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Die Töne von dem Lied „Jingle Bells" schallen mit voller Lautstärke aus meinem Radio, während ich mindestens genauso laut mitsinge und dabei beobachte, wie die Plätzchen im Ofen langsam an Farbe gewinnen. Heute ist Heilig Abend, weswegen ich wie jedes Jahr Plätzchen backe. Meine Eltern können dieses Jahr leider nicht dieser Tradition nachgehen, weil sie beide im Krankenhaus als Ärzte bei einem Notfall gebraucht werden. Etwas traurig bin bin ich schon, dass sie heute nicht da sind. Schließlich haben wir Heilig Abend, solange ich denken kann, noch nie getrennt verbracht und das sind immerhin ganze 17 Jahre. Dies hält mich jedoch nicht davon ab, die Tradition fortzuführen, weswegen ich jetzt meinen Blick nicht von den Plätzchen abwenden kann. Dabei weiche ich nicht von der Stelle, während ich ungeduldig auf die Plätzchen warte.

Das laute Klingeln meiner Haustür weckt mich aus dieser Starre, wobei ich verwundert zur Tür gehe, um sie zu öffnen. Eigentlich erwarte ich heute keinen Besuch mehr, weswegen ich vergeblich nachdenke, wer das sein könnte. Als ich zu keinem Ergebnis komme, beschließe ich einfach aufzumachen und mich überraschen zu lassen, wer die Person ist.

Somit reiße ich die Tür mit Schwung auf, nur um dem verschreckten Blick eines mir unbekannten Jungen zu begegnen, welcher sich jedoch schnell wieder fängt. Er ist nur ein kleines Stückchen größer als ich, was mit meinen 1,53m nicht schwer zu übertrumpfen ist und echt klein für einen Jungen ist. Dabei sieht er so aus, als ob er ungefähr in meinem Alter ist, höchstens zwei oder drei Jahre älter als ich. Er hat unfassbar schöne, braune Augen, welche mich neugierig betrachten. Seine vollen Lippen haben ein kleines Lächeln gebildet, bei dem ich dahinschmelzen könnte. Verwuschelte, braune Haare schauen unter einer dunkelgrünen Zipfelmütze hervor, an der ein kleines Glöckchen befestigt ist, welches golden schimmert. Unauffällig wandert mein Blick an seinem ebenso grünem Hemd vorbei, bis ich ungläubig eine rot-weiß gestreifte Strumpfhose betrachte. Sprachlos stelle ich fest, dass es sich um ein Elfenkostüm handelt und gebe mir die größte Mühe, jetzt nicht laut loszulachen.

„Hallo", meint der Junge zögerlich und schaut mich dabei prüfend an. „Ist dir in der letzten halben Stunde vielleicht etwas Merkwürdiges aufgefallen?", fährt der Elf höflich fort.

„Abgesehen davon, dass hier ein fremder Junge in einem Elfenkostüm vor meiner Tür steht, nein", meine ich ironisch, woraufhin der Elf seine braunen Augen verdreht. Ich neige dazu, in Situationen, die ich nicht ganz verstehe, ironisch zu werden.

„Entschuldige, mein Name lautet Lemuel", stellt er sich vor. Ich setze zum Sprechen an, werde jedoch von Lemuel daran gehindert, indem er einfach weiterredet. „Du musst dich nicht vorstellen", fügt er hastig hinzu. „Ich weiß ganz genau, wer du bist, Alea", lautet seine Erklärung dazu, als er meinen fragenden Blick sieht. Woher weiß er, wie ich heiße? Und was meint er damit? Hat er mich etwa gestalkt? Angst macht sich in mir breit, was man mir auch sicherlich ansieht.

„Woher kennst du meinen Namen?", frage ich deshalb panisch nach. „Bist du ein Stalker?", schiebe ich hinterher und halte die Tür bereit, um sie im Notfall jeden Moment zuschlagen zu können.

„Keine Sorge." Lemuel schaut mich amüsiert an. „Ich weiß, wie alle Menschen auf der ganzen Welt heißen und kenne jeden einzelnen Wunsch, den sie je hatten. Schließlich bin ich nicht um sonst einer der besten Elfen vom Weihnachtsmann", verkündet er stolz. Das ist der Zeitpunkt, an dem ich verstehe, dass das alles nur ein dummer Scherz ist und beginne lauthals zu lachen aufgrund der Tatsache, dass ich wirklich fast darauf hereingefallen wäre, was der Elf anscheinend überhaupt nicht nachvollziehen kann.

„Was ist so lustig?", fragt Lemuel sichtbar verwirrt nach.

„Natürlich die Tatsache, dass du mir weismachen willst, dass du für den Weihnachtsmann arbeitest", erkläre ich ihm immer noch lachend.

„Ach, du bist eine Infidele!", stellt er fest und klatscht dabei einmal laut in die Hände.

„Ich bin eine was?", frage nun ich vollkommen verwirrt nach.

„Eine Infidele! Eine Ungläubige! Du glaubst nicht an die Magie des Weihnachtsmanns!", ruft er aus und schaut mich dabei etwas enttäuscht an. Bedrückt blickt er mich nun an, wobei mir etwas unwohl wird. Schließlich springt er fröhlich auf, weswegen ich mich nun frage, ob er irgendwelche Stimmungsschwankungen hat.

„Ich beweise dir einfach, dass ich ein Elf bin", teilt er mir seine Idee mit leuchtenden Augen mit. Er beginnt, in seiner kleinen Umhängetasche, die mir bis jetzt überhaupt nicht aufgefallen ist, zu kramen und sucht anscheinend etwas. Währenddessen streiche ich mir eine dunkelblonde Strähne aus dem Gesicht, welche sich aus meinem unordentlichen Dutt gelöst hat. Als er die Sache gefunden hat, holt er stolz eine blonde Barbie Puppe aus der Tasche, übergibt sie mir freudig und schaut mich schließlich erwartungsvoll an. Verwirrt nehme ich sie entgegen und verstehe nicht, was ich jetzt mit der Puppe machen soll.

„Und?", fragt mich Lemuel und deutet strahlend auf die Puppe. Als er sieht, dass ich immer noch nichts mit der Puppe anzufangen weiß, hilft er mir netterweise auf die Sprünge.

„Die Puppe hast du dir zu deinem 7. Weihnachtsfest gewünscht." Jetzt wo er es sagt, kommt mir die Puppe schon etwas bekannt vor. Jedoch wünscht sich mittlerweile fast jedes kleines Mädchen eine Puppe, weshalb ich schätze, dass er gerade einfach nur Glück beim Raten hat.

„Du sagtest vorhin, dass du jeden einzelnen Wunsch von jeder Person auf der Welt kennst. Was wünsche ich mir denn momentan?" Siegessicher schaue ich den Elf nun an. Hier kann er nur falsch liegen, weil ich mir gar nichts wünsche. Jedenfalls nichts Materielles.

„Das ist einfach", lautet die Antwort von Lemuel. „Du wünscht dir jemanden, der dich wirklich liebt und nicht jemanden wie deinen Ex."

Erstaunt sehe ich ihn nun an. Das ist der Zeitpunkt, an dem ich nun offiziell wieder an den Weihnachtsmann glaube. Diesmal ist es Lemuel, der mich siegessicher angrinst. Ich hingegen erwidere nichts darauf und schaue ihn stumm an. Langsam schweife ich mit den Gedanken zu meinem Ex, weshalb sich meine Laune deutlich verschlechtert. Es ist schon ein Jahr her seit er mich betrogen hat, jedoch schmerzt der Gedanke an ihn immer noch.

Lemuel merkt dies und versucht mich wieder von ihm abzulenken. „Und dir ist wirklich nichts Merkwürdiges aufgefallen?", hakt Lemuel deswegen noch einmal nach.

„Nein, was sollte mir den aufgefallen sein?", frage ich skeptisch nach.

Ein Elf zu Weihnachten ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt