„Verschwinde!", zischte ich mit so schneidender Stimme, dass ich sogar selbst zusammenfuhr. Meine Augen zuckten unruhig hin und her, stets in Erwartung, mein Gegenüber könnte mich mit einer einzigen Bewegung töten, wenn ich nicht schnell genug reagierte. Die Feuermagie brodelte unter meiner Handfläche, löste ein vertrautes Gefühl aus und wartete nur darauf, endlich zum Einsatz zu kommen. Ich dagegen hoffte, dass es so weit gar nicht kommen musste – selbst wenn diese Hoffnung das Dümmste und zugleich Letzte war, was mir blieb.
Doch der Verturer lachte nur und breitete die Arme aus, als wollte er mich umarmen. „Darf ich meine Freunde etwa nicht besuchen?", fragte er mit scheinbar gekränktem Gesichtsausdruck und tat wie persönlich betroffen.
Ich stieß ein bitteres Lachen aus, während ich die winzigen Flammen, die aus meinen angespannten Handflächen zu Boden schossen, versuchte zu ignorieren. „Wir sind keine Freunde, Diaz." Ich spuckte seinen Nachnamen beinahe aus.
„Das haben Lou und du vor einigen Jahren aber anders gesehen", erwiderte mein Gegenüber, bevor er kicherte, als hätte er zu viel getrunken. Und obwohl er unbefangen wirkte, schwang ein unüberhörbarer bitterernster Unterton in seiner Stimme mit.
Doch nicht der Tonfall war es, der mich zusammenzucken und für einen Moment die Fassung verlieren ließ. Plötzlich nach Luft ringend grub ich meine Fingernägel in die Handflächen. Er wusste, wo meine Schwachpunkte lagen, wie er sie gezielt ansprach, wann er den Nagel auf den Kopf traf. „Lass Lou aus dem Spiel. Und nenn ihn nie wieder so!", platzte ich scharf und trotzig wie ein Kleinkind heraus, ohne nachzudenken und ballte gleich darauf die Hände zu Fäusten. Meine Niederlage schien greifbar, bevor ich überhaupt gehandelt hatte. Verärgert presste ich die Lippen aufeinander. Ich durfte mir verflucht noch einmal keinen Fehler erlauben! Nicht den winzigsten, nicht eine falsche Bewegung!
Der Verturer mir gegenüber wusste, dass der Triumph auf seiner Seite war, dass mir Lous kalter, verachtender Blick näher ging, als ich je zugeben würde. Es war meine Schuld; ich hatte unsere Freundschaft unwiderruflich zerstört und er wusste das. Mehr als jeder andere.
„Du darfst es ruhig zugeben, mein Freund, wir sind doch hier ganz unter uns." Er sprach so sanft, dass mir schlecht wurde und meine Feuermagie drohte, aus mir auszubrechen wie bei einer Explosion. „Wäre ich nicht ich und du nicht von so vielen schrecklichen Schuldgefühlen geplagt, wäre ich schon lange nicht mehr hier!", redete mein Gegenüber im Plauderton weiter, hob abwägend die Hände und ließ sie wieder fallen, „Von alleine gehe ich nicht, ich habe hier ein wichtiges Treffen mit ..."
„Verschwinde, Diaz!", unterbrach ich ihn heftig, aber dennoch gefasster, als ich es erwartet hatte. Der Versuch, sein Gerede auszublenden und mich auf meine aufzugeben drohende Selbstbeherrschung zu konzentrieren, war geglückt: Die Kugel aus lodernden Flammen, die sich während des Monologs geformt hatten, verfehlte den Verturer nur knapp und hinterließ einen schwarzen Fleck an der Wand. Die darauf folgende, wesentlich größere Kugel ließ sogar ihn zusammenzucken, während ihm sein Reflex auszuweichen das Leben rettete.
Ohne mich darum zu kümmern, trat ich mit erhobener Hand, auf der sich eine weitere Flamme bildete, einen Schritt näher. Meine Fassung war zurückgekehrt und ich musste und würde sie ausnutzen, solange sie mir erhalten blieb. „Solltest du nicht von alleine gehen, muss ich leider nachhelfen und handeln und das könnte hässlich werden", klärte ich meinen Gegenüber ruhig und beherrscht auf und legte dabei provokativ den Kopf zur Seite, wie ich es von ihm gelernt hatte, „Ich lasse nicht zu, dass du die Sicherheit der Elementaria gefährdest."
Hatte ich während der letzten Sekunden, in denen der Verturer plötzliche Unsicherheit zeigte, noch einen leichten, winzigen Triumph gewinnen können, war der Moment jetzt vorbei. Im Gegenteil: Er kicherte. „Ehrlich? Komm schon, das ist doch lächerlich", kommentierte er in einem Tonfall, als hätte ich den Witz des Jahrhunderts gerissen, „Alte Freunde greift man nicht an. Zumal du nicht einmal den Hauch einer Chance hast." Sein amüsierter Blick wanderte vielsagend zu meiner Hand und wieder zurück zu mir. Doch der winzige Anflug von Zweifeln in seinen Augen entging mir nicht, auch wenn ich mir ihren Ursprung nicht erklären konnte.
Denn er hatte recht. Ohne meinen Ring hatte ich keine Chance gegen einen Verturer, das wusste ich genauso gut wie er. Ich wusste auch, dass er im Gegensatz zu mir keine Hemmungen haben würde, einen alten Freund zu verletzen oder gar zu töten. Weil es für mich echt gewesen war. Ich wusste, dass ich verlieren würde, dass ich sterben würde. Doch ich wusste ebenfalls, dass ich nicht aufgeben würde. Und er wusste das auch.
„Als hättest du nicht jahrelang auf genau diesen Moment gewartet", erwiderte ich ohne die Angst und Gewissheit zu sterben in meiner Stimme, die sich schneller in mir ausbreiteten als irgendein anderes Gefühl es je getan hatte.
Dannschleuderte mich der erste grelle Blitz nach hinten.
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Gefrorenes Feuer - Gabe der Elemente (Leseprobe)
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