Felix

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Ich war unglaublich genervt. Das konnte Erika doch nicht ernst meinen. Jetzt musste ich extra in die Stadt fahren, nur um Ava ihr Geburtstagsgeschenk vorbeizubringen. Wenn es nach mir ginge hätte es auch gereicht, wenn ich sie angerufen hätte und es ihr einfach am Montag nach der Schule vorbeigebracht hätte. Die zwei Tage hätten jetzt wirklich nichts ausgemacht. Schließlich war heute Freitag und ich hatte Fußballtrainig. Aber nein. Erika wollte, dass sie es heute bekam. Manchmal benahm sie sich als wäre sie wirklich unsere Oma. Ich hatte keine Ahnung, was in dem Umschlag war, wegen dem ich jetzt unterwegs war, aber was sollte ich schon machen. Ich war schon dankbar genug, dass Erika uns seit einiger Zeit unterstützte. Da konnte ich ihr zumindest diesen Gefallen tun. Ich lenkte den Wagen auf den Parkplatz vor Avas Kostümverleih und Schneiderei. Sie war schon fast dreißig, besser gesagt wurde sie heute 29, und passte manchmal am Wochenende auf die Kleinen auf. Ich sprang aus dem Wagen und steuerte auf den Eingang zu. Da wurde die Tür auch schon aufgerissen und Ava sprang heraus. Ich fing sie auf und umarmte sie fest. Ich mochte meine Cousine wirklich aber sie benahm sich wie ein Teenager. Sie war fast zwei Köpfe kleiner als ich und ziemlich hübsch, leider redete sie aber unglaublich viel. „Felix! Das ist ja eine Überraschung! Was machst du denn hier? Es hätte auch gereicht, wenn du angerufen hättest“, brach der erste Redeschwall über mich herein.
 „Das habe ich auch gesagt aber Erika wollte unbedingt, dass ich vorbeifahre und dir dein Geschenk bringe“, unterbrach ich sie lachend.                                                                                   Sie quietschte. „Geschenk? Ich bekomme ein Geschenk? Ach, sie ist so lieb! Nick hat mir heute Morgen nicht mal Blumen geschenkt“, gespielt beleidigt schob sie die Unterlippe vor. „Ich meine, ich habe ihm zwar gesagt, dass ich nichts will, aber das habe ich ja nicht ernst gemeint.“ Da versteh mal einer die Frauen. Wenn jemand zu mir sagen würde, er wolle nichts geschenkt bekommen, würde ich ihm auch nichts schenken, aber das war in der Frauenwelt anscheinend anders. Ich nahm mir vor ihrem Freund gleich noch eine SMS zu schreiben, er solle ihr auf dem Heimweg noch einen Blumenstrauß kaufen. Der Arme würde sich besser nicht Avas Zorn aussetzten. Sie konnte nämlich so wütend sein, wie sie fröhlich war. „Naja jedenfalls hast du ja ein Geschenk, was prima ist“, brabbelte Ava weiter und sah mich auffordernd an. Schnell streckte ich die Hand mit dem lila Umschlag, auf dem Erika in schnörkligen Buchstaben Avas Namen geschrieben hatte, aus und hielt ihn ihr hin. Ihr armer Freund hatte es nicht leicht mit ihr. Gott sei Dank hörte sie auf zu reden und riss das Papier auf. Heraus zog sie die Geburtstagskarte, auf der wir anscheinend alle unterschrieben hatten und ein weiteres Blatt, von dem ich nicht wusste, worum es sich handelte. Schon komisch, dass sich eine Frau, mit der wir nicht einmal verwandt waren, um das Geschenk für meine Cousine kümmerte.                                                                                  „Eis!“, aufgeregt hielt Ava mir das mysteriöse Blatt Papier unter die Nase. Es war tatsächlich ein Gutschein für die Eisdiele am Stadtplatz gleich hier um die Ecke.      „Weißt du was?!“, Avas Augen leuchteten. „Ich sperr den Laden zu und wir gehen den da“, sie zeigte auf den Gutschein in ihren Händen, „gleich einlösen! Wir zwei haben uns schon ewig nicht mehr unterhalten“. Aufgeregt drehte sie das Schild an der Ladentür um und sperrte ab. Genervt verdrehte ich hinter ihrem Rücken die Augen. Das konnte ja ein langer Nachmittag werden. Sie legte den Schlüssel unter den Blumentopf auf dem Fensterbrett, was kein besonders sicheres Versteck war, worauf ich sie aber nicht hinwies, da ich wusste, dass Ava unglaublich verplant war und sie den Schlüssel an einem anderen Platz nie wiederfinden würde. Dann hakte sie sich bei mir ein und zog mich die Straße hinunter. Wiederspruch war zwecklos, das wusste ich aus Erfahrung. Außerdem hatte es durchaus seine Vorteile mit Ava unterwegs zu sein. Da sie so jung wirkte, würde ich nicht von irgendwelchen Kellnerinnen angebaggert werden, was mir immer tierisch auf die Nerven ging. Und meine Cousine redete für zwei, was bedeutete, dass ich nichts außer an den richtigen Stellen zu nicken tun brauchte. Ich wollte mir gerade zur Beruhigung eine Zigarette anzünden aber Ava schlug sie mir sofort aus den Händen und sah mich böse an. Sie war wirklich nur für kurze Zeit erträglich. Langsam schweiften meine Gedanken ab. Während wir den kurzen Fußmarsch hinter uns brachten, musst ich plötzlich an ein Paar strahlend grüner Augen denken. Miras Augen. Sie brachte mich total aus dem Konzept. Was gar nicht gut war. Das konnte ich jetzt nicht gebrauchen. Ich musste mich ganz auf die Schule und auf meine Geschwister konzentrieren. Inzwischen hatten wir die Eisdiele erreicht und suchten einen freien Tisch. Ava plapperte immer noch und ich lies mich seufzend auf einen Stuhl sinken. Sofort richtete sie sich auf und hörte auf zu reden. „Was ist los? Du hörst mir schon die ganze Zeit nicht zu! Wer ist es?“, neugierig zog sie eine Augenbraue nach oben. Das war das schlechte an meiner Cousine. Sie merkte immer sofort was los war.                                                  „Wer ist wer?“, fragte ich leicht genervt zurück. Ich hatte keine Lust mich mit ihr über mein Liebesleben zu unterhalten. Erstens ging es sie nichts an und zweitens war ich kein Weichei.                                                                                                                                        „Du weißt genau was ich meine. Also, welches Mädchen hat dir den Kopf verdreht?“, formulierte sie ihre Frage neu.                                                                                                    „Eines mit wilden Locken und den schönsten grünen Augen, die ich je gesehen habe“, antwortete ich wiederwillig. Scheiße, jetzt klang ich ja doch wie ein Weichei.                       Aber Ava schien das nicht zu stören, denn sie hatte schon die nächste Frage parat. „Das ist mir zu ungenau. Hast du ein Foto von ihr?“ Ich hatte tatsächlich eines. Andi hatte es mir mit einem vielsagenden Grinsen neulich nach dem Fußballtraining weitergeleitet. Ich hatte mich vor kurzem dazu entschlossen zumindest einer meiner Leidenschaften nachzugehen und war auf Andis Vorschlag hin dem Fußballteam der Schule beigetreten, das ziemlich erfolgreich sein musste. Trotzdem schüttelte ich den Kopf. Aber das kaufte Ava mir natürlich nicht ab. Sie beugte sich über den Tisch und fischte mein Handy mit einer flinken Handbewegung aus meiner Hosentasche, bevor ich mich wehren konnte. Blöderweise kannte sie meinen Pinn, 1234 war auch nicht sonderlich kreativ, und entsperrte so mühelos mein Handy. Wieso konnte sie sich so etwas merken, aber nicht mal wo sie ihre Schlüssel aufbewahrte? Ich konnte sehen, wie sie mit konzentriertem Blick meine Fotos durchforstete und sich eine immer steilere Falte auf ihrer Stirn bildete. Bis sich ihre Mine plötzlich aufhellte. „Ich glaube ich habe es gefunden!“, triumphierend hielt sie mir das Handy unter die Nase. Es war ein Bild von Mira auf ihrer letzten Klassenfahrt nach Rom, wie Andi mir erzählt hatte. Sie stand vor einer Mauer, hinter der ein See glitzerte und strahlte in die Kamera. Auf dem Bild waren ihre Haare nicht gestylt, sondern einfach ihre natürlichen zerzausten Locken, weshalb mir das Bild besonders gefiel. Außerdem brachte die untergehende Sonne ihre Augen zum Leuchten. Ich wünschte ich wäre in diesem Moment dabei gewesen.                                                   „Wenn du jetzt anfängst zu sabbern oder so was, hau ich dir eine rein“, scherzte Ava und riss mich damit aus meinen Gedanken an Mira.                                                                Ich starrte sie böse an, aber sie meinte nur schulterzuckend: „Ich kann durchaus verstehen was du an ihr findest. Sie ist wirklich hübsch. Wenn sie auch noch nett ist, was sie aber auf dem Foto ausstrahlt, dann ist doch alles wunderbar. Also wenn ich ein Kerl wäre, würde ich sie vielleicht einmal einladen oder…“, so ging es noch ewig weiter. Sie zählte die Vor- und Nachteile einer Beziehung auf und sagte etwas über Dinge, über die ich nicht weiter nachdachte.         
Irgendwann schaltete ich ab und aß gedankenverloren mein Eis, als mich eine SMS erreichte, dass ich zu einem Filmeabend bei Sophie eingeladen war. Sofort schlug mein Herz schneller, da es sofort realisiert hatte, dass ich Mira wiedersehen würde. Gott ich war ein solches Weichei geworden, seit ich sie kannte. Aber Ava hatte recht. Ich sollte sie wirklich nach einem Date fragen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 26, 2019 ⏰

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Only your heart ~ Mira und FelixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt