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Lemuel blickt verlegen nach unten und fängt an, mit seinen Fingern zu spielen.

„Ist hier vielleicht ein Rentier vorbeigekommen?"

„Was?", frage ich nicht sehr intelligent nach, nur um zu wissen, ob mir meine Ohren gerade einen Streich gespielt haben.

„Ein Rentier. Du weißt schon, das Tier mit dem Geweih", erklärt er mir und bildet dazu mit seinen Händen ein Geweih an seinem Kopf, was urkomisch aussieht. Grinsend verneine ich, indem ich meinen Kopf schüttle. „Ich habe Donner im anliegenden Wald zuletzt gesehen", meint Lemuel seufzend und deutet dabei etwas deprimiert Richtung Wald, welchen man gut von hier aus sehen kann.

„Dazu werden Rentiere von dem Geruch von Plätzchen angezogen. Vor allem Donner kann da nicht widerstehen. Ich war mir so sicher, dass ich ihn hier finden würde."

Lemuel sieht wirklich niedergeschlagen aus, weswegen ich beschließe, ihm bei der Suche zu helfen.

„Apropos Plätzchen. Findest du nicht, dass es ein bisschen verbrannt riecht?", fragt Lemuel auf einmal und kräuselt dabei seine Nase, woraufhin ich ohne eine Wort zu sagen schnell in die Küche renne, nur um verkohlte Plätzchen aus dem Ofen zu holen. Wieso passiert sowas immer mir?

Rauch und eine unangenehme Hitze steigen mir gleichzeitig entgegen, weswegen ich husten muss und reflexartig mit einem Küchentuch herumwedle, um den Rauch zu vertreiben. Nun habe ich verkohlte Plätzchen in Form von kleinen Männchen vor mir liegen, wodurch ich frustriert ausatme.

Lemuel ist nachgekommen und schaut mir amüsiert dabei zu, wie ich verzweifelt versuche, ein paar Plätzchen zu retten. Genervt schaue ich ihn an, um ihm zu zeigen, dass das hier alles andere als amüsant ist.

Lemuel jedoch beachtet dies nicht, grinst weiter und schnipst einmal mit seinen Fingern. Was hat das jetzt gebracht?

Als ich mich umdrehe, um die verkohlten Plätzchen wegzuschmeißen, halte ich inne und schaue verdutzt auf die Plätzchen. Viele dekorierte Männchen schauen mir fröhlich entgegen. Von dem Gestank und dem Rauch ist auch nichts mehr zu finden, welche durch den süßlichen Geruch der Plätzchen ersetzt wurden.

„Danke", murmele ich leise und ziehe mir meinen weinroten Mantel an. Anschließend schnappe ich mir meine Schlüssel und die Plätzchen. Lemuel hingegen versteht nicht, was ich vorhabe und schaut mich fragend an. Ein gutes Gefühl, mal nicht die Ahnungslose zu sein.

„Kommst du? Wir gehen jetzt Donner suchen!"

Der schimmernde Schnee knirscht bei jedem unserer Schritte, die wir auf dem von der Sonne glitzernden Boden machen. Feine Schneeflocken bannen sich einen Weg nach unten und bedecken die vielen Bäume. Trotz meines Mantels spüre ich deutlich die Kälte, die man auch an den sichtbaren Nebelschwaden beim Atmen deutlich ausmachen kann.

Wir laufen schon ein ganzes Stückchen durch den Wald und Donner ist immer noch nicht aufgetaucht. Die Anzahl der Plätzchen, die wir für Donner mitgenommen haben, hat sich mittlerweile auch schon halbiert, weil wir ihnen einfach nicht widerstehen konnten.

Die Sonne ist schon dabei unterzugehen, was im Winter nicht allzu spät passiert. Jedoch bringt uns dies nicht von unserem Vorhaben ab, sondern treibt uns nur noch weiter an, Donner so schnell wie möglich zu finden.

„Mit deinem roten Mantel könntest du Santa höchstpersönlich Konkurrenz machen", meint Lemuel nach einer Weile grinsend, was mir wiederum auch ein ehrliches Lächeln ins Gesicht zaubert.

„Und du könntest mit deinem grünen Outfit einer Tanne Konkurrenz machen", kontere ich und deute dabei amüsiert auf sein Elfenoutfit.

„Jedoch bist du viel süßer als eine Tanne", schiebe ich gedanklich hinterher. Alleine bei diesem Gedanken werde ich bedauerlicherweise rot und wende schnell meinen Blick ab.

Während wir weiter durch den Wald laufen, erzählt mir Lemuel viel über die Werkstatt vom Weihnachtsmann wie beispielsweise, dass Rudolf schon längst in Rente gegangen ist und seine Tochter Felicite seinen Platz übernommen hat.

Nach einer Weile beschließen wir eine kurze Pause zu machen und setzen uns auf einen umgefallenen Baumstamm.

„Elfen können sich nur einmal im ganzen Leben verlieben", meint Lemuel plötzlich ganz ernst und schaut mir dabei tief in meine blauen Augen. Fragend schaue ich ihn an, woraufhin er weiterredet.

„Jeder Elf hat eine Seelenverwandte." Lemuel stoppt kurz und greift nach meiner kalten Hand, welche sich sofort aufwärmt, sodass ein unangenehmes Kribbeln zu spüren ist. Dieses wird jedoch durch ein angenehmes Kribbeln ersetzt, als Lemuel sanft mit seinem Finger über meinen Handrücken streicht. „Ein Leben ohne seinen Seelenverwandten ist zwar möglich, doch aufgrund der Tatsache, dass sich ein Elf nur ein einziges Mal verlieben kann, wirkt das Leben ohne Liebe trist und trostlos."

„Warum erzählst du mir das alles?", frage ich Lemuel leise, obwohl ich schon eine gewisse Vorahnung habe.

„Ich sehe an deinem Blick, dass du es weißt", meint Lemuel nervös und muss dabei deutlich schlucken. „Sag du es mir, Alea."

„Du hast deine Seelenverwandte gefunden", beginne ich Lemuel meine Theorie mitzuteilen, welcher zustimmend nickt. „Und du möchtest, dass ich dir dabei helfe, dass sie sich in dich verliebt", stelle ich fest und grinse ihn dabei schief an, obwohl ich seine Seelenverwandte merkwürdigerweise jetzt schon am Liebsten umbringen würde. Lemuels Gesichtsausdrücke entgleisen, wahrscheinlich, weil er nicht gedacht hatte, dass alles so offensichtlich ist. „Aber mach dir keine Sorgen", fahre ich unbeirrt fort und zwinkere ihm dabei zu. „Ich helfe dir natürlich, ihr Herz zu erobern."

„Also eigentlich", setzt Lemuel zögernd zum Sprechen an, unterbricht sich dabei aber selber und denkt kurz nach. „Ja, du hast recht."

„Ich persönlich würde auf jeden Fall die Weihnachtszeit ausnutzen, schließlich bist du ja ein Elf", erkläre ich dem verliebten Elfen neben mir, während ich mal wieder auf sein Outfit deute und mir gedanklich schon einen Plan ausdenke, Lemuel mit dem geheimnisvollen Mädchen zu verkuppeln.

„Wie wäre es, wenn ich sie unter einem Mistelzweig küssen würde?", unterbricht Lemuel meine Überlegungen und rückt dabei ein Stückchen näher zu mir.

„Ja, das wäre toll", stimme ich Lemuel leise, fast schon flüsternd, zu, während ich förmlich in seinen braunen Augen versinke. Wenn man genau hinschaut, sind goldene Sprenkel in der Iris zu erkennen, welche mich etwas an Lametta erinnern. Unbewusst rücke ich noch näher zu ihm, während ich den Duft seines Aftershaves förmlich inhaliere. Obwohl ich ganz genau weiß, dass Lemuel in jemand anderen verliebt ist, habe ich nun das große Verlangen, einfach meine Lippen auf seine zu pressen. Mittlerweile spüre ich schon seinen Atem auf meiner Haut, welcher noch den süßlichen Geruch der Plätzchen, die wir vorhin gegessen haben, an sich trägt.

Anscheinend habe jetzt nicht nur ich dieses Verlangen in mir, weswegen Lemuel letztendlich den bleibenden Abstand zwischen uns schließt, indem er vorsichtig seine Lippen auf meine legt. Die Umgebung habe ich mittlerweile ausgeblendet, sodass ich nur noch seine weichen Lippen, die etwas nach Zimt von den Plätzchen schmecken, auf meinen spüre. Meine Hände wandern automatisch zu seinen weichen Haaren, um sich in ihnen zu vergraben, wobei seine grüne Zipfelmütze auf den Boden neben uns fällt und seine Frisur komplett verwuschelt wird. Da uns langsam die Luft zum Atmen ausgeht, lösen wir uns keuchend voneinander und grinsen uns glücklich an.

Als Lemuel nach oben deutet, bleibt mein Blick an einer Mistel hängen, weswegen mein Herz gefühlt einen Marathon läuft.

„Alea, du bist meine Seelenverwandte und ich möchte dir deinen Weihnachtswunsch erfüllen."

Ein Elf zu Weihnachten ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt