ab. ,,Bonnie?"
Hoffnung machte sich breit. Mein Herz schlug heftig gegen meine Brust und mein Blut rauschte in meinen Ohren.
Es war nur ein Wort.
,, Darcy?"
10 Stunden vor dem Eintreffen
,,Mh...blond. Dunkelblonde Haare sind wunderschön...", murmelte Bonnie gedankenverloren vor sich hin, während ihre schmalen Finger durch meine Haare fuhren. Völlig konzentriert beobachtete ich sie. Jede Bewegung, die sie durchführte, jedes Wort, das aus ihrer Mund kam. Ich beobachtete, wie sie sich Zeit nahm jedes einzelne Haar zu berühren und mich immer mehr in ihren Bann zog.
Sie war wie eine giftige Kobra, die einen hypnotisierte und verzauberte, bis sie ihre Beute völlig unter Kontrolle hatte und verspeiste. Nur das Bonnie mir nichts antun würde.
Ich musste schmunzeln von ihrer Art, von ihrer Faszination über meine Haare, einfach über sie. Sie wirkte auch müde, verträumt, entspannt, vielleicht ein wenig sorgloser als vorher. Ihre Augen waren leicht verschlossen.
,,Ich wusste ja gar nicht, dass du ohne deine Milch einschlafen kannst." Sie zog etwas fester an meinen Haaren und ließ mich auf zischen. Wegen ihrem Versuch mir weh zu tun, musste ich lachen und sie stimmte mit ein.
Ich griff jetzt auch in ihren Haaren und streichelte sie. Ihr gefiel es, denn sie seufzte auf und ließ mich machen.
,,Ich liebe dich", sagte ich plötzlich. Meine Finger immer noch in ihren Haaren, mein Blick auf ihren Lippen. Nervös wartend auf ihre Antwort.
Sie fuhr wieder durch meine Haare, nahm sich Zeit, biss sich auf ihrer Lippen. Es kam mir wie Ewigkeiten vor, als sie mir antwortete.
,,Ich liebe dich", sagte sie und zog diesmal sanft an den blonden Strähnen. ,,Ich liebe dich so sehr, du Idiot."
Ich zog sie noch ein Stück näher zu mir, sodass kein Blatt mehr zwischen uns passen würde. Ich atmete noch einmal ihren Duft ein und brachte sie zum Kichern. Danach löste ich mich von ihr. Der Verlust der plötzlich Wärmequelle zog leicht im Magen.
Plötzlich musste ich schmunzeln. Darüber, wie kitschig ich geworden war. Wie verliebt. Es war seltsam und anders. Schön und seltsam und anders.
,,Wo willst du hin?" Mit ihren dunklen Augen verfolgte sie jede meiner Bewegung. Ich deutete auf mein altes Teleskop. ,,Wollen wir uns nicht den Himmel ansehen?"
Sie grinste breit. Wer hätte gedacht, dass mich eines Tages ein einfaches Grinsen so verrückt machen würde?
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A couple of lies - Niemand ist der, der er zu sein scheint
Mystery / ThrillerBonnie und Darcy. So war das schon immer. Ein eingespieltes Team. Bis Bonnie aus Darcys Leben verschwindet. Nicht mit 164 Kugeln in einem Ford V8 oder einem Clyde. Nur mit einem blutbefleckten und unvollendeten Brief und einem tief klaffendes Loch...