Nineteen

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~ 'Hinter der Elbe New York' - Revolverheld ~

JOHN

„Gibt es Neuigkeiten?", fragte Lou aufgeregt, als Dr. Thompson das Zimmer betrat, und sprang so plötzlich von ihrem Stuhl auf, dass er nach hinten sprang und gegen meinen krachte. Doch ich konnte ihre Aufregung verstehen. Denn ich lernte langsam, was es hieß eine Mutter zu haben. Wenn ich Eve doch nur endlich kennenlernen könnte...

„Wir reduzieren langsam die Menge des Schlafmittels. Die Operation war erst gestern Abend, ich denke sie wird frühestens in zwei oder drei Tagen aufwachen. Soweit ist aber alles unverändert", erklärte Dr. Thompson. „Das ist ein gutes Zeichen! Auch das Röntgenbild von gestern Abend sah gut aus. Die Lunge hat sich wieder vollständig ausgedehnt. Solange sich ihr Zustand nicht durch eine Lungenentzündung oder einen anderen Infekt verschlechtert, sollte einer vollständigen Genesung nichts im Wege stehen."

Erleichtert lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück und fuhr mir mit den Händen über die Augen. Es würde wieder alles gut werden. Es musste einfach.

„Dr. Thompson!", hörte ich plötzlich Lou erschrocken sagen. Verwirrt öffnete ich die Augen.
„Meine Mom – sie bewegt die Lider! Wacht sie auf?" Ich war trotz meiner Müdigkeit sofort wieder hellwach. Und tatsächlich zuckten Moms geschlossene Augen etwas.
„Oh da haben wir aber eine richtige Kämpferin!", rief der Arzt aus und wandte sich dann an die Krankenschwester, die hinter uns durch den Raum wuselte: „Ms Benton? Bitte noch einmal das Propofol!" Sie hantierte kurz an dem Tropf über unseren Köpfen herum und ein paar Sekunden später ließ das Zucken nach.

„Wir müssen ihr weiterhin Schlafmittel verabreichen, auch wenn sie Anstalten macht, aufzuwachen. Das ist wichtig, damit ihre Lunge gut heilen kann, weswegen wir sie auch künstlich beatmen. Außerdem wird sie starke Schmerzen haben. Aber es ist vielversprechend, wenn sie jetzt schon versucht, aufzuwachen. Vielleicht geht das hier doch schneller als gedacht. Die Chancen stehen gut."

„Danke, Dr. Thompson, für alles, was sie für meine Mutter tun", sagte Lou. Wieder einmal war ich wie berauscht von der Wärme in ihrem Herzen.

„Das ist mein Job", meinte dieser nur und verließ mit einem milden Lächeln das Zimmer. Auch die Schwester folgte ihm kurz darauf. Gerade als ich etwas zu Louise sagen wollte, hörte ich ihr Handy klingeln.

Während sie es aus ihrer Hosentasche fischte, warf ich einen kurzen Blick auf meine Armbanduhr. Es war kurz nach drei. Merkwürdig, wie schnell so ein Tag voller Hoffnung und Zweifel vergehen konnte.

„Sunny? Hey!", rief Lou erfreut und stand auf.

Oh nein. Warum musste meine kleine Schwester sich eigentlich gerade mit dem Mädchen anfreunden, das mir nicht mehr aus dem Kopf ging? Das aber auch jenes Mädchen war, welches ich in meinem Leben bisher am meisten verletzt hatte.

Aber vielleicht war das ja auch ein Wink des Schicksals, damit ich mich endlich meinen Problemen stellte. Und vielleicht war Lou ja sozusagen das kleine Engelchen des Schicksals, das mir dabei helfen sollte. Dass sie das konnte, war mir völlig klar.

Ich wusste, dass ich allen die Wahrheit sagen musste, doch ich wusste nicht wie. Was hatte Lou gestern zu mir gesagt? Es kommt nur darauf an, ob wir unsere Fehler einsehen und bereuen. Aber das tat ich ja! Jeden Tag! Ich hatte alles falsch machen können, was man nur falsch machen konnte. Anscheinend war das der große Unterschied zwischen Louise und mir: Sie wusste, wie man die Dinge richtig machte und ich war nur dazu im Stande, Fehler zu begehen.

Das mit Sunny und mir war auseinander gegangen, bevor es überhaupt richtig begonnen hatte. Wir hatten in den Osterferien eine geheimnisvolle, berauschende Woche zusammen verbracht. Ich hatte geglaubt, dass es nie ein Ende haben würde. Ich dachte, wir würden für immer zusammen bleiben, so gut hatte es sich angefühlt. Doch der Sturz von den Wolken kam eher als erwartet. Viel zu früh. Sunny sagte mir, dass sie das nicht konnte. Dass sie nicht mit mir zusammen sein konnte. Damals wusste ich noch nicht, warum, ich hatte es mir erst später zusammen gereimt. Dann hatte die Angst in ihren Augen endlich Sinn ergeben. Ihr Zurückziehen, jedes Mal wenn wir den nächsten Schritt gemacht hatten.
Sie war früh verletzt worden. Von einem beschissenen Mistkerl namens Mica, der mittlerweile auf irgendein teures College ging, einen protzigen Audi fuhr und wahrscheinlich fünf Frauen gleichzeitig hatte. Die beiden waren ganze zwei Jahre zusammen gewesen. Ich wusste, dass sie ihn geleibt hatte, dass sie ihm alles gegeben hatte. Und ihm hatte es nicht gereicht. Das Arschloch hatte sie betrogen. Schon ein halbes Jahr, bevor sie es herausgefunden hatte. Es hatte ihr das Herz gebrochen, zu erfahren, dass alles nur Show gewesen war. Und ich hatte die Tiefe des Schmerzes, den dieser Mica ihr zugefügt hatte, erst erkannt, als es zu spät gewesen war.
Doch es war noch nicht zu spät! Vielleicht konnte ich noch alles zum Guten wenden, wenn ich nur endlich Klartext redete.

Changes | AbgebrochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt